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Grenzgerangel mit Google

Weiter keine Lösung im Konflikt zwischen Nicaragua und Costa Rica

Von Andreas Knobloch, Cancún *

Costa Ricas Regierung hat Nicaragua aufgefordert, bis zum 27. November seine Truppen aus dem zwischen beiden Ländern umstrittenen Gebiet am Grenzfluß San Juan zurückzuziehen. Für diesen Tag ist ein lange vor dem Ausbruch des aktuellen Konflikts vereinbartes Treffen zwischen den beiden zentralamerikanischen Ländern geplant. Eine Entspannung ist jedoch weiter nicht in Sicht. Nachdem Nicaraguas Präsident Daniel Ortega am Wochenende damit gedroht hatte, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu verlassen sowie Costa Rica und andere Länder der Region in die Nähe des Drogenhandels gerückt hatte, kritisierte Costa Ricas Präsidentin Laura Chinchilla, Ortega fehle es an »Respekt gegenüber Ländern wie Costa Rica, Panama, Kolumbien, Guatemala, Mexiko und anderen Nationen der Hemisphäre, die in ihrem Kampf gegen den Drogenhandel große Anstrengungen unternehmen«. Ortega sagte jedoch, die einzigen Nutznießer eines Abzugs der nicaraguanischen Truppen, die sich auf dem eigenen Staatsgebiet befänden, würde nur den Drogenbanden nutzen.

Die OAS hatte zuvor beide Länder in einer Resolution aufgefordert, »die Anwesenheit bewaffneter Truppen oder Sicherheitsdienste« in dem umstrittenen Gebiet zu vermeiden, den bilateralen Dialog wieder aufzunehmen, um die Differenzen zu lösen und in der Grenzziehung zu einer Lösung zu kommen, sowie gemeinsame Aktionen gegen den Drogenhandel zu starten. 21 von 27 Staaten unterstützten den Antrag; nur Venezuela und Nicaragua votierten dagegen. Nicaragua kündigte nun an, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anzurufen. Costa Rica will den UN-Sicherheitsrat einschalten.

Hintergrund des am 21. Oktober ausgebrochenen Konflikts am Río San Juan sind nicaraguanische Baggerarbeiten in dem Fluß, durch die der Strom für Kreuzfahrtschiffe befahrbar gemacht werden soll. San José wirft dem Nachbarland vor, das dabei ausgehobene Erdreich auf costaricanischer Seite der Grenze abzuladen. Außerdem erhob Costa Rica den Vorwurf, Soldaten aus dem Nachbarland hätten die Grenze überquert, auf der Calero-Insel ein Zeltlager errichtet und dort die nicaraguanische Flagge gehißt. Außerdem verlegte Costa Rica, das seit 1948 keine Armee mehr besitzt, zusätzliche Polizeieinheiten an die Grenze.

Der Kommandeur der nicaraguanischen Grenztruppe sagte daraufhin einer costaricanischen Zeitung, er habe sich auf eine Landkarte des Internetdienstes »Google Maps« gestützt, wonach die fragliche Gegend zu Nicaragua gehöre. Google räumte daraufhin Fehler in seiner Karte ein und kündigte eine Korrektur an. Nicaraguas Außenminister Samuel Santos bezeichnete die Karte hingegen als »korrekt«.

Zwischen Costa Rica und Nicaragua hat es seit mehr als 150 Jahren immer wieder Grenzkonflikte gegeben. Dabei geht es unter anderem um die Schiffahrtsrechte auf dem Río San Juan. Ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sprach Nicaragua im Juli 2009 die volle Oberhoheit über den Fluß zu, gab die Gebiete östlich des Hauptstromes aber an Costa Rica. Der bei San Carlos am Nicaraguasee entspringende Río San Juan fließt fast auf seiner ganzen Länge durch nicaraguanisches Staatsgebiet. Erst 25 Kilometer vor der Mündung nahe der Stadt San Juan de Nicaragua teilt sich der Fluß. Der größte Mündungsarm, der Río Colorado, fließt auf costaricanischem Gebiet in die Karibik.

* Aus: junge Welt, 17. November 2010


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