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Comandante wieder Präsident

Nicaragua: Wahlsieg des Sandinisten Daniel Ortega anerkannt. Herzliche Glückwünsche aus Havanna und Caracas. Widersprüchliche Reaktionen aus den USA

Von Gloria Fernandez *

Der neue Präsident Nicaraguas heißt Daniel Ortega! Zwar wurden am Mittwoch immer noch Stimmzettel von der Wahl am Sonntag ausgezählt, doch erkannte der wichtigste Gegenkandidat des ehemaligen Guerillakommandanten, der konservative Bankier Eduardo Montealegre, den Sieg seines Konkurrenten aus dem linken Lager an. Mit 38,1 Prozent Anteil lag Ortega gegenüber 29 Prozent Montealegres uneinholbar vorn. José Rizo von der Liberalen Verfassungspartei, der zweite Kandidat der nicaraguanischen Reaktion, erreichte beachtliche 26,2 Prozent.

Zusammengenommen erhielt folglich die nationale Oligarchie weit über die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen – ein Ergebnis nahe dem von 1990, als Ortega sein Präsidentenamt an Violeta Chamorro als Vertreterin der vereinten nationalen Oligarchie verlor. Damals hatten die von den USA gesponserten Contra-Banditen Krieg gegen die Regierung »Frente«, die sandinistische Befreiungsbewegung FSLN, geführt. Diesmal scheiterte die Reaktion an den konträren Geschäftsinteressen ihrer Protagonisten, die sich nicht auf eine gemeinsame Kandidatur einigen konnten.

Freude über den Erfolg Ortegas herrschte bei den fortschrittlichen Präsidenten in Lateinamerika, die Glückwünsche nach Managua schickten. Kubas Fídel Castro gratulierte dem Sandinisten vom Krankenbett aus zu seinem «grandiosen Sieg». Venezuelas Präsident Hugo Chávez lud ihn ein, sich seinem Land beim »Aufbau der zukünftigen sozialistischen Bruderschaft des 21. Jahrhunderts« anzuschließen.

Indes wurde in den USA bereits von einem »Linksruck in Lateinamerika« gesprochen, mit dem »besonnen« umzugehen sei. Larry Birns vom »Thinktank« COHA sah die Beziehungen der Vereinigten Staaten zum südlichen Teil des Kontinents nun in »der schlechtesten Phase seit einem Jahrhundert«. Washington müsse daher gegenüber Nicaragua »Reife« zeigen, da das Land ansonsten in den »venezolanischen Orbit« eintreten werde. Ähnliches war insbesondere vor den Wahlen von der politschen Elite Nord­amerikas zu hören gewesen. Für den Fall eines Wahlsieges Ortegas hatten die USA mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht.

Folgt man nun den Aussagen des ehemaligen US-Präsidenten James Carter, dann sind die Töne aus Washington etwas leiser geworden. Carter am Mittwoch: Außenministerin Condoleezza Rice habe eine »respektvolle und unterstützende Zusammenarbeit« in Aussicht gestellt. Einzige Voraussetzung: Ortega müsse sich dementsprechend verhalten. Was das konkret bedeutet, führte der Expräsident nicht aus, sondern spekulierte stattdessen im US-Nachrichtensender CNN: »Ich denke, es gibt keine Zweifel, daß sich die Beziehungen zwischen den USA und Nicaragua verbessern werden.«

In seiner Siegesrede erklärte der zukünftige Präsident Nicaraguas, die »Bedingungen in unserem Land sprechen für eine neue politische Kultur, die uns zu einem neuen konstruktiven Geist ohne Feindschaft und Streit führen wird«. An erste Stelle müßten nun »Nicaragua und die Armen« gesetzt werden. Zuvor hatte der unterlegene Kandidat Montealegre den Führer der Sandinistischen Front für die nationale Befreiung (FSLN) besucht. Diese Geste wertete Ortega als »deutliches Zeichen, daß wir als Nicaraguaner für das Wohl unseres Landes zusammenarbeiten müssen«.

* Aus: junge Welt, 9. November 2006


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