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Gedenken an Anschlagsopfer von Omagh

Attentat in Nordirland sollte vor zehn Jahren Friedensprozeß stören. In der Folge wurde die IRA entwaffnet

Von Florian Osuch *

In der Stadt Omagh haben am Wochenende mehrere tausend Menschen der Opfer eines der schwersten Anschläge in Nordirland gedacht. Am 15. August 1998 starben bei dem Bombenattentat der irischen Splittergruppe Real IRA 29 Menschen. Es war die blutigste Attacke des fast 30 Jahre währenden Bürgerkriegs im Norden Irlands. An der Trauerfeier nahmen nun Überlebende sowie zahlreiche Politiker teil, darunter der irische Ministerpräsident Brian Cowen sowie der stellvertretende Premierminister von Nordirland, Martin McGuinness von der Linkspartei Sinn Féin.

Mehrere Angehörige von Opfern blieben der Trauerzeremonie jedoch fern. Sie protestierten damit gegen die Inschrift einer neuen Gedenktafel, die ihrer Meinung nach die Urheberschaft der Real IRA verschleiert. Der Vorwurf richtet sich gegen Sinn Féin, die den Stadtrat von Omagh mit zehn von 21 Sitzen dominiert und der politische Arm der Guerillaorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) ist.

Der Anschlag von Omagh gilt als Schlüsselereignis im nordirischen Friedensprozeß und hat maßgeblich zur Entwaffnung der IRA beigetragen. Am Nachmittag des 15. August 1998 war in der belebten Einkaufsmeile der 25000-Einwohner-Stadt eine 500-Pfund-Autobombe explodiert und hatte ausschließlich Zivilisten -- Protestanten und Katholiken sowie Touristen -- getötet. Etwa dreißig Minuten vor der Detonation waren telefonische Warnungen eingegangen, die jedoch so unpräzise waren, daß die Polizei einen falschen Teil der Einkaufsstraße räumen ließ. Die Autobombe explodierte anschließend dort, wohin die Personen evakuiert worden waren.

Das Attentat sollte den Friedens­prozeß in Nordirland und das kurz zuvor geschlossene Karfreitagsfriedensabkommen torpedieren. Die Folge war jedoch, daß partei- und länderübergreifend eine Beendigung der Auseinandersetzungen forciert wurde. Dem »Omagh-Bombing« folgte eine gigantische Operation der britischen und irischen Polizei. 80 Verdächtige wurden verhört und mehrere tausend Zeugen befragt. Einem halben Dutzend Männern wurde die Urheberschaft für den Anschlag unterstellt, jedoch fehlte es an stichhaltigen Beweisen, um sie zu verurteilen. Einige Hinterbliebene haben kürzlich fünf Personen zivilrechtlich verklagt und fordern Schadenersatz in Höhe von zehn Millionen Pfund.

Wenige Wochen nach dem Anschlag stellte auch die IRA Untersuchungen zur Urheberschaft des Anschlages an. Dem Friedensprozeß verpflichtet forderte sie in rund 60 Gesprächen mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Real IRA eine Einstellung von deren Aktivitäten. Das Attentat von Omagh hatte auch zur Folge, daß die Führung der Linkspartei Sinn Féin das einzige Mal einen Anschlag im NordirlandKonflikt offen und unmißverständlich verurteilte. Unklar ist bis heute die Beteiligung von Informanten britischer Sicherheits- und Geheimdienste an der Bluttat. Nach Angaben der Tageszeitung Irish News soll ein Agent seinen Polizeiführer zwei Tage vor dem Attentat über die Pläne informiert haben.

Infolge des Anschlages verlor die Real IRA nahezu jegliche Unterstützung innerhalb der irischen Bevölkerung, obwohl die Selbstentwaffnung der IRA und der Friedenskurs von Sinn Féin zeitweise harsch kritisiert worden waren.

* Aus: junge Welt, 18. August 2008


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