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Hardliner gewinnen Wahl in Nordirland

Schwierige Regierungsbildung - Die Zeit wird knapp

Am 7. März 2007 wurde in Nordirland ein neues Parlament gewählt. Bis zum 26. März hat es nun die Möglichkeit, eine Koalitionsregierung zu bilden, wozu die irisch-republikanischen Kräfte grundsätzlich bereit sind. Der pro-britische Protestant Ian Paisley gibt sich aber eher unversöhnlich. Wieder einmal steht der Friedensprozess an einer Wegscheide.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel sowie einen Kommentar aus der Tagespresse.



Sieg der Hardliner in Nordirland

Katholische Sinn Fein zweitstärkste Fraktion nach der Unionistenpartei DUP von Ian Paisley

Von Philipp Henning *


Aus der Parlamentswahl in Nordirland ist die »Demokratische Unionisten-Partei« (DUP) des radikalen Protestanten Ian Paisley als stärkste Kraft hervorgegangen. Die Hardliner-Partei kam auf 36 der 108 Sitze des Regionalparlaments, wie am Freitag abend nach Auszählung aller Stimmen in Belfast mitgeteilt wurde. Die Partei Sinn Féin kam demnach auf 28 Mandate. Großbritanniens Premierminister Anthony Blair und sein irischer Kollege Patrick Ahern appellierten an Katholiken und Protestanten, die »historische« Gelegenheit zur Machtteilung zu nutzen. London will die Direktverwaltung fortsetzen, wenn bis zum 26. März keine einträchtige Regierungsbildung erfolgt. »Wir fordern die Parteien auf, die Herausforderungen anzunehmen und Nordirland auf einen guten Kurs zu bringen«, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung Blairs und Aherns, die am Freitag (9. März) am Rande des EU-Gipfels in Brüssel verabschiedet wurde. DUP-Chef Paisley zeigte zunächst keine Bereitschaft, mit der Sinn Féin eine Regierung zu bilden. Parteichef Gerry Adams ist zu einer Zusammenarbeit mit der DUP bereit.

Die gemäßigt Linie Adams hat die Sinn Féin auf parlamentarischer Ebene in eine gute Ausgangsposition gebracht. Auch die Anerkennung der protestantisch-unionistisch dominierten Polizei PSNI hat trotz Kritik aus dem eigenen Lager keine negativen Auswirkungen auf die Wahlerfolge gehabt. Der Streit um die Haltung zur PSNI hatte das nordirische Lager im Vorfeld der Wahl gespalten. Umso erleichterter düften die Sinn-Féin-Vertreter nun über einen leichte Zugewinn an Stimmen sein. Auch das Abschneiden derjenigen republikanischen Kandidaten, die als Protest gegen die Partei Adams’ kandidierten, spricht für sich: Sowohl die kleine »Republican Sinn Féin« (RSF) als auch die »Irish Republican Socialist Party« (IRSP) hatten eigene Kandidaten ins Rennen geschickt. Ein Schuß, der zumindest für RSF nach hinten losging. So konnten die sechs Kandidaten in ihren Wahlkreisen lediglich zwischen 0,9 und 1,3 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Ein Ergebnis, das kaum als Zeichen des »massiven Unmuts« zu deuten ist, von dem beide Kleinparteien zuvor gesprochen hatten.

* Aus: junge Welt, 12. März 2007


Belfaster Rührei

Von Olaf Standke **

Nordirland sei wie ein Rührei, so ein Belfaster Politologe, zerschlagen von einer gewalttätigen Geschichte zwischen Briten und Iren, Protestanten und Katholiken, doch könne man es eben nicht auseinanderrühren. Eigentlich lag nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg und über 3000 Toten mit dem so genannten Karfreitagsabkommen das Rezept für eine friedliche, eine bekömmliche Zukunft vor. Doch die Köche in der Belfaster Allparteienregierung konnten nicht miteinander. Die Wahlen zum Regionalparlament haben jetzt eine zweite Chance gebracht. Eine Mehrheit in der Krisenprovinz will die Rückkehr zu Selbstverwaltung. Aber wollen auch die bisherigen Erzfeinde an einen Tisch? Die jeweils stärksten Parteien haben weiter zugelegt, sie vor allem müssen sich nun auf eine Zusammenarbeit einigen. Die proirisch-katholische Sinn Féin hat ihre Bereitschaft dazu signalisiert und ist bei der Anerkennung der verhassten Polizei- und Justizstrukturen über den eigenen Schatten gesprungen. Dem 80-jährigen Pastor und probritisch-protestantischen DUP-Vorsitzenden Ian Paisley, als Wahlsieger designierter Erster Minister in Belfast, fällt es offensichtlich noch schwer, die Hand der Versöhnung zu ergreifen. Er hat nur bis zum 26. März Zeit. Scheitert die Regierungsbildung, wäre der Friedensprozess auf lange Zeit verdorben.

** Aus: Neues Deutschland, 10. März 2007


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