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Der Durchbruch: Nordirland bildet gemeinsame Regierung

Zum Wählerauftrag und über das "britische Märchenland" schreiben Uschi Grandel und Ronan Bennett

Bis zum 26. März hatten die Parteien in Nordirland Zeit eine gemeinsame Regierung zu bilden. In letzter Minute gelang dies (siehe die aktuelle Meldung im Kasten).
Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel, die bereits vorher verfasst wurden und noch einmal die Wahl vom 7. März sowie die politischen Voraussetzungen für eine Einigung der verfeindeten Blöcke kommentierten.



Letzte Meldung: Einigung über gemeinsame Regierungsbildung

Die Chefs der beiden größten nordirischen Parteien, Ian Paisley und Gerry Adams , haben sich auf den 8. Mai als Datum für die Regierungsbildung geeinigt. Das geht aus einem vorab verbreiteten Entwurf einer gemeinsamen Erklärung hervor, die nach dem Treffen der beiden Politiker am 26. März 2006 verlesen werden sollte. In der Erklärung heißt es: "Ian Paisley verpflichtet sich unmissverständlich und verbindlich zu einer Machtteilung am 8. Mai."
Der britische Nordirlandminister Peter Hain hatte zuvor eine mögliche Fristverlängerung Londons für eine Regierungsbildung in Nordirland in Aussicht gestellt, wenn sich die Parteien auf einen "alternativen" Vorschlag verständigen könnten. Die Frist für die Regierungsbildung lief um Mitternacht (26. März) aus. Paisleys protestantische Unionistenpartei (DUP) hatte eine Fristverschiebung auf Mitte Mai gefordert.
Paisley und Adams waren am 26. März erstmals zusammengekommen, um in letzter Minute noch eine Einigung über eine eigenständige nordirische Regierung zu erreichen.
Der britische Premierminister Tony Blair hat die Verpflichtung der beiden größten nordirischen Parteien auf eine Regierungsbildung Anfang Mai begrüßt. "Das ist ein sehr wichtiger Tag für die Menschen in Nordirland", sagte er am Montag in London. "Alles, was wir im Laufe der vergangenen zehn Jahre gemacht haben, war eine Vorbereitung auf diesen Moment."

Agenturmeldungen vom 26. März 2007



Eine gemeinsame Regionalregierung als Wählerauftrag

Von Uschi Grandel *

Am 7. März 2007 hat die Bevölkerung in Nordirland ihre Vertreter für die gemeinsame Regionalregierung gewählt. Das Kräfteverhältnis der Parteien für die Regierung durch eine Wahl neu festzulegen, war einer der Eckpunkte des Abkommens von St. Andrews, das in mühevollen Verhandlungen im Herbst 2006 erreicht wurde. Es basiert auf dem 1998 geschlossenen Karfreitagsabkommen (Good Friday Agreement, Belfast Agreement) und ist die Grundlage, auf der die Regionalregierung zum 26. März dieses Jahres wieder etabliert werden soll.

Die zentralen Verhandlungspartner des St. Andrew Agreement waren die britische und die irische Regierung, sowie die beiden stärksten Parteien der irischen, bzw. der pro-britischen Communities in Nordirland. Auf pro-britischer Seite ist dies die DUP, die Democratic Unionist Party mit Parteichef Ian Paisley, auf Seite der irischen Bevölkerung ist es die irisch-republikanische Partei Sinn Féin. Ihr Präsident ist Gerry Adams.

Ergebnis der Wahlen zum nordirischen Regionalparlament am 7. März 2007

1.107.904 Wahlberechtigte, Wahlbeteiligung: 63,5%

ParteienSF SDLPUUP DUPAPWCPUPOthers
Sitze 28 16 18 36 7 0 1 2
Prozent 26,2 15,2 14,9 30,1 5,2 0,1 0,6 7,7
Sitze (2003) 2418 27 30 6 0 1 2
Prozent (2003) 23,53 17 22,7 25,65 3,7 0,84 1,16 5,43
Sitze (1998) 18 2428 20 6 2 2 3
Prozent (1998) 17,6321,96 21,25 18.01 6,5 1,61 2,55 4,58

SF: Sinn Féin; SDLP: Social Democratic Labour Party; UUP: Ulster Unionist Party; DUP: Democratic Unionist Party; AP: Alliance Party; WC: Women's Coalition, PUP: Progressive Unionist Party

Die anderen Parteien, die irisch-nationalistische SDLP, die pro-britische UUP, beide zur Zeit des Karfreitagsabkommens jeweils stärkste Parteien, mittlerweile jedoch bedeutend geschwächt, sowie die kleine Alliance Party, spielten in den Verhandlungen praktisch keine Rolle. Die Wahl bestätigte die DUP mit 30,1% und Sinn Féin mit 26,2% der Erststimmen als stärkste Parteien deutlich vor der UUP mit 14,9% und der SDLP mit 15,2%. Die Alliance Party erhielt 5,2% der Erststimmen.

Sowohl Sinn Féin als auch die DUP haben im St. Andrew Agreement einem Kompromiss zugestimmt, der entscheidende Änderungen ihrer bisherigen Politik beinhaltet.

Sinn Féin - Anerkennung der Polizei

Für Sinn Féin war dies die Anerkennung der Polizei und der Gerichtsbarkeit. Dies ist ein gewaltiger Schritt im Konfliktlösungsprozess, da die Polizei während des Konflikts nicht Polizei, sondern aktiver Konfliktpartner war. Die Polizei hat - wie andere staatliche Stellen auch - die gesamte Bevölkerung der irischen Viertel als Terroristen diffamiert, hat die mehrheitlich katholische Bevölkerung diskriminiert, schikaniert und Willkür und Gewalt walten lassen. Man schätzt, dass der Zusammenarbeit der Polizei mit pro-britischen Todesschwadronen Hunderte von Menschen zum Opfer gefallen sind.

Sinn Féin hat in langen Verhandlungen die Grundlage dafür gelegt, die Polizeiarbeit der Kontrolle durch die Geheimdienste zu entziehen, und sie damit weg von solchen Machenschaften und hin zu echter Polizeiarbeit zu führen. Sinn Féin nennt das "civic policing". Ihr Sonderparteitag hat dieser Politikänderung und damit der Anerkennung der Polizei im Januar 2007 mit überwältigender Mehrheit zugestimmt und damit den Weg zur Allparteienregierung geöffnet.

Dem Sonderparteitag voraus gegangen war ein beeindruckendes Exempel demokratischer Diskussion in den irisch-republikanischen Vierteln. Sinn Féin hatte Nordirland weit öffentliche Veranstaltungen organisiert, um das Thema zu diskutieren. Zu den Veranstaltungen kamen Tausende, um ihre Probleme mit der Anerkennung der Polizei zu artikulieren und eine gemeinsame Haltung zu finden. Diskutiert wurde ernsthaft und auf hohem Niveau. Die irisch-republikanischen Viertel in Nordirland sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie hoch und wie progressiv das politische Bewusstsein in der Bevölkerung ausgeprägt sein kann. Dementsprechend lag die Wahlbeteiligung deutlich über dem Durchschnitt von 63%, in etlichen der irisch-republikanischen Hochburgen bei 70% und darüber.

DUP - gemeinsame Regierung mit Sinn Féin

Eine komplette Umkehr ihrer bisherigen Politik ist die Umsetzung des St. Andrew Abkommens für die DUP. Die DUP hat sich im St. Andrews Abkommen zur gemeinsamen Regierung mit Sinn Féin und damit zur Machtteilung zwischen Unionisten und der irischen Hälfte der Bevölkerung bekannt. Natürlich nicht ohne wenn und aber. Und ganz sicher kann man sich bei der DUP, die Tom McGurk von der Sunday Business Post als eine Art Mischung aus "(protestantischen) Taliban und (konservativen) Technokraten" beschreibt, nie sein. Trotzdem ist das Abkommen ein gewaltiger Schritt weg von der bisherigen Politik der Gegnerschaft zum Karfreitagsabkommen und zur gemeinsamen Allparteienregierung.

Allerdings zeichnet sich dieser Schritt seit längerem ab: die Westminsterwahlen 2005 hatten der DUP einen glorreichen Sieg über ihren Rivalen UUP beschert. Der Wahlslogan der DUP deutete damals bereits schon in Richtung Kompromiss "Ein fairer Deal" war die Losung. Das war meilenweit weg von den anti-katholischen und anti-irischen Hassparolen, mit denen die DUP seit ihrer Gründung den Konflikt geschürt hatte. Bereits 1964 rief Ian Paisley in flammenden Reden seine Anhänger auf, selbst in das irisch-republikanische Viertel West Belfast zu marschieren, um die Fahne der irischen Republik aus dem Fenster eines Büros der damals noch verbotenen Partei Sinn Féin zu entfernen, falls die Polizei dies nicht umgehend erledige. Viele betrachten den Aufruhr, der daraus resultierte, als eigentlichen Beginn der "Troubles". Ian Paisley's "Never,never,never" zu jedem kleinsten Kompromiss ging als geflügeltes Wort in die irische Geschichte ein. Noch heute redet kein DUP Politiker in der Nähe einer Kamera mit Sinn Féin, erst vor kurzem reiste Paisley zu seinen allerersten Gesprächen mit irischen Regierungsvertretern nach Dublin.

Dementsprechend groß waren die Erschütterungen in der DUP. Einige getreue Anhänger verließen die Partei, um mit dem ewig-gestrigen Robert McCartney und seiner UKUP unter der Losung "keine Zusammenarbeit mit Terroristen" zu kandidieren. Sie erlitten eine vernichtende Wahlniederlage.

Unionistische Alleinherrschaft ist politisch nicht mehr möglich Vielleicht ist das das beeindruckendste Ergebnis dieser Wahl. Die unionistische, pro-britische Bevölkerung hat in ihrer Mehrheit klar den religiös-rassistischen Angstparolen unionistischer Hardliner keinen Glauben geschenkt und hat sich in großer und klarer Mehrheit für eine gemeinsame Regierung ausgesprochen. Das war auch das klare Stimmungsbild, das die BBC am Tag nach der Wahl in den unionistischen Vierteln einholte. Alle interviewten Passanten hofften auf eine Einigung und das Zustandekommen der Allparteienregierung.

Sogar die UDA, die größte und gewalttätigste pro-britische Terrorgruppe, die seit dem Friedensabkommen etliche Morde verübte, fühlte sich bemüßigt, in einer Stellungnahme zu verkünden, dass sie gewählte Sinn Féin Politiker akzeptieren und nicht bedrohen würde.

Diese neue Dynamik wäre ohne den einseitigen und weit reichenden Schritt der IRA im Sommer 2005 wohl nicht möglich geworden. Die IRA hatte damals erklärt, den bewaffneten Kampf zu beenden und ihre Ziele mit ausschließlich friedlichen und demokratischen Mitteln zu verfolgen und hatte im Herbst 2005 ihr gesamtes Waffenarsenal zerstört. Seitdem beginnt das Feindbild IRA seine Wirkung in der unionistischen Bevölkerung zu verlieren.

Die nächsten Wochen bis zum 26. März werden von intensiven Verhandlungen bestimmt sein. Sollte die DUP am Ende tatsächlich der gemeinsamen Regierung zustimmen, wäre dies ein wichtiger Schritt im nordirischen Konfliktlösungsprozess. Eine solche Regierung wäre ein sichtbares Zeichen, dass die Diskriminierung der irischen Bevölkerungshälfte - der berüchtigte protestant state for a protestant people - politisch nicht mehr möglich ist.

* 12. März 2007; Uschi Grandel ist für die Internetseite der Initiative "Save the Good Friday Agreement Coalition (Germany) - Unterstützt den Friedensprozess in Nordirland" verantwortlich; http://www.info-nordirland.de/


Im britischen Märchenland

Von Ronan Bennett *

Sinn Féin als die widerstrebende Partei im Friedensprozess zu porträtieren, ist eine Erfindung, von der die irischen Wähler sich nicht täuschen liessen.

Verdient Sinn Féin nicht Respekt für die ausserordentliche Entwicklung, die im Norden Irlands über die letzten 15 Jahre stattgefunden hat? Folgt man (dem ehemaligen britischen Nordirlandminister) Peter Mandelson in seiner Bewertung der Handhabe des Friedensprozesses durch den (britischen) Premierminister (Tony Blair), könnte man meinen, die britische Regierung hatte eine störrische, republikanische Führung gegen ihren Willen zum Verhandlungstisch zu schleppen. An Bord konnte sie nur gehalten werden, weil die britische Regierung kontinuierlich vor republikanischen Forderungen kapitulierte.

Der ehemalige Nordirlandminister (Mandelson) hat keine bedeutende Rolle in der irischen Politik mehr gespielt, seitdem ihn die Hinduja-Affaire im Jahre 2001 zum Rücktritt zwang. Seine (unerwartete) Stellungnahme zu den Wahlen 2007, in der er Republikaner als die widerstrebende Partei im Friedensprozess porträtierte, wurde von den britischen Medien begierig aufgenommen. Mit dieser Darstellung verfälscht er nicht nur die Geschichte, sondern er trägt auch dazu bei, im Vorfeld der Deadline 26. März für die Bildung einer Allparteienregierung eine Atmosphäre von Misstrauen und Argwohn zu schaffen. Allein aus diesem Grund ist es wichtig, die Fakten klarzustellen.

Britische Regierung lehnte 1992 Hume-Adams-Friedensinitiative ab

Der Friedensprozess begann nicht erst mit der Wahl Tony Blairs zum britischen Premierminister, er ist ein Jahrzehnt älter. Es schmälert nicht die Anerkennung, die Blair's Engagement für eine Lösung verdient, sich in Erinnerung zu rufen, dass bereits 1988 (der Präsident der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin ) Gerry Adams und John Hume, der ehemalige Parteichef der irisch-nationalistischen SDLP, eine Reihe an privaten Diskussionen begannen. Sie versuchten, eine gemeinsame Strategie zu finden, um die Waffen aus der irischen Politik zu entfernen, "to take the gun out of Irish politics". ("to take the gun out of Irish politics" bezeichnet die Versuche, den bewaffneten Konflikt durch politische Lösungen zu ersetzen. Über Jahrhunderte scheiterten Initiativen, auf politischem Weg Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zu erlangen, immer wieder.)

Das Ergebnis der Gespräche wurde im Jahr 1992 als Hume-Adams Dokument veröffentlicht. Es wurde jedoch nicht als vielversprechende Chance begrüßt. Statt dessen traf es auf Feindseligkeit. Hume, der später einer der beiden Friedensnobelpreisträger wurde, war verletzt und reagierte mit Unverständnis. Er, der sich wie Gandhi zur Gewaltlosigkeit bekannte, wurde plötzlich beschuldigt, ein Handlanger der IRA zu sein oder gar ein kompletter Schurke. Die (pro-britischen) Unionisten beschimpften ihn, seine britischen Verbündeten in der Labour Party verliessen ihn. Die Botschaft der britischen Regierung unter dem damaligen Premier John Major war klar: es könne keine Verhandlungen mit "den Männern der Gewalt" geben, nur mehr Krieg, mehr Tote, mehr Elend. Wenn es dem Feind mit Frieden ernst sei, solle er kapitulieren. Major mag sich dabei sehr stark gefühlt haben, aber als Friedensstrategie taugt diese Haltung nicht.

Man hätte es der republikanischen Führung nachsehen können, wenn sie nach Auswertung der Hume-Adams Initiative in die alte Haltung zurückgefallen wäre, dass (irische) Nationalisten im Norden Irlands noch nie etwas auf politischem Wege erreicht haben. Es hätte leicht das Signal sein können, der militärischen Tradition wieder die Führung zu überlassen. Statt dessen lies sich die IRA nicht abschrecken und verkündete am 23. Dezember 1993 einen 3-tägigen Waffenstillstand.

Seine Intention war zu zeigen, dass die IRA die Disziplin und die Geschlossenheit hatte, einen Waffenstillstand zu halten und dass die republikanische Führung ernsthaft eine Einigung wollte. Die Reaktion auf den Waffenstillstand über Weihnachten war so wütend, dass Adams sich laut wunderte, ob die IRA etwa eine Intensivierung ihres Krieges angekündigt hatte. Die Botschaft war dieselbe: Frieden nur zu britisch/unionistischen Bedingungen.

Lehren aus der Geschichte?

Als die IRA am 31. August 1994 ein "vollständiges Ende aller militärischen Operationen" verkündete, war die Reaktion nicht weniger feindselig. Speziell Adams wurde mit andauernder und bösartiger Kritik überhäuft, auch in dieser Zeitung. Gerry Adams sei "ein Sarg-Füller, der sich strategisch dazu entschieden habe, nicht länger Särge zu füllen", schrieb Edward Pearce im Jahre 1994. "Selbst wenn er Frieden wollte, suggerieren seine Worte und Aktionen einen Mann, der weder das Selbstvertrauen noch den Mut hat, Dinge voranzubringen", behauptete ein Observer-Editorial desselben Jahres. Etwas später sinnierte Roy Hattersley im Guardian, dass "Gerry Adams Teil der Troubles ist ... Wenn wir ihn behandeln, als ob er unerlässlich für eine dauerhafte Einigung sei, glorifizieren wir Unbeweglichkeit, religiösen Fanatismus und Extremismus." Es war, als ob sich gegenüber dem letzten Jahr nichts geändert hätte, als zum Beispiel der Sunday Telegraph erklärte, Gerry Adams sei "einer der ... schlimmsten Friedensfeinde in Irlands blutgetränkter Geschichte".

Betrachtet man die Zitate im Licht der späteren Entwicklung, welche Lehren ziehen wir daraus? Lassen wir mal ausser Betracht, dass die Zitate nun die Vorurteile und falschen Einschätzungen ihrer Schreiber blossstellen. Wichtiger ist etwas anderes: sie haben denselben Tenor, der sich auch durch Mandelson's Interview zieht: dass die britische Regierung eine geduldige und vernünftige Instanz ist, die in dieser ganzen üblen Geschichte keine eigenen Interessen vertritt und ständig ausgenutzt wird.

Das Land der Märchen, Feen und Kobolde

In dieser selbstzufriedenen, arroganten und sich ausklammernden Sichtweise kann die britische Regierung das Märchen aufrechterhalten, das der Konflikt aus dem Nichts entstand, dass die irisch-nationalistische Community niemals echte Missstände zu erdulden hatte, dass der ganze Konflikt - um die Berichterstattung von Jeremy Paxman zu den aktuellen Wahlen zu zitieren - "tribal", (also eine Art Stammeskonflikt aus unzivilisierter Vergangenheit) und damit irrational und nicht politisch sei. Oder wie der ehemalige Abgeordnete der Tories, Edward du Cann es formulierte: "Für die Engländer ist es nicht möglich, (die Iren) zu verstehen - warum sie sich gegenseitig bekämpfen, warum ihren Reden die Logik so völlig fehlt. Es gibt keine Realität in Irland. Es ist das Land der Märchen, Feen und Kobolde".

Mandelson's Irland mag von "verdammt harten" Leuten bewohnt sein, aber wie Du Cann propagiert er diesen selbst-entschuldigenden Mythos, der es sowohl der Labour Regierung, wie auch der konservativen Vorgänger-Regierung ermöglichte, eine Seite zu unterstützen - die unionistische - einen Krieg gegen die Republikaner zu führen und sich trotzdem selbst als unparteiisch darzustellen.

Die Wähler erkennen an, dass die republikanische Führung den Friedensprozess vorantrieb

Die Wahl (zur Regionalregierung) vom 7. März brachte Sinn Féin ihren grössten Wahlsieg seit der Spaltung Irlands (durch britisches Gesetz im Jahre 1920). Diese Lektion haben Mandelson und diejenigen, die so zustimmend zu seinem Interview nickten, noch zu lernen: der Erfolg der Partei beruht auf der Anerkennung der Wähler, dass die republikanische Führung den Friedensprozess vorantrieb, während die britische Regierung und die Unionisten gezeigt haben - und im Fall von Ian Paisley's Democratic Unionist Party weiterhin zeigen - dass sie im Streben nach einer Einigung zögerten und zauderten.

* Ronan Bennett ist Schriftsteller und Filmemacher. Sein letzter Roman "Zugzwang" wurde im Juli 2006 bei Bloomsbury veröffentlicht.

Dieser Artikel erschien am 17. März 2007 in "The Guardian".
Übersetzung: Uschi Grandel (Erläuterungen in Klammern)



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