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Die Ölrente zerrinnt

Staatlicher norwegischer Vorsorgefonds verliert Milliarden

Von André Anwar, Stockholm *

In Norwegen wächst die Kritik am staatlichen Ölfonds, der allein 2008 71 Milliarden Euro Verlust machte. Nun werden populistische Forderungen von Rechts laut, die dem langfristigen Vorsorgezweck für die Zeit nach dem Öl widersprechen.

Auch Norwegen leidet zunehmend unter der internationalen Finanzkrise. Dabei schien hier alles auf Generationen hinaus gesichert. »Mit unserem staatlichen Ölfonds haben wir die Zukunft besser abgesichert als alle anderen Ölstaaten«, sagte vor einigen Jahren der damalige Finanzminister Per-Kristian Foss dem ND. In den »Staatlichen Pensionsfonds - Ausland« flossen 94 Prozent aller Einnahmen aus dem Öl- und Gasverkauf. Damit sollten die Renten späterer Generationen und die Zukunft nach dem Öl und Gas finanziert werden. Das Geld wurde im Ausland in Aktien und Anleihen angelegt und vermehrte sich dank des Aufschwungs an den Börsen rasch.

Doch nun wird der weltweit als kluge Zukunftssicherung gepriesene Ölfonds bei den Norwegern immer unbeliebter. Denn die Zentralbank, die die Gewinne des weltweit drittgrößten Staatsfonds verwaltet, wies für das Jahr 2008 einen Werteverlust von 633 Milliarden Kronen (71 Milliarden Euro) aus. »Die Entwicklung im vergangenen Jahr hat uns nach einer Reihe von guten Jahren wieder dahin zurückgebracht, wo wir einmal angefangen haben«, musste Zentralbankchef Svei Gjedrem einräumen. Seit der Gründung 1996 sind 2140 Milliarden Kronen in den Fonds geflossen, der bei der Geldanlage auch ethischen Richtlinien folgt. Sein Gesamtwert lag Ende 2008 bei 2280 Milliarden Kronen. Damit beträgt die durchschnittliche inflationsbereinigte Jahresrendite seit 1998 nur noch ein Prozent - der Zielwert liegt bei vier Prozent. Für ein Land mit 4,8 Millionen Einwohnern ist der Fondswert von 230 Milliarden Euro aber noch immer viel Geld.

Der norwegische Ölfonds ist heute Europas größer Aktionär und hält knapp ein Prozent aller weltweit ausgegeben Dividendenpapiere. Kurz vor dem Börsensturz hatte das Parlament eine Erhöhung des Aktienanteils im Portfolio von 40 auf 60 Prozent genehmigt. Das ließ den Werteverlust erheblich steigen. Inzwischen darf der Fonds auch in Immobilien investieren. Um eine Überhitzung der kleinen norwegischen Volkswirtschaft zu vermeiden, wird nur im Ausland investiert. Die Regierung erhält für den jeweils aktuellen Staatshaushalt ein Taschengeld von vier bis sechs Prozent der Gewinne.

Politisch profitiert vom aktuellen Wertverfall des Ölfonds vor allem die Fortschrittspartei (FRP). Die Rechtspopulisten kritisieren schon lange die Richtlinien des Fonds und die riskanten Aktiengeschäfte. Im Wahlkampf fordern sie nun zudem, einen deutlich höheren Anteil der Gewinne in Norwegen auszugeben - etwa für das Sozialwesen, für Schulen und Straßen. Dies seien immerhin reale Werte, so Parteichefin Siv Jensen. Laut Umfragen könnte die FRP erstmals stärkste Partei werden und Jensen damit Ministerpräsidentin.

Renommierte norwegische Ökonomen schütteln nur den Kopf über die populistischen Forderungen und warnen vor einem ernsthaften Schaden durch massive Überhitzung der Binnenwirtschaft, falls das Geld tatsächlich in großem Stil ins Land fließen sollte. Auch Zentralbankchef Svein Gjedrem mahnte zur Ruhe: »Ich wünschte mir, dass unser Volk ein wenig mehr Geduld hätte.« Schließlich handle es sich bei allen Verlusten nur um Buchwerte. Bei einem langfristig angelegten Sparplan könnten große Marktschwankungen vorkommen. »Selbst wenn die Krise länger dauert, ist es entscheidend dafür, dass unser Fonds auf Sicht das abwirft, was wir uns erwarten«, so Gjedrem. Eine Meinung, die alle anderen wichtigen politischen Kräfte teilen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Mai 2009


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