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Sieg für Xanana Gusmao

Die Partei des Premiers hat die Parlamentswahl in Osttimor gewonnen

Von Thomas Berger *

Der bisherige Premierminister und frühere Rebellenkommandeur Xanana Gusmao kann nach den Parlamentswahlen in Timor-Leste (Osttimor) offenbar erneut mit einer Regierungsmehrheit rechnen. Sein Nationalkongress für den Wiederaufbau Timors (CNRT) erhielt nach den vorläufigen Auszählungsergebnissen 31 der 65 Mandate.

2007 hatte die FRETILIN unter Expremier Mari Alkatiri noch die meisten Stimmen und Mandate erhalten, aber eine Mehrheit verfehlt. Da der seinerzeit zweitplatzierte Nationalkongress aber eine Koalition bilden konnte, musste die FRETILIN auf die Oppositionsbänke. Auch jetzt kann keiner der beiden Großen allein regieren. Wobei vieles darauf hindeutet, dass die kleinere Demokratische Partei (PD) die bisherige Zusammenarbeit mit dem CNRT fortführen wird. Das glaubt auch PD-Vizechefin Lurdes Bessa nach dem Beginn von Gesprächen zwischen beiden Parteien. Allerdings erwartet sie »eine schwere Entscheidung«. Prinzipiell haben die Demokraten auch die Option, ein Bündnis mit der FRETILIN einzugehen. Die kam bei etwa 30 Prozent Stimmenanteil wohl auf 24 Mandate im 65 Abgeordnete umfassenden Parlament; die PD kann sich bei gut zehn Prozent nach bisherigem Ergebnisstand über acht Sitze freuen.

Stärkste Kraft nach einem störungsfreien Urnengang aber ist der CNRT mit 31 Mandaten. Ihm sprachen etwa 36 Prozent der Wähler das Vertrauen aus. Der CNRT konnte seinen Stimmenanteil, der vor fünf Jahren bei 24 Prozent lag, deutlich ausbauen. Das Ziel, wenigstens 40 Mandate zu erringen und ohne Partner auszukommen, wurde jedoch klar verfehlt. Sollte sich die PD anders entscheiden, wäre Frente-Mudanca mit zwei Mandaten das Zünglein an der Waage. Die Partei hatte sich nach den Wahlen 2007 von der FRETILIN abgespalten.

Das amtliche Endergebnis soll am 17. Juli vorliegen, eine neue Regierung dürfte Anfang August stehen. Egal wie die Verhandlungen ausgehen, wird auch vor der künftigen Administration vor allem die Herausforderung stehen, Armut und Unterentwicklung im Land zu bekämpfen. Die vor den Küsten Osttimors lagernden, mit dem mächtigen Nachbarn Australien aber umstrittenen Öl- und Gasvorkommen gelten dabei als Schlüssel. Sie sollen Milliarden Dollar in die klammen Staatskassen spülen. Bisher ist Osttimor noch immer stark auf internationale Hilfszahlungen angewiesen.

1975 hatte Indonesien die frühere portugiesische Kolonie besetzt, ein Vierteljahrhundert dauerte der verlustreiche Freiheitskampf der Timorer, der mehr als 100 000 Einwohner das Leben kostete. Die Verbrechen des indonesischen Militärs während der Besatzungszeit und im Umfeld des 1999 abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendums sind bis heute nicht abschließend aufgearbeitet. Hatte die frühere Befreiungsbewegung FRETILIN unmittelbar nach Staatsgründung 2002 noch die Politik klar dominiert, diversifizierte sich die Parteienlandschaft später deutlich. Die meisten Gruppen und Politiker haben aber in der Front ihre Wurzeln, auch Premier Gusmao und Präsident Taur Matan Ruak.

Die junge Nation hat in den zehn Jahren ihrer Eigenständigkeit schon einige Turbulenzen erlebt. Vor allem 2006, als ein Teil der Armee meuterte. Die UN-Mission, die noch immer mit etwa 3000 Polizisten, Soldaten und zivilen Beobachtern im Land ist, könnte zum Ende des Jahres jedoch abziehen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 10. Juli 2012


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