Sturmlauf gegen Regierungspläne in Osttimor
Dili überlegt den Kauf von Geländewagen für die Abgeordneten, während der Reispreis explodiert
Von Carsten Hübner *
Die Pläne der Regierung in Osttimor, den 65 Abgeordneten im Land Geländewagen zu kaufen,
sorgen nach wie vor für wütende Proteste von Studenten im ärmsten Land Südostasiens.
Die Sicherheitskräfte in Osttimor sind nicht zimperlich. Mehr als fünfzig Menschen sind bei
Studentenprotesten in der osttimoresischen Hauptstadt Dili seit vergangener Woche verhaftet
worden. Die Polizei ging wiederholt mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstranten
vor. »Amnesty international« forderte die Sicherheitskräfte inzwischen auf, die Bürgerrechte zu
respektieren und das »Recht auf freie Meinungsäußerung nicht weiter einzuschränken«.
Anlass der Unruhen, die sich in den letzten Tagen auch auf andere Städte des Landes ausgeweitet
haben, sind Pläne des Parlaments, die Abgeordneten auf Staatskosten mit japanischen
Geländewagen der Marke »Toyota Land Cruiser« auszustatten. Sie sollen rund 45 000 US-Dollar
pro Stück kosten.
»Erwarten die Abgeordneten wirklich, dass die Studenten ruhig bleiben, wenn sie sich Luxusautos
kaufen, statt das Geld aus den Öleinnahmen für die Interessen der Menschen einzusetzen?«, so
Agusto Pinto, einer der Organisatoren der Proteste. Auch Konsultationen zwischen
Parlamentspräsident Fernando »Lasama« de Araujo und dem osttimoresischen Studentenverband
ASULT trugen bisher nicht zu einer Entspannung der Situation bei.
Keine Klarheit gibt es bis heute allerdings über den Umfang des Beschaffungsvorhabens. Während
die Regierung beteuert, es gehe lediglich um den Kauf von 26 Fahrzeugen, sind sich die Studenten
sicher, jeder der 65 Parlamentarier solle mit einem eigenen Wagen ausgestattet werden. Osttimor ist
eines der ärmsten Länder der Welt. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt unter 50 USDollar,
rund 42 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung sind ohne Job. Gleichzeitig stieg der Preis
für das Grundnahrungsmittel Reis in den letzten Monaten rapide an.
Osttimors Oppositionspartei Fretilin hat sich derweil mit den Protestierern solidarisiert und wirft der
Koalition unter Ministerpräsident Xanana Gusmão Selbstbedienungsmentalität vor. Dabei kritisiert
sie nicht nur den Kauf der Geländewagen, sondern verweist auch auf die Vergabe eines
Generalauftrages zum Import von Reis für das staatliche Ernährungssicherungsprogramm in Höhe
von 14,4 Millionen US-Dollar an die »Tres Amigos Company«, die Germano da Silva gehört, dem
Vizepräsidenten von Gusmãos Partei CNRT.
Dass der im Mai geschlossene Vertrag vorsah, die vereinbarten 8000 Tonnen Reis für einen
Gesamtpreis von nur rund 4 Millionen US-Dollar anzukaufen, hat auch bei internationalen Gebern
wie dem Welternährungsprogramm der UNO für Verstimmung gesorgt. »Die Preiserhöhung ergibt
sich aus Vertragsänderungen bei der Qualität und den daraus resultierenden Stückkosten«, hieß es
daraufhin in einer beschwichtigenden Erklärung aus dem Finanzministerium.
Beobachter befürchten, dass Ministerpräsident Gusmão durch solche Vorfälle den moralischen
Kredit verspielen könnte, den er in weiten Teilen der Bevölkerung bisher genießt und der in der
Vergangenheit immer wieder ein entscheidender Faktor zur Beilegung aufflammender Konflikte war.
Erschwerend komme hinzu, dass auch sein engster Weggefährte und heutige Präsident Osttimors,
José Ramos-Horta, wiederholt öffentlich mit dem Gedanken gespielt hat, dem Land den Rücken zu
kehren. Erst brachte sich der Friedensnobelpreisträger selbst als Kandidat um den Posten des UNGeneralsekretärs
ins Spiel, dann liebäugelte er mit dem Amt des UN-Hochkommissars für
Menschenrechte. Für einen gerade gewählten Präsidenten sicher ein weltweit einmaliger Vorgang,
der nicht gerade für Vertrauen in der Bevölkerung gesorgt haben dürfte.
* Aus: Neues Deutschland, 17. Juli 2008
Zurück zur Osttimor-Seite
Zurück zur Homepage