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Regierungspartei gerät unter Druck

Der neue Präsident Osttimors heißt Ramos-Horta. Parlamentswahlen am 30. Juni

Von Carsten Hübner *

Der Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta ist nach dem am Freitag (11. Mai) verkündeten vorläufigen Endergebnis mit 69 Prozent der abgegebenen Stimmen zum neuen Präsidenten von Osttimor gewählt worden.

Sein Konkurrent Francisco Guterres von der Regierungspartei FRETILIN erhielt lediglich 31 Prozent. Ramos-Horta ist es damit gelungen, einen Großteil des Oppositionslagers hinter sich zu vereinen. Nach dem ersten Urnengang Anfang April hatten sich fünf der sechs ausgeschiedenen Mitbewerber für ihn ausgesprochen.

Der neue Präsident löst seinen langjährigen Weggefährten Xanana Gusmao ab, der nicht wieder für das eher repräsentative Amt des Staatschefs kandidieren wollte. Der ehemalige Guerillaführer strebt statt dessen nach dem weitaus einflußreicheren Posten des Premierministers. Dafür hat er in den vergangenen Monaten mit der CNRT nicht nur eine eigene Partei gegründet, sondern bereits mit mehreren Oppositionsparteien über eine mögliche Koalition nach den Parlamentswahlen am 30. Juni verhandelt. Derzeit verfügt die FRETILIN über die absolute Mehrheit im Parlament. Ihr deutlich schwächeres Abschneiden bei den Präsidentschaftswahlen markiert jedoch einen dramatischen Stimmungsumschwung in weiten Teilen der Bevölkerung. Vor allem in den westlichen Landesteilen laufen ihr die Anhänger scharenweise davon. Die Opposition wirft ihr Korruption, Mißwirtschaft und die Einschüchterung politischer Gegner vor. Der allgemeine Frust ist aufgrund der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und grassierender Armut groß.

Ramos-Horta wolle ein »Präsident der Armen« sein, hatte er verkündet und die Einführung einer Art Sozialhilfe für die Ärmsten der Armen gefordert. Aus dem inzwischen auf rund 1,2 Milliarden US-Dollar angewachsenen Topf der Staatseinnahmen aus der Öl- und Gasförderung will er rund 100000 Menschen, vor allem Alten, Behinderten, Kriegswitwen und Veteranen des Unabhängigkeitskrieges, eine monatliche Zuwendung von 40 US-Dollar zukommen lassen. Das kam ebenso an wie das Versprechen, die Steuer für Monatseinkommen unter 1000 US-Dollar ganz zu streichen.

Darüber hinaus intensivierte er seinen Schmusekurs mit der katholischen Kirche, die in dem mehrheitlich streng katholischen Land über erheblichen Einfluß verfügt. Zehn Millionen US-Dollar soll sie künftig aus dem Staatssäckel erhalten, um sich verstärkt in den Bereichen Ausbildung, Jugendarbeit, Gesundheit und Armutsbekämpfung engagieren zu können.

Als sicher kann gelten, daß die weiterhin mitgliederstarke und gut organisierte FRETILIN nicht tatenlos zusehen wird, wie sie nach der Präsidentschaftswahl auch noch die Parlamentswahl verliert. Schon jetzt gibt es Befürchtungen, die seit einem Jahr anhaltenden Unruhen könnten nur ein Vorgeschmack auf das sein, was dem Land nach einem Sieg der Opposition blühen könnte. Hartnäckig halten sich Gerüchte, in den Hochburgen der FRETILIN im Osten des Landes seien Zivilisten bewaffnet worden. Gleichzeitig ist der wegen Schwerstkriminalität gesuchte prowestliche Meuterer Alfredo Reinado weiterhin auf freiem Fuß. Seine ebenfalls bewaffnete Anhängerschaft soll inzwischen auf bis zu einhundert Mann angewachsen sein. Daß es ausgerechnet José Ramos-Horta war, der die internationalen Sicherheitskräfte darum bat, von einer Verfolgung Reinados zumindest während der Parlamentswahl abzusehen, hat sicher nicht zu einer Verbesserung des Klimas beigetragen.

* Aus: junge Welt, 12. Mai 2007


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