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Drei Aspiranten für Runde zwei

Präsidentenwahlen in Osttimor. 13 Kandidaten gehen ins Rennen, aber zehn sind chancenlos

Von Thomas Berger *

Wenn am heutigen Sonnabend die Einwohner der früheren portugiesischen Kolonie Osttimor zur Wahl eines neuen Staatsoberhauptes aufgerufen sind, stehen 13 Namen auf den Stimmzetteln. Bunt wie nie zuvor ist die Liste der Bewerber für das höchste Amt im jüngsten, seit 2002 unabhängigen Staat Südostasiens, der zugleich Armenhaus der Region ist.

Amtsinhaber Jose Ramos-Horta kann nicht wie bei der vorigen Wahl 2007 auf die Unterstützung des CNRT (Nationalkongreß für den Wiederaufbau Osttimors), einer Abspaltung der zur Partei umgewandelten Freiheitsbewegung FRETILIN, zählen. Diese Nähe zur Partei des Premierministers Xanana Gusmao hatte ihm seinerzeit im zweiten Wahlgang 69 Prozent der Stimmen und den Sieg über seinen Konkurrenten Francisco »Lu-Olo« Guterres eingebracht. Der unterlegene Kandidat der Rest-FRETILIN geht jetzt erneut ins Rennen und ist einer der beiden wichtigsten Herausforderer des bisherigen Präsidenten. Beim anderen handelt es sich um Generalmajor Taur Matan Ruak, vormals Chef der timoresischen Streitkräfte.

Mag der Amtsinhaber auch noch immer eine gewisse Favoritenrolle haben, zierte sich der Friedensnobelpreisträger doch lange, bis er seinen Hut für eine weitere Amtszeit offiziell in den Ring warf. Erst Ende Januar, nachdem ihn 100000 Einwohner beinahe ein Zehntel der Gesamtbevölkerung, ihn mit einer entsprechenden Petition gedrängt hatten, gab er seine erneute Kandidatur bekannt. Nun muß er sich gegen zwölf Mitbewerber behaupten, von denen aber nur die beiden genannten Aussicht auf die sehr wahrscheinliche zweite Wahlrunde haben. Eher chancenlos dabei auch Angelita Pires, mit der sozusagen in persona an ein Attentat vom Februar 2008 erinnert wird. Sie war die Geliebte des Rebellenkommandeurs Alfredo Reinado, der bei einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften umkam, nachdem er und seine Männer Präsident und Premier angegriffen hatten. Gusmao blieb unverletzt, Ramos-Horta mußte sich unter anderem mit Verletzungen an Lunge und Magen behandeln lassen.

Die Rebellenbewegung geht zurück auf das Jahr 2006, als 600 Armeeangehörige entlassen worden waren und meuterten. Erst einer Eingreiftruppe unter australischer Führung, die mit verminderter Zahl noch immer im Lande ist, gelang es, die schweren Unruhen zu beenden. Sie resultierten einerseits aus persönlichen Zerwürfnissen, andererseits aus der weitverbreiteten Armut und diversen Fehlentwicklungen. Osttimor sitzt vor seiner Küste zwar auf reichen Öl- und Gasvorkommen, kann diese aber allein nicht ausbeuten. Mit dem übermächtigen Nachbarn Australien gibt es ein Rahmenabkommen, doch existieren ungeklärte Ansprüche, und auch China als zweiter Gigant mischt im großen Rohstoffpoker mit, hat ebenso wie die Australier schon beachtliche Hilfssummen in das junge Staatswesen gepumpt. Davon kommt bei der einfachen Bevölkerung allerdings nur sehr wenig an. Der ganze Haushalt fußt in den wesentlichen Punkten auf ausländischer Hilfe, ohne daß die Entwicklungsdefizite deutlich abgebaut werden konnten. Gerade die Jugend sieht kaum Perspektiven. Daneben drückt die unaufgearbeitete Vergangenheit: 100000 Todesopfer hat die indonesische Besatzung 1975 bis 1999 gefordert. Doch zu den meisten Massakern sind bisher nicht einmal Anklagen erhoben worden. Präsident und Premier steuern gegenüber Indonesien einen Versöhnungskurs, dem nicht alle politischen Kräfte im Land folgen wollen.

* Aus: junge Welt, 17. März 2012


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