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In der Krise

Pakistanisches Gericht kassiert Amnestiegesetz für korrupte Politiker. Zardari-Regierung gerät zunehmend unter Druck

Von Rainer Rupp *

Das höchste Gericht Pakistans hat ein unter erheblichem US-amerikanischen Druck entstandenes Amnestiegesetz für wegen Korruption verurteilte Politiker als verfassungswidrig kassiert. Dadurch wird die Regierung des wegen seiner US-Hörigkeit ohnehin bereits höchst unbeliebten pakistanischen Präsident Asif Ali Zardari in den nächsten Tagen und Wochen noch mehr Druck unter geraten. Bereits am Freitag morgen sah sich Pakistans Regierung genötigt, Gerüchte zu dementieren, es hätte einen Putsch gegeben. Allerdings haben die Gerichte des Landes bereits damit begonnen, Hunderte von Korruptionsfällen neu aufzurollen. Zugleich sind 248 Leute mit meist hochrangigen Positionen in der Regierung auf eine Liste für Ausreiseverbote gesetzt worden.

Mit dem »Gesetz zur Nationalen Aussöhnung« war Zardari und etlichen seiner wichtigsten Verbündeten, einschließlich Verteidigungsminister Ahmad Mukhtar und Innenminister Rehman Malik für ihre verschiedenen Straftaten, die sie in früheren Regierungsfunktionen begangen hatten, vor zwei Jahren Amnestie gewährt worden. So hatte Zardari, der Ehemann der vor zwei Jahren ermordeten, ehemaligen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, der während ihrer Amtszeit ebenfalls Minister war, sich den Spitznamen »Mr. zehn Prozent« verdient. Um der Verurteilung wegen Korruption zu entgehen, war er nach Saudi-Arabien geflohen. Erst nach dem Amnestiegesetz war er mit Hilfe Washingtons nach Pakistan zurückgekehrt, und zwar an die Spitze des Staates.

In seiner Position als Staatspräsident bleibt Zardaris Immunität zwar erhalten, aber seine wichtigsten Stützen im Regierungsapparat sind nun bedroht. Zudem ist zu erwarten, daß die Opposition jetzt verstärkt darauf pocht, daß die Wahlen, die Zardari an die Macht gebracht haben, ungültig sind. Da das Immunitätsgesetz verfassungswidrig war, hätte er gar nicht erst zur Wahl zugelassen werden dürfen, so das Argument. Zugleich droht Zardaris Regierungskoalition endgültig zu zerbröseln.

Derweil sind in Nordwasiristan bei Drohnenangriffen gegen angebliche Taliban wieder über ein Duzend Menschen getötete worden, was die Zahl der US-Drohnenopfer in Pakistan in diesem Jahr auf über 400 erhöht. Jeder diese US-Angriffe verletzt die pakistanische Souveränität, was in großen Teilen der Bevölkerung und des Militärs heftige Empörung hervorruft. Daher sieht sich die Regierung genötigt, in gewisser Regelmäßigkeit gegen die Angriffe zu protestieren, obwohl jeder weiß, daß die Drohnen mit dem Einverständnis Zardaris insgeheim von einer US-kontrollierten Luftwaffenbasis in Pakistan aus starten.

Washington plant, die Drohnenangriffe weiter auszubauen und nicht mehr nur »Taliban«-Ziele in unwegsamen Bergdörfern, sondern auch mitten in Quetta, der zweitgrößten Stadt Pakistans, anzugreifen. Das hat bereits heftige Proteste im pakistanischen Militär ausgelöst. Mit dem Zerfall der Marionettenregierung dürfte es Washington zunehmend schwerer fallen, die Pakistanis davon zu überzeugen, zur Unterstützung des endlosen und gegen die pakistanischen Interessen gerichteten US-Krieges in Afghanistan Bürgerkrieg im eigenen Land zu führen.

* Aus: junge Welt, 19. Dezember 2009


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