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Islamabads Protest wirkungslos

US-Militär setzt Überfälle auf pakistanisches Gebiet unbeeindruckt fort

Von Hilmar König, Delhi *

Das US-Militär setzt seine Überfälle von afghanischem auf pakistanisches Gebiet unvermindert fort. Erst am Freitag wurden bei einem Raketenangriff bei Kamsham in der Region Nordwasiristan 13 Menschen, angeblich pakistanische und ausländische Taliban, getötet.

Pakistans Informationsministerin Sherry Rehman forderte von Washington, diese Attacken auf pakistanisches Gebiet einzustellen. Sie verletzten die Souveränität Pakistans und würden den globalen Bemühungen, den Terrorismus zu bekämpfen, schaden. Kurz zuvor hatte Generalmajor a. D. Mahmud Ali Durrani, der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Asif Ali Zardari, und Premier Jusuf Raza Gilani, in einem Interview für das US-Magazin »Newsweek« diese Strategie Washingtons als »kontraproduktiv« im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. Sie sei unpopulär unter der Bevölkerung Pakistans. Sie stärke den Antiamerikanismus und die Sympathie für die militanten Taliban und Al Qaida. Und sie führe dazu, dass einheimische Stammesmilizen mit Taliban / Al Qaida kollaborierten.

Durrani forderte die USA auf, die militärische Hilfe für Islamabad zu intensivieren, damit die Streitkräfte Unruheherde in der Grenzregion zu Afghanistan beseitigen können. Seit August läuft beispielsweise in der semiautonomen nordwestlichen Region Bajaur eine pakistanische Militäroperation, bei der allein im Oktober 1500 Rebellen und 73 Soldaten getötet wurden. Am Freitag hatte sich dort im Dorf Batmalai ein Selbstmordattentäter unter ein Meeting von Stammesältesten geschlichen, deren Milizen mit der Armee kooperieren. Dem Sprengstoffanschlag des Mannes fielen 22 Menschen zum Opfer.

Seit August verstärken aber auch die US-Truppen ihre Überfälle auf pakistanisches Gebiet, wo sie Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer vermuten. Bei den inzwischen fast 20 Raketenangriffen kamen jedoch immer wieder auch zahlreiche Zivilisten ums Leben. Anfang September drang sogar ein US-Kommando auf pakistanisches Territorium vor und tötete 15 Menschen, darunter die Hälfte Frauen und Kinder. Islamabads Proteste zeigten bislang keine Wirkung. Die Attacke vom Freitag war die erste, nachdem US-General David Petraeus am 31. Oktober das Zentralkommando für die Kriege in Irak und Afghanistan übernommen hatte. Kurz darauf war er zu Beratungen mit Militärs und Politikern in die pakistanische Hauptstadt gekommen. Doch alle Erläuterungen und Hintergrundinformationen seitens Pakistans haben offensichtlich nicht zu einer Änderung der Strategie des Pentagons geführt. General Petraeus zeigte sich wohl auch nicht von der jüngsten Resolution des pakistanischen Parlaments beeindruckt. Darin heißt es, dass »Extremismus, Militanz und Terrorismus in all ihren Formen und Manifestationen eine große Gefahr für die Stabilität und Integrität des Nationalstaates darstellen«. Deshalb setze die Regierung in erster Linie auf Dialog mit den Gegnern. Wer dazu nicht bereit sei, bekäme die Schlagkraft des pakistanischen Militärs zu spüren.

Washington glaubt nach wie vor, Islamabad tue nicht genug im Kampf gegen den Terrorismus, und bevorzugt es, auf eigene Faust ohne Abstimmung mit dem pakistanischen »Schlüsselverbündeten« zu handeln. Außer wirkungslosen Protesten bleibt den pakistanischen Führern nichts zu tun, da das Land am Rand des ökonomischen Zusammenbruchs steht und auf US-Hilfe angewiesen ist.

* Aus: Neues Deutschland, 11. November 2008


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