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Yes he can

Killing as usual: Der 44. Präsident der USA setzt die Kriegführung seines Vorgängers fort

Von Knut Mellenthin *

Erstmals seit dem Amtsantritt von Barack Obama griffen am Freitag (23. Jan.) unbemannte US-amerikanische Kampfflugzeuge, sogenannte Drohnen, wieder Ziele in Nordwestpakistan an. Der erste Luftschlag richtete sich gegen ein Gebäude am Rand von Mir Ali in Nordwasiristan, der zweite zerstörte wenige Stunden später ein Haus bei Wana, dem Hauptort von Südwasiristan. Bisher wurden insgesamt 21 Tote gezählt. Unter den Todesopfern in Mir Ali sollen sich vier oder fünf »Araber« und vier Pakistaner aus einer anderen Region des Landes befunden haben. Das Haus bei Wana gehörte laut pakistanischen Medien und örtlichen Offiziellen einem regierungsfreundlichen Stammesältesten, der zusammen mit mehreren Familienangehörigen, darunter seine drei Söhne und ein fünfjähriges Enkelkind, ums Leben kam.

Die US-Regierung hat ihre illegalen Angriffe gegen Nordwestpakistan stark gesteigert, seit im vorigen Jahr eine demokratische Regierung gewählt wurde und Militärdiktator Pervez Musharraf Mitte August seinen Rücktritt erklärte. Seither gab es rund 40 Drohnenangriffe, oft gegen mehrere Ziele gleichzeitig. Mindestens 150 Menschen, überwiegend Einheimische, darunter auch viele Kinder, wurden dabei getötet.

Barack Obama hatte schon im Wahlkampf angekündigt, daß er als Präsident diese Angriffe fortsetzen werde. Die pakistanische Regierung und die demokratischen Parteien des Landes hatten trotzdem darauf gehofft, daß der neue Mann im Weißen Haus diese von ihnen immer wieder entschieden abgelehnten Verletz­un­gen der pakistanischen Souveränität überprüfen und ändern werde.

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari, der Witwer der im Dezember 2007 bei einem Anschlag getöteten Benazir Bhutto, appellierte am Wochenende an Obama, die »kontraproduktiven« Raketenangriffe auf die sogenannten Stammesgebiete zu beenden. Im selben Sinn äußerten sich auch das pakistanische Außenministerium und führende Militärs in Islamabad.

Obama will den Schwerpunkt des US-amerikanischen »Kriegs gegen den Terror« noch eindeutiger als sein Vorgänger nach Afghanistan und Pakistan verschieben, die jetzt schon »ein einheitlicher Kriegsschauplatz« seien. Noch in der Amtszeit von Bush wurden Vorbereitungen getroffen, um bis zum Frühjahr 20000 bis 30000 zusätzliche Soldaten nach Afghan­istan zu verlegen. Das bedeutet annähernd eine Verdoppelung der dort stationierten amerikanischen Streitkräfte. Außerdem soll der Druck auf die anderen NATO-Staaten erhöht werden, ebenfalls ihre Kontingente aufzustocken. Die Verstärkungen sollen insbesondere dazu dienen, die weitgehend an die Aufständischen verlorene Umgebung der Hauptstadt Kabul wieder unter Kontrolle zu bringen. In diesem Zusammenhang wird mit verschärften Angriffen gegen die Bevölkerung und zunehmenden »Kollateralschäden« gerechnet.

Die Kontinuität von George W. Bush zu Barack Obama wurde auch durch eine US-amerikanische Militäroperation im Bezirk Mehtar Lam in der ostafghanischen Provinz Laghman, nur 60 Kilometer von Kabul entfernt, deutlich. Während das US-Militär am Wochenende behauptete, dort am Freitag 15 »Taliban-Kämpfer« getötet zu haben, handelt es sich nach Angaben der örtlichen Bevölkerung bei den Opfern ausschließlich um Zivilisten, darunter Frauen und Kinder. Der von Washington gestützte afghanische Präsident Hamid Karsai protestierte am Sonntag und erklärte, derartige Vorfälle stärkten nur die »Terroristen«.

* Aus: junge Welt, 26. Januar 2009


Yes, we can - auch anders

Von René Heilig **

Bilanz: 17 Tote. Das ist ein »gutes Ergebnis«, denn im »Schnitt« erwischen die US-Sensenmänner zehn Menschen weniger, wenn sie ihre raketenbestückten Flugroboter über die afghanische Grenze nach Pakistan schicken, um Terroristennester anzugreifen. Im vergangenen Jahr gab es 30 solche Attacken. Nun fand die erste unter einem neuen Oberbefehlshaber statt. Der heißt Barack Obama und ändert - so der aktuelle Anschein - im Turbotempo, was sein Vorgänger Bush dem amerikanischen Volk und der restlichen Welt eingebrockt hat. Yes, we can!

Doch nicht alles, was unter Bush Usus war, wird von Obama infrage gestellt. In Afghanistan beispielsweise will der neue Präsident mit mehr Truppen (nicht nur eigenen!) noch nachhaltiger »Fortschritte bei der Demokratisierung« des Landes erreichen. Und da muss dann eben auch Pakistan - wie bislang schon - seinen Blutzoll entrichten.

Bislang hat Obama gezeigt, dass er ebenso lernfähig wie lernwillig ist. Er sollte also ernst nehmen, wenn Pakistans Präsident der US-Botschafterin sagt, dass derartige Angriffe kontraproduktiv für den Kampf gegen Terrorismus sind. Schließlich geht es in der höchst fragilen Region um mehr als nur darum, korrupte afghanische Warlords in Kabuler Regierungssesseln zu halten.

** Aus: Neues Deutschland, 26. Januar 2009 (Kommentar)







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