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Washington provoziert

Zweiter Drohnenangriff seit pakistanischen Parlamentswahlen

Von Knut Mellenthin *

Die USA setzen ihren Drohnenkrieg gegen Pakistan unverändert fort und fordern damit die neue Regierung in Islamabad gleich zu Beginn ihrer Amtszeit heraus. Der Chef der konservativen Muslimliga (PMLN), Nawaz Sharif, der am Mittwoch als Premierminister vereidigt wurde, hatte in der Vergangenheit als Oppositionsführer immer wieder versprochen, daß er die vom US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA gesteuerten illegalen Angriffe stoppen werde. Am späten Freitag gab es die erste Drohnenattacke seiner Amtszeit. Dabei wurden nach Angaben anonymer örtlicher Regierungsbeamter mindestens neun Menschen getötet. Orts des Geschehens war ein abgelegenes Dort im Shawal-Tal, das rund 100 Kilometer von Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan, liegt. Über 90 Prozent aller CIA-Drohnenangriffe in Pakistan finden in Nordoder Südwasiristan statt, die beide in den sogenannten Stammesgebieten nahe der Grenze zu Afghanistan liegen. Nach örtlichen Angaben waren die Getöteten Angehörige des paschtunischen Bakka- Khel-Stammes.

Der Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Islamabad, Richard Hoagland, wurde am Sonnabend zum Empfang einer Protestnote ins Außenministerium bestellt. Dem Diplomaten sei mitgeteilt worden, »daß die pakistanische Regierung die Drohnenangriffe, die eine Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Pakistans darstellen, scharf verurteilt«, heißt es auf der Website des Ministeriums. Hoagland sei darauf hingewiesen worden, »daß Drohnenschläge kontraproduktiv sind, das Leben von Zivilpersonen gefährden und menschenrechtliche und humanitäre Implikationen haben«. Sie würden sich außerdem negativ auf das Streben beider Länder nach Herstellung »eines herzlichen und kooperativen Verhältnisses« und der »Sicherung von Frieden und Stabilität in der Region« auswirken.

US-Präsident Barack Obama hatte am 23. Mai in einer Rede die weltweiten Drohneneinsätze seiner Regierung grundsätzlich gerechtfertigt, zugleich aber neue Regeln für diese Operationen versprochen. Die Praxis zeigt jedoch, daß offenbar keine wirklichen Veränderungen beabsichtigt sind. Dazu gehört auch das Fehlen von Transparenz über Gründe und Folgen der Angriffe und die Rücksichtslosigkeit gegenüber den Äußerungen und Interessen der Regierung eines verbündeten Landes. Die Angriffe waren zwar in den letzten Wochen vor der pakistanischen Parlamentswahl, die am 11. Mai stattfand, unterbrochen worden, wurden aber kurz darauf wieder aufgenommen. Bei der ersten Drohnenattacke nach der Wahl wurden am 29. Mai nach Angaben der bedeutendsten pakistanischen Talibanorganisation, der TTP, sieben Aufständische getötet, darunter der zweite Mann in ihrer Hierarchie, Wali-ur Rehman. Nach Einschätzung pakistanischer Medien stand er im Gegensatz zu TTP-Chef Hakimullah Mehsud Waffenstillstandsverhandlungen mit der Regierung aufgeschlossen, gegenüber. Nach seinem Tod brach die TTP die Gespräche vorläufig ab.

Aus der Wahl am 11. Mai war die PMLN als stärkste Partei hervorgegangen. Aufgrund des reinen Direktwahlsystems verfügt sie nun über eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Der 63jährige Sharif, ein reicher Stahlunternehmer, war schon in den 1990er Jahren zweimal für kurze Zeit Premierminister. Beide Male wurde er von der in Pakistan sehr einflußreichen Führung der Streitkräfte gestürzt. In seiner Regierungserklärung am Mittwoch hatte Sharif die Gemeinsamkeit der Interessen mit den USA betont, zugleich aber auch gefordert: »Diese Drohnenschläge, die täglich herabregnen, müssen aufhören.«

* Aus: junge Welt, Montag, 10. Juni 2013


Pakistan: Neun Tote bei Drohnenangriff

Wieder ISAF-Soldaten nach »Insider«-Attacke in Afghanistan getötet **

Islamabad/Kabul (dpa/nd). Bei einem mutmaßlichen US-Drohnenangriff im Nordwesten Pakistans sind mindestens neun Menschen getötet worden. Sechs Raketen seien in der Nacht zum Sonnabend von dem unbemannten Fluggerät auf das Anwesen eines Talibanführers in Nord-Waziristan, einem Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan, abgefeuert worden, hieß es aus Sicherheitskreisen. Die Regierung in Islamabad verurteilte den Angriff scharf und bestellte den US-Gesandten ein. Es war der erste Drohnenangriff seit der Amtseinführung von Premierminister Nawaz Sharif am vergangenen Mittwoch. In seiner ersten Rede hatte der Regierungschef ein Ende des »Kapitels der Drohnenangriffe« angemahnt. Der neue Angriff stelle eine »Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Pakistans« dar, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Islamabad.

Bei zwei Angriffen auf Angehörige der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF sind am Sonnabend mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Wie die NATO-geführte Truppe mitteilte, handelte es sich in einem Fall um einen sogenannten Insider-Angriff. Dabei habe im Osten des Landes ein Mann in afghanischer Uniform zwei US-Soldaten und einen zivilen US-Mitarbeiter getötet. In der westlichen Provinz Farah kam ein italienischer Offizier bei einem Anschlag ums Leben.

Bei einem Besuch im Feldlager der Bundeswehr in Masar-i-Scharif gedachte Außenminister Guido Westerwelle am Sonntag der in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten. Bei Treffen in Kabul und Islamabad hatte er am Wochenende über die Lage in der Krisenregion beraten. In Afghanistans Hauptstadt zeigte sich Westerwelle besorgt über die Lage, kritisierte die Korruption und mahnte demokratische Reformen an. Im Nachbarland Pakistan würdigte er den demokratischen Machtwechsel und bot eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit an.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. Juni 2013


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