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Drohnen - die "Geheimwaffe" der USA

Ein Beitrag von Albrecht Ziegler aus der NDR-Reihe "Streitkräfte und Strategien" *

Dr. Ulrike Bosse (Moderation):

Am Donnerstagmittag (7. Okt.) trat Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg vor das Plenum des Bundestags:

O-Ton zu Guttenberg
„Wir haben offenbar bei einem Selbstmordanschlag auf eine ISAF-Patrouille unserer Soldaten nördlich von Puli Khumri einen gefallenen Soldaten und nach derzeitigem Stand sechs verwundete Soldaten zu beklagen.“

Ein Oberfeldwebel aus Niedersachsen ist der 44. deutsche Soldat, der in Afghanistan gefallen ist. Vier Tage zuvor hatte der pakistanische Geheimdienst die Nachricht verbreitet, dass eine Gruppe deutscher Islamisten beim Angriff einer US-Drohne im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ums Leben gekommen sei. Deutsche Staatsbürger auf beiden Seiten der Front, die durch die Terrorangriffe auf die USA am 11. September 2001 eröffnet wurde. Keinen Monat danach, am 7. Oktober 2001, begann der Krieg gegen die Taliban in Afghanistan, die dem Terrornetzwerk Al Qaida Unterschlupf gewährt hatten.

Neun Jahre später wissen alle, dass der Kampf militärisch nicht entschieden werden kann. Am neunten Jahrestag des Angriffs auf Afghanistan – an diesem Donnerstag, an dem ein Bundeswehrsoldat im Norden und ein weiterer ISAF-Soldat im Süden Afghanistans Anschlägen zum Opfer fallen – beruft der afghanische Präsident Karzai einen „Friedensrat“ für Afghanistan ein, der direkte Verhandlungen mit den Taliban aufnehmen soll. Insgeheim ist die afghanische Regierung bereits im Gespräch mit Teilen der Taliban. Doch gleichzeitig eskaliert die Lage im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan:

O-Ton Obama overvoice
„Wir sind in Afghanistan, um zu verhindern, dass sich das Krebsgeschwür von einst wieder im ganzen Land ausbreitet. Aber derselbe Krebs hat in der pakistanischen Grenzregion Wurzeln geschlagen. Darum brauchen wir eine Strategie, die auf beiden Seiten der Grenze funktioniert.“

In seiner Afghanistan-Rede vor knapp einem Jahr sprach der amerikanische Präsident Obama von der Partnerschaft mit Pakistan und vom gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus. Doch ein Bericht des Weißen Hauses an den amerikanischen Kongress stellt jetzt die Bereitschaft Pakistans infrage, entschieden gegen Extremisten vorzugehen. Laut Medienberichten beklagt die US-Regierung, dass das pakistanische Militär bei seinen Aktionen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet die direkte Konfrontation mit afghanischen Taliban oder Al Qaida-Kämpfern dort vermieden habe.

Allerdings greifen die USA die Taliban im pakistanischen Grenzgebiet selbst an – meist mit Drohnen. Vereinzelt setzen US-Hubschrauber auch fliehenden Kämpfern über die afghanisch-pakistanische Grenze nach. Ende September werden bei so einem Einsatz zwei pakistanische Grenzsoldaten erschossen. Ein neuer Tiefpunkt im ohnehin prekären amerikanisch-pakistanischen Verhältnis ist erreicht. Innenminister Rehman Malik bringt den Unmut Pakistans zum Ausdruck:

O-Ton Malik overvoice
„Wir sind an der Seite der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Terror. Und wenn sie Hinweise auf den Aufenthaltsort von Terroristen haben, dann sollen sie es sagen. Aber wir werden keine weiteren Angriffe auf unser Staatsgebiet mehr akzeptieren, weder von außen noch von innen.“

Pakistan blockiert einen Grenzübergang für die Versorgungskonvois der westlichen Truppen in Afghanistan – Extremisten nutzen dies für zahlreiche Angriffe auf die wartenden LKW – die pakistanische Regierung bleibt hart – schließlich entschuldigen sich die USA und entschuldigt sich die NATO. Doch die amerikanischen Drohnenangriffe, denen neben Talibankämpfern immer wieder auch Zivilisten zum Opfer fallen, gehen weiter.

Wie die USA Drohnen einsetzen und wie diese Art der Kriegsführung in den USA selbst beurteilt wird, dazu Albrecht Ziegler aus Washington:

Manuskript Albrecht Ziegler

Die USA betreiben zwei Drohnenprogramme, ein militärisches und ein geheimdienstliches. Das ganze Projekt hat riesige Dimensionen: Die Vereinigten Staaten haben nämlich tausende ferngesteuerte Flugzeuge. Peter Singer von der Denkfabrik Brookings Institution:

O-Ton Singer overvoice
„Die USA haben etwa 7.000 unbemannte Flugzeuge in ihrem Arsenal, die hauptsächlich in Pakistan und Afghanistan operieren. Die meisten dieser 7.000 sind für die US- und NATO Mission in der Region. Die Operation in Pakistan ist dagegen ein Geheimdienst- und Anti-Terrorismus-Einsatz, dafür werden nur einige Dutzend Drohnen genutzt; jeder schaut aber darauf und das ist die Ironie.“

Es sind die CIA Operationen gegen vermutete Terrorziele in Pakistan oder auch im Jemen und in Somalia, die die Schlagzeilen bestimmen. Die Einsätze beider Programme laufen getrennt voneinander ab. Nach Peter Singers Erkenntnissen steuert der Geheimdienst CIA die Flüge seiner Drohnen vom Hauptquartier in Langley unweit der Hauptstadt Washington aus; es ist eine verdeckte Operation, viel ist deshalb nicht darüber bekannt. Viele militärische Drohnen werden dagegen von einem Luftwaffenstützpunkt im US-Bundesstaat Nevada aus gesteuert. Peter Singer:

O-Ton Singer overvoice
„Die Signale werden über Fernleitungen und auch Satellit weitergegeben, dahin wo die Operation stattfindet, an ein Flugzeug ohne Piloten. Diese Angriffs– oder Aufklärungsdrohne kann von einer Basis im Mittleren Osten starten und auch dort landen, aber sie wird von jemandem in den Vereinigten Staaten gesteuert. Sie fliegt dann zu einem Ziel, beispielsweise einem verdächtigen Camp in Pakistan, in dem man Terroristen vermutet, sie hat eine hochauflösende Kamera, Radar- und Infrarotsensoren, sie sucht sich das Ziel, feuert eine Rakete ab, normalerweise eine Hellfire, die ursprünglich eine Anti-Panzer Rakete war.“

Neben diesen unbemannten Flugzeugen für die Angriffe, die nicht nur die CIA sondern auch das Militär für den Einsatz in Afghanistan hat, gibt es auch Drohnen, die aufklären. Malou Innnocent vom Washingtoner Cato Institut:

O-Ton Innnocent overvoice
„Ich glaube sie nehmen im Irak und in Afghanistan zusammen monatlich mindestens 16 Tausend Stunden Überwachungsvideos auf. Wir sammeln also viel geheimdienstliches Material. Viele US- und Nato-Soldaten nutzen dieses Material, um zu überprüfen ob Minen an den Straßen platziert wurden. Die Drohnen haben eine wichtige Aufgabe.“

Aus dem Arsenal der Streitkräfte sind sie nicht mehr wegzudenken. Peter Singer erzählt, dass die Militärs 2003 beim Einmarsch in den Irak nur eine Handvoll Drohnen hatten und sie eigentlich auch gar nicht wollten. Die Drohnen haben die Kriegsführung seiner Ansicht nach dramatisch verändert, weil für vieles keine Soldaten mehr eingesetzt werden müssen. Peter Singer:

O-Ton Singer overvoice
„Die Art der Diskussion über kriegerische Handlungen hat sich verändert. Schauen wir die Zahlen an: Wir haben in Pakistan mehr als 150 Luftschläge mit Drohnen ausgeführt, das ist etwa viermal so viel wie vor etwas mehr als zehn Jahren in Serbien und Kosovo während des Kosovo-Krieges mit bemannten Flugzeugen. Das haben wir damals als Krieg bezeichnet. Niemand betrachtet diese Operation, die viermal grösser ist als Krieg, und das kann man auf die Technologie zurückführen. Die Politiker meinen, dass sie keine solchen schwierigen Entscheidungen mehr fällen müssen, weil sie keine Menschen in den Konflikt schicken. Die Sorge ist grundsätzlicher Art: dass wir die Schwelle für Krieg absenken.“

Diese Technologie ermögliche einige Dinge, die vielleicht besser nicht geschehen sollten, meint Peter Singer. Es geht um die Rechtmäßigkeit des Drohneneinsatzes gegen vermeintliche terroristische Ziele, ein Streitthema in den USA: Die Rechtsprofessorin Mary Ellen O’Connell von der Notre Dame Universität:

O-Ton O’Connell overvoice
„Wenn wir Drohnen in Verbindung mit legitimen militärischen Aktionen benutzen, um Raketen abzuschießen und Bomben abzuwerfen, gibt es im internationalen Recht eine gute Basis für ihren Einsatz. Wenn wir jedoch Drohnen außerhalb eines Konfliktgebiets nutzen, wie beispielsweise im Jemen, in Somalia und in einigen Teilen Pakistans, finden die Vereinigten Staaten keine gute Grundlage im internationalen Recht.“

Die Drohnen mit ihren Hellfire-Raketen dürften laut internationalem Recht nur in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden sagt die Professorin:

O-Ton O’Connell overvoice
„Wir würden beispielsweise nie der Polizei erlauben, dass sie eine Rakete einsetzt, wenn sie einen Terroristen jagt, weil sie zu viele Menschen töten würde. Es ist nicht legitim, sie für den Einsatz in Friedenszeiten bei Verbrechen zu nutzen. In den Ländern, die von massivem Terrorismus geplagt werden, sollten wir die Terroristen gemeinsam mit der dortigen Polizei oder der Militärpolizei jagen.“

Die amerikanische Regierung hält den Einsatz der Drohnen auch außerhalb des afghanischen Kriegsgebietes dagegen für rechtmäßig. Sie argumentiert, dass sie in einem bewaffneten Konflikt mit Al Qaida, den Taliban und ihren Verbündeten ist. Malou Innocent:

O-Ton Innocent overvoice
„Wenn man in einem offenen Konflikt ist, dann ist bedauerlicherweise fast alles möglich. Deshalb sind viele Dinge, die sonst strafbar wären, das in diesem Fall nicht, und vielem wird nicht nachgegangen. Das gilt ganz besonders dann, wenn das US-Oberkommando oder die CIA dahintersteht. Sie sagten, wir sind im Krieg, deshalb muss alles möglich sein, wir müssen alle Mittel zur Verfügung haben, um diese militanten Gruppen zu bekämpfen. Dann kommt aber die Frage wie viele Militante motivieren wir dadurch, wenn wir einen töten, kommen dann zehn andere nach? Die Befürworter dieser Einsätze haben also die Argumente auf ihrer Seite, sie beantworten aber diese entscheidenden Fragen nicht.“

Für die amerikanische Regierung ist der Drohneneinsatz wohl auch deshalb einfach, weil die betroffenen Regierungen sei es im Jemen, Afghanistan oder in Pakistan den Operationen in „einem gewissen Maß zustimmen“, wie es Mary Ellen O’Connell formuliert. In Somalia gäbe es wohl keine rechtmäßige Regierung die zustimmen könnte, sagt sie. Pakistanische Proteste gegen den Drohneneinsatz hält Peter Singer für ein gefährliches Spiel der Regierung in Islamabad:

O-Ton Singer overvoice
„Die pakistanische Regierung hat sich lange Zeit öffentlich und wütend über diese Angriffe beschwert: Ihr habt die pakistanische Souveränität verletzt, wie könnt Ihr es wagen – solange bis etwas sehr Interessantes herauskam. Das unbemannte Flugzeug startete von einem Stützpunkt in Pakistan, einer pakistanischen Armeebasis, die von pakistanischen Soldaten bewacht wurde. Sie waren Teil der Operation. Es gab ein Foto auf Google-Maps von einer Basis in Pakistan: Man sieht die Flugzeugumrisse. Die pakistanische Regierung hat ein doppeltes Spiel gespielt. Sie hat öffentlich gesagt, wie könnt Ihr es wagen, unter der Hand hat sie jedoch kooperiert.“

Aus: NDR Info; STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN; 9. Oktober 2010; www.ndrinfo.de


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