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Pakistans Premier in Not

Gilani wegen Missachtung des Gerichts angeklagt *

Das Verfassungsgericht in Islamabad hat am Montag (13. Feb.) offiziell Anklage gegen den pakistanischen Premierminister Yousuf Raza Gilani erhoben. Gilani wird Missachtung des Gerichts vorgeworfen. Der Regierungschef habe sich vor den sieben Richtern für nicht schuldig erklärt, sagte Gilanis Anwalt Aitzaz Ahsan. Sollte der Regierungschef verurteilt werden, könnte ihn das sein Amt kosten.

Das Verfassungsgericht wirft Gilani vor, gegen richterliche Anordnungen verstoßen zu haben. Vor mehr als zwei Jahren hatten die Richter die Regierung aufgefordert, die Behörden in der Schweiz offiziell um die Wiederaufnahme eines Geldwäscheverfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari zu bitten. Gilani verweigert das, weil der Präsident nach Ansicht der Regierung Immunität genießt.

Zardari und dessen 2007 ermordete Ehefrau, die ehemalige Regierungschefin Benazir Bhutto, waren 2003 in der Schweiz wegen Geldwäsche zu jeweils sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das anschließende Revisionsverfahren wurde eingestellt, nachdem der damalige Präsident Pervez Musharraf Zardari eine Amnestie eingeräumt hatte.

* Aus: neues deutschland, 14. Februar 2012


Angeklagter des Tages: Yousuf Raza Gilani **

Für Yousuf Raza Gilani könnte es das Ende seiner politischen Laufbahn oder zumindest einen Karrierebruch bedeuten: Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat am Montag Anklage gegen den Premierminister erhoben. Dem 59jährigen wird Mißachtung des Gerichts vorgeworfen. Falls er rechtskräftig verurteilt würde, wäre er seinen Posten los und müßte vielleicht eine sechsmonatige Gefängnisstrafe absitzen.

Aber eigentlich hält Gilani, dessen Vorfahren aus dem Irak ins frühere Britisch-Indien kamen, jetzt nur den Kopf für seinen Präsidenten und Parteifreund Asif Ali Zardari, den Witwer der im Dezember 2007 ermordeten Politikerin Benazir Bhutto, hin. Zardari trägt seit vielen Jahren wegen der ihm zugeschriebenen Angewohnheit, bei allen Geschäftsabschlüssen und Amtsvorgängen die Hand aufzuhalten, den Spitznamen »Mister zehn Prozent«. Ein Schweizer Gericht sprach ihn und seine Gattin 2003 der Geldwäsche schuldig.

Das Paar ging gegen das Urteil in Revision. Diese lief noch, als der Militärdiktator Pervez Musharraf 2007 eine umfassende Amnestie anordnete, um die von den USA vermittelte Rückkehr der früheren Ministerpräsidentin nach Pakistan zu ermöglichen. Die Schweiz ließ daraufhin die Anklage fallen. Im Jahre 2009, der General war mittlerweile zum Rücktritt gezwungen worden, erklärte der Oberste Gerichtshof Pakistans diese Amnestie für verfassungswidrig. Später forderte er die von Gilani geführte Regierung auf, sich in der Schweiz für die Wiederaufnahme des Verfahrens einzusetzen. Das lehnte der Premierminister mit der Begründung ab, daß der Präsident unter dem Schutz der Immunität stehe.

Sollte Gilani wirklich verurteilt werden, könnte er Einspruch einlegen und den Rechtsstreit etliche Monate in die Länge ziehen. Im nächsten Jahr sind ohnehin Parlamentswahlen.
(kt)

** Aus: junge Welt, 14. Februar 2012


Gilani unter Druck

Von Olaf Standke ***

Noch ist das Urteil nicht gesprochen, aber schon der Prozess gegen Pakistans Regierungschef Yusuf Raza Gilani dürfte die instabile islamische Atommacht weiter destabilisieren. Am Montag hat das Verfassungsgericht in Islamabad erst einmal offiziell Anklage gegen den pakistanischen Premierminister erhoben, weil dieser gegen richterliche Anordnungen verstoßen und die Wiederaufnahme eines Geldwäscheverfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari in der Schweiz verhindert habe. Bei dem Korruptionsskandal geht es um neun Millionen Euro Bestechungsgelder. Gilani erklärte sich jetzt mit Verweis auf die angebliche strafrechtliche Immunität des Staatschefs für nicht schuldig.

Nun könnte sich das Verfahren über Monate hinziehen, und sollte der Premier verurteilt werden, würde ihn das sein Amt kosten. Damit gerät die ohnehin angeschlagene Regierung weiter unter Druck, wird der Streit mit dem Obersten Gerichtshof doch vom Machtkampf mit dem allmächtigen Militär überschattet. Wobei der Unmut über dieses Kabinett selbst in Gilanis und Zardaris Volkspartei groß ist. Der einstige Kricketstar Imran Khan mit seiner Gerechtigkeitspartei wie Ex-Premier Nawaz Sharif von der Muslim-Liga gewinnen bei den Bürgern ständig an Popularität, die durch politische Spannungen, islamistische Anschläge, Korruption und verheerende soziale Zustände genervt sind. So drohen bereits im Herbst vorgezogene Neuwahlen. Aber das wäre wohl noch das Beste, was Pakistan passieren könnte.

*** Aus: neues deutschland, 14. Februar 2012


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