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Exdiktator kehrt heim

Der pakistanische General Musharraf hofft auf ein politisches Comeback

Von Knut Mellenthin *

Pervez Musharraf, der frühere Militärdiktator Pakistans, ist seit Sonntag wieder im Land. Wegen mehrerer Haftbefehle hatte der Viersternegeneral a.D. die letzten vier Jahre im Ausland, überwiegend in London und in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate), verbracht. Jetzt plant der 69jährige mit der von ihm 2010 gegründeten All Pakistan Muslim League (APML) ein politisches Comeback. Absprachen seiner Anwälte mit verschiedenen pakistanischen Gerichten sorgten dafür, daß Musharraf nicht sofort bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Karatschi festgenommen wurde. Dabei handelt es sich allerdings nur um zeitlich begrenzte Befreiungen von der Vollstreckung der nach wie vor laufenden Haftbefehle, also eher um eine Art freies Geleit. Es gilt zum Beispiel in einem Fall für zehn Tage, in einem anderen für zwei Wochen. Der General a.D. ist verpflichtet, in dieser Zeit zur Aussage vor den zuständigen Gerichten zu erscheinen.

Die wichtigsten Strafverfahren gegen Musharraf betreffen die Ermordung der Politikerin Benazir Bhutto bei einem Attentat im Dezember 2007, die gezielte Tötung des belutschischen Politikers und Rebellen Nawab Akbar Bugti bei einem Luftangriff im August 2006, die Verhängung des Ausnahmezustands im November 2007, und in diesem Zusammenhang die Festnahme zahlreicher Richter, die unter Hausarrest gestellt wurden.

Musharraf, der damals Generalstabs­chef der pakistanischen Streitkräfte war, hatte am 13. Oktober 1999 in einem unblutigen Putsch die Macht übernommen und Premierminister Nawaz Sharif verhaften lassen. Der jetzige Oppositionsführer entging in einem gegen ihn geführten Schauprozeß dem beabsichtigten Todesurteil nur, weil Saudi-Arabien und die USA Druck zu seinen Gunsten machten. Sharif mußte aber, ebenso wie Benazir Bhutto, ins Exil gehen, aus dem beide erst im Herbst 2007 durch Vermittlung ­Washingtons zurückkehren durften.

Die USA hatten auch maßgeblichen Anteil daran, daß am 18. Februar 2008 erstmals seit dem Putsch wieder freie, unverfälschte Wahlen stattfinden konnten. Sie führten zur Bildung einer Koalitionsregierung mit der Volkspartei (PPP) der ermordeten Bhutto als stärkster Kraft. Gemeinsam mit der oppositionellen Muslim-Liga von Sharif (PML-N) zwang die PPP durch die Androhung eines Amtsenthebungsverfahrens Musharraf schließlich im August 2008 zum Rücktritt vom Präsidentenamt. Er hatte sich 2001 selbst zum Präsidenten gemacht, aber gleichzeitig widerrechtlich seine militärischen Funktionen behalten. Die Administration des damaligen US-Präsident George W. Bush spielte zwar eine wichtige Rolle bei der »Rückkehr Pakistans zur Demokratie«, hätte aber zugleich Musharraf gern als starkes Staatsoberhaupt im Amt gehalten.

Ob der ehemalige Militärdiktator künftig als freier Mann in Pakistan leben kann oder demnächst erneut vor den Haftbefehlen ins Exil flüchten muß, haben die Gerichte zu entscheiden. Der Ausgang der Sache ist völlig ungewiß. Relevante Chancen bei den Parlamentswahlen am 11. Mai werden seiner APML in keinem Fall vorausgesagt. Nur etwa 1500 Menschen hatten sich am Sonntag am Flughafen von Karatschi versammelt, um Muscharrafs Rückkehr zu feiern.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. März 2013


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