Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Pilger als "Friedensbote"

Pakistans Premier Raja Pervez Ashraf weilte zu einem privaten Besuch in Indien

Von Hilmar König *

Er kam, sah – und betete. Der pakistanische Premierminister Raja Pervez Ashraf war am Samstag zu einem religiös motivierten Privatbesuch im benachbarten Indien. Der 62jährige Politiker kam als Pilger zu einem berühmten muslimischen Schrein im Bundesstaat Rajasthan. Die Stippvisite verlief ohne Zwischenfälle. Sie kam zu einem Zeitpunkt, da es im Verhältnis der beiden nuklear bewaffneten Staaten zueinander wieder vernehmlich knirscht. Ein ernster Grenzzwischenfall im Januar an der Demarkationslinie zwischen dem pakistanischen und dem indischen Teil Kaschmirs führte zu einem Rückschlag im ohnehin nur schleppend verlaufenden Friedens- und Aussöhnungsprozeß der beiden »Erzfeinde«.

Vor dem Parlament hatte der indische Premier Manmohan Singh am Vorabend des Besuchs erklärt, die Normalisierung der Beziehungen zu Pakistan könne nur voranschreiten, wenn dort die immer noch intakte »Terrormaschine« demontiert werde. General Bikram Singh, der indische Armeechef, lehnte vor Journalisten eine Stellungnahme zu Ashrafs Besuch ab. Das sei eine »politische Entscheidung«, die er als Militär nicht zu kommentieren habe. Zugleich warnte er, wenn pakistanische Truppen die Waffenstillstandslinie verletzten, schieße man natürlich zurück. »Unsere Soldaten sitzen nicht müßig herum«, unterstrich er.

Deutlichen Protest gegen die »politische Entscheidung« gab es hingegen in Kreisen der Opposition. Führer der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) monierten, die Visite wäre nicht vereinbar mit den »Gefühlen in der indischen Bevölkerung«. Die Nachrichtenagentur ANI zitierte den BJP-Abgeordneten Kirti Azad. Dieser äußerte, der Besuch offenbare »die Feigheit des indischen Staates«, der es nicht wage, hart gegen den Nachbarn vorzugehen. Bestätigt sahen sich die Kritiker in ihrer Auffassung durch den Boykott der Gästedelegation seitens des Chefgeistlichen der religiösen Stätte, die Premier Ashraf im rajasthanischen Ajmer besuchte. Der »Hüter« des berühmten aus dem 12. Jahrhundert stammenden Dargah-Schreins nahm wegen der Todesfälle an der Kaschmir-Grenze nicht an der Zeremonie teil.

Für pakistanische Besucher ist es ein Muß, dem Sufi-Heiligen Khwaja Moinuddin Chishti an seinem Grabmal die Ehre zu erweisen. Benazir Bhutto, die Militärdiktatoren Ayub Khan, Zia-ul Haq und Pervez Musharraf sowie Expremier Nawaz Sharif und Präsident Asif Ali Zardari – alle kamen in Zeiten der Bedrängnis, sich den Segen des »Heiligen der Armen« in Ajmer zu holen. Für Regierungschef Ashraf geht Mitte des Monats die Amtszeit zu Ende. Auch er erhoffte sich hier Glück und spirituelle Impulse für die bevorstehenden Parlamentswahlen. In diesem Sinne schrieb er ins Gästebuch des Schreins: »Ich wünsche der Welt Frieden und Pakistan Frieden und Prosperität.«

So ganz ohne einen politischen Akzent ging das Ereignis dann doch nicht über die Bühne. Indiens Außenminister Salman Khurshid hatte den Gast zum Mittagessen ins Luxushotel »Rambagh Palace« in Jaipur eingeladen. Er machte ein souveräne Figur, als er allen Kritikern entgegnete, es entspreche indischer Kulturtradition, Gäste mit offenen Armen zu empfangen. Diplomatisch geschickt formulierte er: »Es ist eine private, spirituelle Visite an einem Ort, von dem eine Botschaft des Friedens ausgeht. Und ich glaube, jeder der mit einer Botschaft des Friedens zu einem Ort des Friedens kommt, sollte von uns mit Frieden empfangen werden.«

Schon vor dem Besuch machte das Außenministerium in Neu-Delhi klar, es werde keine »substantiellen Diskussionen« mit dem Gast geben. Nach dem Lunch am Samstag wurde das von indischer Seite bestätigt. Laut Times of India äußerte Minister Khurshid gegenüber Journalisten, er sei nicht autorisiert gewesen, Probleme wie Terrorismus anzuschneiden. Das habe man in der Vergangenheit getan und werde es bei offiziellen Gesprächen zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder tun.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 12. März 2013


Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage