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Unendliche Geschichte

Pakistans Justiz lädt neuen Premierminister vor

Von Knut Mellenthin *

Der Streit zwischen der pakistanischen Regierung und dem Obersten Gerichtshof des Landes geht weiter. Zu seiner nächsten Sitzung am 27. August hat der Supreme Court (SC) das persönliche Erscheinen des Premierministers angeordnet. Raja Pervez Ashraf, der erst seit dem 22. Juni im Amt ist, soll darlegen, warum er der Aufforderung des SC nicht nachgekommen ist, die Schweizer Behörden um die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari zu ersuchen. Der gleiche Vorgang hatte am 19. Juni zur Amtsenthebung Vorgängers von Pervez Ashraf, Yousouf Raza Gilani, geführt.

Die Anschuldigungen gegen Zardari gehen auf die 1990er Jahre zurück, als seine damalige Ehefrau, die 2007 bei einem Anschlag ermordete Benazir Bhutto, Premierministerin war. Gemeinsam sollen sie Schweizer Bankkonten benutzt haben, um zwölf Millionen Dollar zu »waschen«, die sie angeblich von Unternehmen als Bestechungsgelder für Staatsaufträge kassiert hatten. Der Präsident gilt in Pakistan weithin als so korrupt, daß er oft als »Mister zehn Prozent« bezeichnet wird. 2007 waren Zardari und Bhutto in den Genuß einer mit Militärdiktator Pervez Musharraf ausgehandelten, von der US-Regierung vermittelten Amnestie gekommen, die der Politikerin die Rückkehr nach Pakistan ermöglichen sollte. Die Schweizer Justiz stellte daraufhin das Verfahren ein. 2009 entschied der Oberste Gerichtshof jedoch, daß die Amnestie illegal gewesen sei, und verlangte eine Wiederaufnahme aller Ermittlungen gegen Zardari und andere von Mu­sharraf begnadigte Politiker.

Gilani, der ebenso wie Zardari der Volkspartei angehört, hatte sich jedoch geweigert, einen entsprechenden Brief an die Schweizer Behörden zu schreiben und das mit der Immunität des Präsidenten begründet. Ashraf, die Volkspartei und ihre Koalitionspartner sind fest entschlossen, bei dieser Haltung zu bleiben. Im Juli verabschiedeten sie mit ihrer klaren parlamentarischen Mehrheit ein neues Immunitätgesetz: Es befreit nicht nur Regierungsmitglieder, sondern sogar mittlere Beamte von der Strafverfolgung für Taten, die sie in Ausübung ihres Dienstes begangen haben. Danach könnte grundsätzlich kein Premierminister mehr wegen Mißachtung eines Gerichts angeklagt werden.

Am 3. August erklärte der Supreme Court das neue Gesetz jedoch für verfassungswidrig und ungültig. Die Regierung hat inzwischen bekanntgegeben, daß sie gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Laut pakistanischen Presseberichten wird intern diskutiert, das Urteil durch die Verabschiedung eines umformulierten Gesetzes zu unterlaufen, um auf diese Weise Zeit zu gewinnen. Die Volkspartei und ihre Verbündeten sind offenbar entschlossen, bis zum März 2013 durchzuhalten, wenn regulär Neuwahlen fällig sind.

Unabhängig von diesen Vorgängen meldete die Nachrichtenagentur AP am Donnerstag, daß ein Sprecher der pakistanischen Taliban, Ahsanullah Ahsan, mit der Ermordung des populärsten Oppositionspolitikers Imran Khan gedroht habe. Man werde ihn töten, falls er seine Ankündigung wahr mache, mit seinen Anhängern im September in Wasiristan, einer Hochburg der Taliban, – gegen die US-amerikanischen Drohnenangriffe zu demonstrieren. Khan, ein ehemaliger Kapitän der pakistanischen Kricketmannschaft, sei ein »Liberaler« und folglich ein »Ungläubiger« Kurz darauf dementierte Ahsan die ihm von AP zugeschriebene angeblich Äußerung.

* Aus: junge Welt, Samstag, 11. August 2012


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