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Kerry korrigiert

US-Außenministerium widerspricht eigenem Chef: Kein baldiges Ende der Drohnenangriffe gegen Pakistan

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung denkt nicht daran, ihre Drohnenangriffe auf Ziele in Pakistan einzustellen. Mit dieser Klarstellung korrigierte eine Sprecherin des State Department am Freitag in Washington Außenminister John Kerry, der einen Tag zuvor das baldige Ende dieser widerrechtlichen Einsätze versprochen hatte. Im Gespräch mit einem pakistanischen Fernsehsender hatte Kerry seine Ankündigung damit begründet, daß die USA bereits »den größten Teil der Bedrohung« – gemeint war: durch Al-Qaida – »beseitigt« hätten. Auf die Frage, ob es für die Beendigung der Angriffe einen Zeitplan gebe, antwortete der Außenminister: »Ich glaube, der Präsident hat sehr reale zeitliche Vorstellungen, und wir hoffen, daß das sehr, sehr bald geschehen wird.«

Das klang konkret und bestimmt, als lasse Kerry bewußt ein bißchen Insiderwissen durchblicken. Vermutlich hatte er sich aber nur zu einer von Barack Obama nicht autorisierten Äußerung hinreißen lassen, um der Stimmung in Pakistan Rechnung zu tragen. Wegen der Drohneneinsätze ist das Ansehen der USA dort so schlecht wie in kaum einem anderen Land. Für einen »Ausrutscher« des Außenministers spricht auch die Tatsache, daß er kurz zuvor bei einer Pressekonferenz mit seinem pakistanischen Amtskollegen Sartaj Aziz um das Thema nur herumgeredet hatte und Nachfragen ausgewichen war.

Aziz hatte bei diesem gemeinsamen Auftritt die bekannte pakistanische Position bekräftigt, daß die Attacken nicht nur die Souveränität seines Landes verletzen, sondern auch »kontraproduktiv« seien, »da sie die gesamten Anstrengungen zur Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung untergraben«. Auf eine Journalistenfrage, ob er im Gespräch mit Kerry eine Beschränkung der Angriffe gefordert habe, antwortete Aziz: »Nein, wir verlangen ihre Beendigung, nicht nur ihre Beschränkung.« Statt darauf einzugehen, hatte der US-Außenminister nur räsoniert, daß es in Wirklichkeit das Netzwerk Al-Qaida sei, das die Souveränität Pakistans verletze.

Nachdem Kerry anschließend im Fernsehen doch mehr gesagt hatte, als er offenbar durfte und vielleicht auch wollte, mußte die stellvertretende Sprecherin des State Department, Marie Harf, am Freitag während der routinemäßigen Pressekonferenz des Ministeriums hart arbeiten, um die Dinge richtigzustellen: »Keinesfalls werden wir uns jemals eines Mittels berauben, das uns bei der Bekämpfung einer Bedrohung hilft«. Zwar sei es generell das Ziel der USA, dahin zu kommen, daß Operationen zur Terrorbekämpfung nicht mehr erforderlich seien, weil die Gefahr nicht mehr vorhanden ist. »Aber niemand verhält sich naiv gegenüber der Tatsache, daß die Bedrohung immer noch existiert und daß wir den Kampf an diesem und anderen Orten überall auf der Welt weiterführen müssen.« Einen Zeitplan für die Beendigung der Drohnenangriffe gebe es nicht, betonte Harf auf mehrfache Nachfragen ausdrücklich.

Nicht zu übersehen ist allerdings, daß die USA diese Attacken schon seit einiger Zeit deutlich reduziert haben. Nach einem Höhepunkt mit 122 Angriffen auf pakistanische Ziele in Obamas zweitem Amtsjahr 2010 sank ihre Zahl 2011 auf 73 und auf 48 im vergangenen Jahr. 2013 waren es bisher »nur« 17. Der letzte dieser Angriffe fand wenige Tage vor Kerrys Besuch am vorigen Sonntag in Nordwasiristan statt. Getötet wurden mindestens acht nicht namentlich bekannte Männer, die sich anläßlich des Fastenmonats Ramadan gerade zu einem nächtlichen Iftar-Mahl versammelt hatten.

Die US-Regierung gab zu diesem heimtückischen Massaker wie üblich weder eine Begründung noch einen Kommentar.

* Aus: junge Welt, Montag, 5. August 2013


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