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Richtung Ruin

"Krieg gegen den Terror" kostet pakistanische Volkswirtschaft Dutzende Milliarden Dollar

Von Knut Mellenthin *

Die pakistanische Volkswirtschaft hat durch den US-geführten »Krieg gegen den Terror« 67,93 Milliarden Dollar direkte und indirekte Verluste erlitten. Zu diesem Ergebnis kommt der »Pakistan Economic Survey 2010–11«, über den das bedeutendste englischsprachige Onlinemedium des Landes, The Dawn, am Wochenende berichtete.

In dieser Summe enthalten sind unter anderem materielle Schäden, ständig steigende Militär- und Sicherheitsausgaben, Unterstützung von zeitweise über zwei Millionen internen Bürgerkriegsflüchtlingen, Einbrüche in der Produktion und besonders im Tourismus, Rückgang der Exporte, geringere Steuereinnahmen sowie ein Sinken der Investitionstätigkeit.

Entgegen allen Propagandabehauptungen wurde der Bürgerkrieg, der immer größere Teile Pakistans erfaßt, dem Land von der US-Regierung nach dem 11. September 2001 aufgenötigt. Bis dahin hatte jahrzehntelang eine eingespielte Koexistenz und Konfliktregelung zwischen der Zentralregierung in Islamabad und der paschtunischen Bevölkerung des Nordwestens funktioniert. Die überregionalen militant-islamistischen Organisationen hatten niemals das Ziel, die Regierung zu stürzen und das Gesellschaftssystem zu ändern, sondern wollten hauptsächlich die indische Herrschaft über Kaschmir bekämpfen.

Erst das von den USA durchgesetzte gewaltsame Vorgehen der pakistanischen Streitkräfte gegen die sogenannten Stammesgebiete führte, vor allem seit 2006, zu immer heftigeren Gegenaktionen. Das spiegelt sich auch in der Entwicklung der Kriegskosten ganz klar wider. Während diese im Finanzjahr 2001/02 erst bei 2,67 Milliarden Dollar gelegen hatten, betrugen sie 2009/10 schon 13,6 Milliarden und werden im demnächst endenden Steuerjahr 2010/11 auf 17,8 Milliarden Dollar geschätzt. Sie werden voraussichtlich auch künftig weiter stark ansteigen, zumal die US-Regierung neue Feldzüge gegen die Stammesgebiete sowie eine Ausweitung des Bürgerkriegs auf die Provinzen Punjab und Balutschistan fordert. Schon jetzt registriert der »Pakistan Economic Survey« einen Rückgang des Anteils der Investitionen am Bruttosozialprodukt von 22,5 Prozent in 2006/07 auf aktuell nur noch 13,4 Prozent.

In völliger Verkehrung der Tatsachen betonen Politiker und Mainstreammedien der USA unablässig mit aufreizender Taktlosigkeit, daß Pakistan »Milliarden aus den Geldern der amerikanischen Steuerzahler« erhalten habe. Tatsächlich liegt der Gesamtbetrag, der seit 2001 gezahlt wurde, nach offiziellen Angaben bei 20 Milliarden Dollar. Zwölf Milliarden davon kamen aus einem speziellen Fonds, der Staaten mit schwacher Volkswirtschaft für ihre Beteiligung am »Krieg gegen den Terror« entschädigen soll. Pakistan ist mit weitem Abstand der größte Empfänger von Geld aus diesem Fonds. Damit zahlen die USA für den Umstand, daß das Land als Frontstaat und Hinterland des Afghanistan-Krieges dient. Insbesondere läuft ein großer Anteil des Nachschubs für die NATO-Besatzungstruppen über pakistanische Straßen. Unter dem Strich überwiegen Pakistans Kosten die sogenannte Hilfe bei weitem.

* Aus: junge Welt, 21. Juni 2011


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