Musharraf in Bedrängnis
Verbirgt sich der Taliban-Chef im pakistanischen Quetta?
Von Hilmar König, Delhi *
Pakistans Präsident, im eigenen Land wegen angeblicher »Beherbergung« von Taliban-Führer
Mullah Mohammad Omar unter Druck, besucht seit Sonnabend fünf arabische Staaten, um die
muslimische Welt zu politischen und diplomatischen Schritten für die Lösung des Nahostkonflikts zu
ermutigen.
Das Außenministerium in Islamabad erklärte zu der Tour von Präsident Pervez Musharraf nach
Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, Syrien und in die Emirate, die Lage im Nahen Osten, in Libanon
und Irak berge ernste Gefahren für die islamische Welt. Deshalb müssten die muslimischen Staaten
Initiativen ergreifen, um die Bedrohung zu mindern. Vor seinem Abflug telefonierte Musharraf mit
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, um ihn über die Absichten der Reise zu informieren.
Für vier Tage kann der pakistanische Präsident damit die Sorgen, die ihm die Entwicklung zu Hause
bereiten, in den Hintergrund drängen. Das sind in erster Linie die anhaltenden Spekulationen, der
afghanische Taliban-Chef Mullah Omar, auf dessen Kopf die USA eine Prämie von zehn Millionen
Dollar ausgesetzt haben, halte sich in Quetta auf, der Hauptstadt der pakistanischen Provinz
Belutschistan. Er sei wohlbehütet vom pakistanischen Geheimdienst ISI. Diese Aussagen stammen
von dem Mitte vergangener Woche gefangengenommenen Taliban-Sprecher Abdul Haq Haqiqe. Er
war den afghanischen Sicherheitsbehörden ins Netz gegangen, als er von Pakistan in die
afghanische Provinz Nangarhar gelangen wollte. Haqiqe soll auch behauptet haben, die immer
häufiger in Afghanistan verübten Selbstmordanschläge seien das Werk von Taliban-Kommandos,
die vom pakistanischen ISI »finanziert und ausgerüstet« würden. Offizielle pakistanische Stellen
wiesen diese Behauptungen als »absurd« zurück. Man kenne die Umstände nicht, unter denen
Haqiqe auspackte und bezweifele die Authentizität der Aussagen.
Kurz vor der Festnahme hatte es eine Kontroverse über eine Militäraktion in Südwasiristan nahe der
afghanischen Grenze gegeben. Dabei war ein vermeintliches Versteck des Terrornetzwerkes Al
Qaida aus der Luft attackiert worden. Es habe mindestens 20 Tote gegeben, hieß es aus dem
Verteidigungsministerium in Islamabad. Die Attacke hätte die eigene Luftwaffe geflogen. Einwohner
der Siedlung Salamat Ghundi erzählten Journalisten dagegen, der Angriff sei durch eine
unbemannte USA-Drone vom Typ »Predator« erfolgt. Erst danach hätten die Pakistaner Raketen
aus Hubschraubern auf den Gebäudekomplex gefeuert. Die Zeugen berichteten, sie hätten acht
Leichen gefunden, keine Ausländer oder Afghanen, sondern einheimische Waldarbeiter.
Somit steht Behauptung gegen Behauptung. Keine Seite lieferte bislang überzeugende Beweise für
ihre Sicht der Dinge. Während für die pakistanische Bevölkerung auch in diesem Fall vor allem von
Bedeutung ist, ob es sich erneut um eine US-amerikanische Militäroperation in ihrem Land
gehandelt hat, interessierte den Westen viel mehr, wie sehr Washington der pakistanischen Führung
als wichtigem Verbündeten im »Krieg gegen den internationalen Terrorismus« vertrauen kann.
Unterdessen unternimmt Mu-sharraf einen neuen Versuch, dem Westen für mindestens weitere fünf
Jahre als Partner erhalten zu bleiben. Am vergangenen Mittwoch entschied das Kabinett, der
General solle vom gegenwärtigen Parlament und den Provinzparlamenten als Präsident
wiedergewählt werden, bevor sich diese vor Neuwahlen im November auflösen. Die gesamte
Opposition ging dagegen sofort auf die Barrikaden. Die Pakistanische Volkspartei (PPP) der im Exil
lebenden Benazir Bhutto nannte diesen Trick »eine Verhöhnung der Demokratie«. Und der ebenfalls
exilierte frühere Regierungschef Nawaz Sharif sprach von einem »Hijacking des Volksmandats zur
Verlängerung der Diktatur«. Dieser Plan habe »keinen gesetzlichen, verfassungsmäßigen oder
moralischen Status«, äußerte er. So ist eines gewiss: Wenn der Präsident aus dem Nahen Osten
zurückkehrt, wird ihm daheim ein »heißer Empfang« bereitet.
* Aus: Neues Deutschland, 23. Januar 2007
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