Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Exdiktator im Arrest

Pakistanisches Gericht läßt Haftbefehl gegen General Musharraf vollstrecken

Von Knut Mellenthin *

General a.D. Pervez Musharraf, der Pakistan von 1999 bis 2008 autoritär regierte, steht seit Freitag morgen unter Hausarrest. Man könnte es auch als Haft bezeichnen, da sein Landhaus in einem Vorort der Hauptstadt Islamabad, in dem er sich aufhält, formal zum »sub-jail« erklärt wurde – einer Einrichtung, die es wohl nur in Pakistan und Indien gibt. Am Sonntag muß der frühere Chef der pakistanischen Streitkräfte vor einem Sondergericht für Terrorismusfälle erscheinen, das entscheidet, wie es mit seinem Status weitergehen soll.

Musharraf war im August 2008 als Präsident zurückgetreten, weil ihm ein offizielles Amtsenthebungsverfahren drohte. Wegen mehrerer eingeleiteter strafrechtlicher Ermittlungen zog er es bald darauf vor, sich ins Ausland abzusetzen, wo er hauptsächlich in London residierte. An Geld herrschte offenbar nie Mangel, da einflußreiche Freunde in den USA und in den reaktionären Staaten der arabischen Halbinsel gut für ihn sorgten. Am 24. März kehrte Musharraf nach Pakistan zurück. Nicht zuletzt trieb ihn die Hoffnung auf ein politisches Comeback bei den Parlamentswahlen, die am 11. Mai stattfinden sollen.

Damit der Exdiktator nicht gleich bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Karatschi festgenommen wurde, hatten seine Anwälte im Vorfeld einen detaillierten Deal mit den pakistanischen Justizbehörden ausgehandelt: Die Vollstreckung der gegen Musharraf laufenden Haftbefehle wurde nach Zahlung hoher Kautionen für eine begrenzte Zahl von Tagen ausgesetzt. Diese Fristen wurden, nachdem er wieder im Lande war, mehrmals verlängert, aber immer nur um wenige Tage.

Das Gericht in Islamabad, das am Donnerstag die Vollstreckung anordnete, hatte zuletzt am Freitag voriger Woche eine Verlängerung bis zum 18. April zugelassen. An diesem Tag ordnete der zuständige Richter dann Musharrafs sofortige Festnahme an. Als Grund gab er an, daß die Klage auch den Vorwurf des Terrorismus beinhalte und eine Aussetzung des Haftbefehls gegen Kaution in solchen Fällen generell ausgeschlossen sei. Dem General a.D. gelang es, unter Schutz seiner Leibwächter aus dem Gerichtssal zu flüchten. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil die anwesenden Polizisten ihn nicht festzunehmen wagten oder dies sogar aus alter Loyalität unterließen. In der Nacht zum Freitag verließ Musharraf dann »freiwillig« sein von Sicherheitskräften abgeriegeltes Luxusanwesen, wurde zum Gericht eskortiert und von diesem für zunächst zwei Tage wieder nach Hause entlassen.

Es geht in diesem Strafverfahren um die Absetzung und Festnahme von über 60 Richtern, die Musharraf am 3. November 2007 angeordnet hatte. Unter ihnen war der oberste Richter des Landes, Iftikhar Muhammad Chaudhry. Die Festgenommen wurden anschließend unter Hausarrest gestellt. Der General hatte an jenem Tag den Ausnahmezustand verhängt, um sein bereits schwankendes Regime zu retten. Ein Gericht unter Vorsitz Chaudhrys hatte diese Maßnahme sofort für illegal erklärt und die Streitkräfte aufgerufen, widerrechtlichen Befehlen keine Folge zu leisten.

Musharrafs Vorgehen löste Proteste von Anwälten und Richtern aus, die zum späteren Sturz des Generals beitrugen. Die Anklage, die nun zu seiner Inhaftierung führte, lautet zunächst einmal auf Freiheitsberaubung wegen der Festnahme der Richter. Sie könnte aber wegen des Ausnahmezustands auch auf Hochverrat erweitert werden. In diesem Fall würden ­Musharraf lebenslanges Gefängnis oder sogar ein Todesurteil drohen.

Die zwei anderen Haftbefehle gegen den Exdiktator betreffen seine mögliche Mitwirkung an der Ermordung der Oppositionsführerin Benazir Bhutto am 27. Dezember Dezember 2007 und die gezielte Tötung des belutschischen Politikers und Rebellen Akbar Khan Bugti am 26. August 2006

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. April 2013


Zurück zur Pakistan-Seite

Zurück zur Homepage