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Anklage wegen Verschwörung zum Mord

Staatsanwalt fordert Todesstrafe für Pakistans Ex-Präsident Musharraf

Von Stefan Mentschel, Delhi *

Mit seiner Rückkehr nach Pakistan wollte Pervez Musharraf im Frühjahr sein politisches Comeback einläuten. Doch die Justiz machte einen Strich durch die Rechnung. Nun soll ihm wegen der mutmaßlichen Verwicklung in den Mord an seiner Rivalin Benazir Bhutto der Prozess gemacht werden

Die Anschuldigungen gegen Pakistans früheren Militärmachthaber Pervez Musharraf wiegen schwer. Staatsanwalt Chaudhry Azhar Ali wirft ihm Verschwörung zum Mord an der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto vor und will ihn dafür zur Verantwortung ziehen. Auf Bhutto war im Dezember 2007 bei einer Kundgebung ein Attentat verübt worden. Musharraf war damals Präsident und trägt nach Ansicht der Anklage mindestens eine Mitschuld am Tod seiner politischen Rivalin.

An diesem Dienstag soll nun vor einem Antiterror-Gericht in der Garnisonsstadt Rawalpindi der Prozess gegen den Ex-General beginnen – fast auf den Tag genau fünf Jahre nach seinem erzwungenen Rücktritt als Staatschef am 18. August 2008 und der anschließenden Flucht ins Exil. Für den 70-Jährigen geht es dabei um Kopf und Kragen: »Pervez Musharraf kann die Todesstrafe erhalten oder ein Leben hinter Gittern bekommen«, erklärte Staatsanwalt Ali. »Das werden wir fordern.«

Die Anklage stützt sich dabei unter anderem auf Untersuchungen einer Kommission der Vereinten Nationen. Diese war bereits im April 2010 zu dem Schluss gekommen, dass der Personenschutz für Bhutto mangelhaft gewesen sei und die Behörden nach dem Attentat kein echtes Interesse gezeigt hätten, Täter und Drahtzieher dingfest zu machen. Auch gegen Musharraf waren in dem UNO-Bericht Vorwürfe erhoben worden.

Wenige Monate später benannten pakistanische Ermittler Musharraf als einen der Beschuldigten in dem Mordfall und erließen Haftbefehl. Nach Aussagen von Polizeioffizieren soll er angeordnet haben, die Sicherheitsvorkehrungen für Bhutto zu lockern und später Spuren am Tatort zu beseitigen.

Sein Verteidiger Ahmed Raza Kasuri weißt die Vorwürfe zurück und beharrt auf der Unschuld seines Mandanten: »In diesem Fall gibt es keine Beweise. Wie kann man den Staatschef für einen Mord im Land verantwortlich machen?« Auch andere Justizexperten halten die »Qualität der Beweise« für eine Verurteilung unzureichend. Musharraf und sein Sicherheitsapparat hatten seinerzeit die pakistanischen Taliban für den Mord verantwortlich gemacht, die jedoch bis heute jede Verwicklung bestreiten.

Dass Musharraf überhaupt vor Gericht muss, ist nach Ansicht von Beobachtern vor allem seiner Eitelkeit und seiner Fehleinschätzung der politischen Lage in Pakistan geschuldet. Trotz der drohenden Anklage im Fall Bhutto und weiterer Vorwürfe war Musharraf im März dieses Jahres aus dem sicheren Dubai in seine Heimat zurückgekehrt. Geplant hatte er eine Kandidatur bei den Parlamentswahlen im Mai und sein politisches Comeback im krisengeschüttelten Pakistan.

Doch daraus wurde nichts. Wenige Wochen vor der Wahl stellte ein Gericht Musharraf unter Hausarrest und verbot ihm jegliche politische Betätigung. Grund dafür war eine Anklage wegen Verfassungsbruch und Hochverrat im Zusammenhang mit der Verhängung des Ausnahmezustands über Pakistan Ende 2007. Musharraf hatte damals auch den Obersten Richter Iftikhar Chaudhry und Dutzende weitere ranghohe Juristen aus ihren Ämtern gefegt. Chaudhry ist längst wieder im Amt und wesentlich mitverantwortlich für die derzeit laufende juristische Offensive gegen Musharraf.

Die im Mai mit absoluter Mehrheit gewählte Regierung der Pakistanischen Muslimliga hält sich dagegen mit Äußerungen zurück. Auch Premierminister und Parteichef Nawaz Sharif, den Musharraf im Jahr 1999 aus dem Amt geputscht hatte, zeigt offiziell wenig Interesse an dem Fall.

Umstritten ist derweil die Rolle des Militärs. Seit Ende der Musharraf-Ära hält es sich zumindest nach außen aus der pakistanischen Politik heraus. Allerdings gingen Beobachter bislang davon aus, dass die Armee zumindest versuchen wird, eine rechtskräftige Verurteilung ihres ehemaligen Chefs zu verhindern. So wurde etwa in den Medien über geheime Absprachen zwischen Militärführung, Regierung und Justiz spekuliert, um Musharraf den erneuten Gang ins Exil zu ermöglichen. Noch allerdings sitzt der Ex-General in seinem Haus nahe Islamabad fest. Und sollte der Prozess am Dienstag wie geplant beginnen, scheint dieser Ausweg für ihn verbaut.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. August 2013


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