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Auftakt zum Prozess gegen Musharraf

Pakistans ehemaliger Militärmachthaber erklärte sich vor Gericht für unschuldig am Bhutto-Mord *

Pakistans Ex-Militärmachthaber Pervez Musharraf ist offiziell wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in die Ermordung von Oppositionsführerin Benazir Bhutto im Dezember 2007 angeklagt worden.

Musharraf wurde »wegen Mordes, krimineller Verschwörung für einen Mord und Beihilfe zum Mord angeklagt«, sagte Staatsanwalt Chaudhry Azhar am Dienstag in Rawalpindi der Nachrichtenagentur AFP. Musharraf habe sich für unschuldig erklärt. Das Verfahren soll am 27. August fortgesetzt werden.

Bhutto war im Dezember 2007 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi ermordet worden. Bei dem Selbstmordattentat und der anschließenden Schießerei wurden 16 weitere Menschen getötet. Die Anklage gegen Musharraf wegen des Todes von Bhutto ist ein beispielloser Vorgang für Pakistan, das den größten Teil seiner Geschichte vom Militär regiert wurde. Musharraf, der 1999 bis 2008 an der Spitze des Landes stand, war erst Ende März nach vier Jahren im Exil in sein Heimatland zurückgekehrt, um an der Parlamentswahl im Mai teilzunehmen. Ein Gericht untersagte jedoch seine Kandidatur. Der frühere Armeechef steht derzeit in seiner Villa am Rande der Hauptstadt Islamabad unter Hausarrest; der 70-Jährige verließ diese am Dienstag für den Gerichtstermin. »Die Anklagepunkte wurden ihm vorgelesen. Er hat die Vorwürfe zurückgewiesen«, sagte Azhar.

Musharrafs Verteidiger bezeichneten die Vorwürfe der Anklage als unbegründet. »Wir haben keine Angst vor dem Prozess«, erklärte der Anwalt Syeda Afshan Adil. Ein Bericht der UNO war 2010 zum Schluss gekommen, dass Bhuttos Tod hätte verhindert werden können, wenn die damalige Regierung den nötigen Schutz gewährt hätte.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 21. August 2013


Musharrafs Eigentor

Von Olaf Standke **

Mord, kriminelle Verschwörung, Beihilfe zum Mord – es sind schwere Vorwürfe, die Pervez Musharraf am Dienstag vor einem Antiterror-Sondergericht in Rawalpindi nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad zu hören bekam. Auch wenn der frühere Militärherrscher – seit Monaten unter Hausarrest – alles bestritt, er ist nun offiziell wegen der Ermordung von Benazir Bhutto angeklagt. Die Politikerin kam vor sechs Jahren bei einem Terroranschlag während einer Wahlkampfveranstaltung ums Leben, und Musharraf soll nicht ausreichend für die Sicherheit der früheren Premierministerin und politischen Rivalin gesorgt haben.

Diese Anklage eines ehemaligen Armeechefs ist beispiellos in der Geschichte Pakistans – eines Landes, das fast die Hälfte seiner Existenz von einer Militärjunta regiert wurde. So gesehen ist der nun anstehende Prozess auch ein Lackmustest für das Demokratieverständnis der noch immer mächtigen Generäle und ihr Verhältnis zur gerade erst gewählten Regierung von Nawaz Sharif. Der Premier war 1999 in einem Putsch von Musharraf als Regierungschef gestürzt worden und musste ins Exil gehen. Dort hat auch sein Erzfeind die vergangenen vier Jahre verbracht – und dürfte es schon bitter bereut haben, dass er im März zurückgekehrt ist, um bei den Parlamentswahlen sein politisches Comeback zu starten. Eine völlige Fehleinschätzung der Lage. Wird er jetzt schuldig gesprochen, droht ihm lebenslange Haft oder gar die Todesstrafe.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 21. August 2013 (Kommentar)


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