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Muss Musharraf auf die Anklagebank?

71 Prozent der Pakistaner für Prozess

Von Hilmar König, Delhi *

Pakistans Expräsident Pervez Musharraf sorgt immer wieder für brisanten Gesprächsstoff. Angeblich hat er US-Militärhilfe, die für den »Krieg gegen den Terrorismus« bestimmt war, zweckentfremdet zur Stärkung der Verteidigung gegen Indien verwendet.

Der General a.D. ist zwar seit seinem Rücktritt am 18. August 2008 von Pakistans politischer Bühne verschwunden. Doch bringt er sich immer wieder ins Gerede. Vor wenigen Tagen enthüllte Musharraf, dass er während seiner Amtszeit »im besten Interesse Pakistans« massive Hilfe des Pentagon zur Aufrüstung gegen Indien missbraucht habe. Für Delhi war das freilich nur eine Bestätigung lange gehegter Vermutungen.

Ian Kelly, der Sprecher des Weißen Hauses, erklärte dazu: »Wir nehmen es prinzipiell sehr ernst, wenn unsere Militärhilfe für andere als ursprünglich vereinbarte Zwecke verwendet wird.« Immerhin liegt der Obama-Regierung ein Plan zur Bestätigung vor, in den nächsten fünf Jahren Pakistan mit einem 7,5-Milliarden-Dollar-Paket zu unterstützen. Und der Chef des US-Generalstabs, Admiral Mike Mullen, ist sich sicher: »Wir müssen weiter mit Pakistan arbeiten, um die Taliban als eine regionale Bedrohung Afghanistans und Pakistans anzugehen.«

Inzwischen gibt es laut der pakistanischen Zeitung »Daily Times« eine »Richtigstellung« Musharrafs. Darin soll er »kategorisch verneint haben«, die Waffenlieferungen des Pentagon missbraucht zu haben. Was ihn zu der Korrektur seines Standpunkts veranlasst hat, blieb im Dunkeln. Am Dienstag dann ließ Präsident Asif Ali Zardari eine »Informationsbombe« hochgehen, als er vor einem Kreis journalistischer Veteranen in Islamabad mitteilte, der Rücktritt Musharrafs als Staatsoberhaupt im Sommer vorigen Jahres sei Teil eines »durch internationale und lokale Interessenten garantierten« Deals gewesen. Offenbar ist ein wesentlicher Punkt darin die Zusicherung von Straffreiheit. Um wen es sich bei den »Garanten« der Vereinbarung gehandelt hat, wollte Zardari nicht preisgeben. Jedoch wird vermutet, dass die USA, Saudi-Arabien und das pakistanische Militär die Hände bei dem ausgehandelten Abtritt des herrschsüchtigen Musharraf im Spiel hatten. Der hatte im Oktober 1999 gegen die gewählte Regierung in Islamabad geputscht, sich zunächst als »Kriegsrechtsverwalter« etabliert und anschließend diktatorisch, mehrfach die Verfassung missachtend, zum Staatsoberhaupt aufgeschwungen. Pakistans Öffentlichkeit und Opposition zeigt sich jedenfalls brennend interessiert an den Details der Vereinbarung.

Der höchste Gerichtshof Pakistans bewertet Musharrafs Amtszeit als illegal. Und die Pakistanische Muslimliga (Nawaz) möchte ihm wegen Hochverrats den Prozess machen. Die Partei reflektiert damit die Meinung von 71 Prozent der pakistanischen Bevölkerung, wie gerade eine Umfrage ergab. Doch der smarte General a.D. reiste erst einmal nach Saudi-Arabien und von dort weiter nach Großbritannien, wo er eine Serie politischer Vorträge zu halten beabsichtigt. Durchaus denkbar, dass sich seine Rückkehr in die Heimat, wo ihm gegenwärtig wohl der Boden unter den Füßen zu heiß ist, auf unabsehbare Zeit verzögert.

* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2009


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