Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Stau in Torkham

Pakistan: Aufständische greifen NATO-Nachschub für Afghanistan an. Wichtigster Grenzübergang weiter geschlossen

Von Knut Mellenthin *

In der Nacht zum Montag sind in Pakistan mindestens 28 Tankwagen mit Treibstoff für den NATO-Krieg in Afghanistan von Aufständischen zerstört worden. Der Überfall ereignete sich auf einem Firmengelände in einem Vorort der Hauptstadt Islamabad. Die Fahrzeuge waren dort abgestellt worden, weil der Grenzübergang Torkham am Khyberpaß, über den sie nach Afghanistan fahren sollten, seit Donnerstag für Nachschubtransporte geschlossen ist. Bereits am Freitag waren bei zwei Angriffen in anderen Landesteilen zwischen 30 und 40 Tankwagen ausgebrannt.

Ein Sprecher der Organisation Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) übernahm in einem Telefonanruf bei der französischen Nachrichtenagentur AFP die Verantwortung für die Angriffe. Die TTP werde auch in Zukunft solche Aktionen durchführen und »nicht gestatten, daß pakistanischer Boden als Nachschubroute der in Afghanistan stationierten NATO-Truppen benutzt wird«. Die Angriffe seien außerdem auch eine Vergeltung für die Drohnenattacken der USA auf Ziele in Pakistan. Im September waren bei mindestens 22 Einsätzen dieser unbemannten Flugkörper nach vorläufigen Schätzungen etwa 150 Menschen getötet worden. Die vom Auslandsgeheimdienst CIA gesteuerten Attacken gingen auch am Wochenende weiter. Dabei starben am Sonnabend in Nordwasiristan mindestens 18 Menschen.

Die nordamerikanischen Tageszeitungen Wall Street Journal und Washington Post berichteten am Wochenende, daß die US-Streitkräfte der CIA eine größere Anzahl ihrer Drohnen leihweise zur Verfügung gestellt haben. So stieg seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama die Zahl der Einsätze sprunghaft an. Die Streitkräfte dürfen außer »in Selbstverteidigung« offiziell nicht gegen pakistanisches Gebiet aktiv werden. Laut Washington Post ist jedoch nicht bekannt, ob die ausgeliehenen Drohnen wirklich von der CIA und nicht etwa von Spezialisten des Militärs gesteuert werden.

Der Grenzübergang Torkham blieb auch am Montag für den NATO-Nachschub geschlossen. Am Khyberpaß wurden am Sonntag rund 200 wartende Lkw und Tankwagen gezählt. Das Ausmaß der Blockadefolgen ist indessen erheblich größer. Eine unbekannte Anzahl von Fahrzeugen wurde zur nächsten größeren Stadt Peschawar zurückgeschickt oder hat ihre Fahrt irgendwo an der über 1000 Kilometer langen Strecke vom Hafen Karatschi nach Torkham unterbrochen. Die pakistanischen Behörden halten Torkham geschlossen, seit US-Kampfhubschrauber am Donnerstag bei einem Angriff über die Grenze hinweg drei pakistanische Soldaten töteten und drei weitere verletzten. Ähnliche Proteste Pakistans gegen amerikanische Übergriffe gab es auch schon früher, aber dies ist die bisher längste Sperrung des Khyberpasses. Der zweite, allerdings sehr viel weniger benutzte Übergang für den Afghanistan-Nachschub, Chaman in Balutschistan, ist hingegen nach wie vor offen. 50 bis 70 Prozent des »nicht tödlichen« Nachschubs der ­NATO-Besatzungstruppen in Afghanistan werden durch Pakistan transportiert. Alternative Routen durch das Gebiet der früheren Sowjetunion sind noch im Auf- und Ausbau. Munition und Waffen werden direkt nach Afghanistan eingeflogen. Die Wiedereröffnung von Torkham war am Montag auch Thema eines Gesprächs zwischen Pakistans Außenminister Schah Mahmud Qureschi und Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. Der NATO-Chef sprach dabei sein Bedauern über den Tod der pakistanischen Soldaten aus.

* Aus: junge Welt, 5. Oktober 2010


Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zurück zur Homepage