Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Rache für bin Laden

Zwölf Tote bei Taliban-Angriff auf Marinestützpunkt in Pakistan

Von Knut Mellenthin *

Mindestens zwölf Militärangehörige wurden am Montag bei Schießereien im pakistanischen Marinestützpunkt Mehran getötet. Außerdem gab es 16 Verletzte. 15 bis 20 Angreifer hatten in der Nacht die Anlage in Karatschi, der größten Stadt des Landes, überfallen und sich in mehreren Gebäuden verschanzt. Erst nach vierzehnstündigen Kämpfen erklärte die militärische Führung, daß es keinen Widerstand mehr gebe und nun die Durchsuchung des Geländes beginnen werde. Erst nach deren Abschluß werde man die Zahl der getöteten Angreifer mitteilen. Während der Aktion wurden Waffen und Geräte in großem Umfang zerstört, darunter zwei von den USA erst im Oktober vorigen Jahres gelieferte See-Überwachungsflugzeuge des Typs P-3C Orion.

Die Angreifer wurden in ersten Meldungen der militant-islamistischen Organisation Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) zugeordnet, doch war das am Montag bei Redaktionsschluß noch völlig ungewiß, da nicht einmal eine Stellungnahme der TTP vorlag. Zitiert wurde lediglich ein »Talibansprecher« namens Ehsanullah Ehsan, der die Operation in einem Anruf bei Reuters als Rache für die Tötung Osama bin Ladens durch ein US-Kommando am 2. Mai bezeichnet haben soll.

Ehsan hatte zuvor auch schon am 13. Mai der britischen Nachrichtenagentur telefonisch mitgeteilt, daß der Anschlag auf eine Militärschule im nordwestpakistanischen Shabqadar eine Vergeltung für den Tod bin Ladens sei. Bei zwei von Selbstmordattentätern ausgelösten Explosionen waren 89 Menschen getötet und 140 verletzt worden. Die meisten Opfer waren Rekruten einer paramilitärischen Polizeieinheit. Seltsam an den »Bekenneranrufen« ist, daß Ehsan nach bisherigen Erkenntnissen nicht etwa für eine pakistanische Organisation, sondern für die afghanischen Taliban spricht.

In der vergangenen Woche hatte die US-Regierung mehrere Vertreter nach Islamabad geschickt, um ihre pakistanischen »Partner« zu nötigen, eine Reihe nicht öffentlich erläuterter Verpflichtungen zu akzeptieren. Nach Aussagen von Barack Obamas Sondergesandten Marc Grossman, der Pakistan am Donnerstag besuchte, hat die politische und militärische Führung des Landes einer Reihe von »Aktionen« zugestimmt.

Mit Grossman war eine große Delegation des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, angeblich rund 20 Personen, nach Islamabad gekommen, die dort zu mehrtägigen Verhandlungen mit ihren pakistanischen Kollegen vom ISI blieb. Ziel ist angeblich die detaillierte Ausarbeitung eines Geheimabkommens, mit dem die Unterwerfung Pakistans unter die US-amerikanischen Forderungen besiegelt werden soll.

Gleichzeitig hielt sich Premier Yousuf Raza Gilani zu einem seit langem geplanten viertägigen Besuch in China auf. In seinen Reden lobte er das Nachbarland als »zuverlässigen Allwetterfreund«, zu dem Pakistan jederzeit stehen werde. Besonders pikiert dürfte man in Washington Gilanis Satz aufgenommen haben, daß »in diesen turbulenten Zeiten« China »die einzige Stimme der Vernunft in internationalen Angelegenheiten« sei.

* Aus: junge Welt, 24. Mai 2011


Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Terrorismus-Seite

Zurück zur Homepage