Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"...hinten, weit, in der Türkei":

Pakistan - die etwas andere Atommacht

Von Wolfgang Schwarz *

Zwischen Indien und Pakistan, in der konfliktgeladenen Region Südwestasien, findet seit fast drei Jahrzehnten ein nukleares Wettrüsten statt (1), das sich seit den späten 90er Jahren quantitativ und qualitativ sukzessive aufschaukelt, und dieser Prozess unterliegt bisher lediglich den Restriktionen durch wirtschaftliche sowie wissenschaftlich-technische Schwächen und Rückstände der Beteiligten, nicht aber durch Rüstungskontrolle oder gar -begrenzung. Nukleare Eskalationsrisiken sind evident. Nicht zuletzt hat das internationale Regime des 1967 abgeschlossenen und 1970 in Kraft getretenen Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT / Atomwaffensperrvertrag) dadurch eine nachhaltige Schwächung erfahren. Von der deutschen Öffentlichkeit werden diese Entwicklungen praktisch nicht zur Kenntnis genommen, während sie von der offiziellen deutschen Politik über die Jahrzehnte eher befördert als gehemmt wurden. Letzteres ist auch aktuell der Fall. (2)

Rückblick & Gegenwart

Fachleute haben Indizien für militärische nukleare Ambitionen auf dem Indischen Subkontinent bereits in den 60er Jahren ausgemacht, nachdem China, der regionale Antipode Indiens, 1964 seinen Status als Atommacht durch eine Testexplosion demonstriert hatte. Der damalige pakistanische Staatspräsident Z. A. Bhutto schlussfolgerte, dass Indien nun ebenfalls den Status einer Kernwaffenmacht anstreben werde und Pakistan nachziehen müsse. Öffentlich auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht hat Bhutto schon 1965. (3) Die erste indische Testexplosion von 1974, wiewohl von Neu-Delhi offiziell als „friedlich“ deklariert, machte Bhuttos Prognose zur Gewissheit und hat nach Auffassung mancher Beobachter und nach offizieller Lesart Islamabads dem pakistanischen Bestreben nach der Bombe den letzten Anstoß gegeben. (4) Eine entscheidendere Rolle hatte allerdings bereits zuvor die traumatische Niederlage der pakistanischen Zentralmacht im Bürgerkrieg von 1971 gespielt, als Indien zugunsten Ost-Pakistans, des späteren Bangladeschs, intervenierte und Pakistan nicht nur diesen Teil seines Staatsterritoriums und -volkes verlor (5), sondern zugleich (und zum wiederholten Male) die Erfahrung machen musste, dass auf die strategischen Verbündeten USA und China im Falle des Falles nicht zu rechnen war (6).

Die nachfolgende Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass unter den Bedingungen der damaligen Ost-West-Auseinandersetzung beziehungsweise des Kalten Krieges die Voraussetzungen denkbar schlecht waren, den nuklearen Ambitionen Indiens und Pakistans einen Riegel vorzuschieben. Dazu hätten die Supermächte USA und UdSSR sowohl ihrer Verpflichtung zur eigenen nuklearen Abrüstung nach Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages (7) nachkommen als auch zur internationalen Durchsetzung des Vertrages konsequent zusammenarbeiten müssen. Das taten sie nicht. Sie agierten stattdessen global gegeneinander und behandelten Indien und Pakistan überdies auch noch wie Schachfiguren in ihrem weltpolitischen Spiel. Für die USA war Pakistan vor allem ein regionaler Hebel gegen Indien und über dieses gegen die Sowjetunion, sowie später, nach Beginn der sowjetischen Afghanistan-Invasion, auch direkt gegen die UdSSR. Die ihrerseits setzte – über Neu-Delhis führende Rolle in der Bewegung der Nichtpaktgebundenen – auf Indien als globalen Hebel gegen die USA und seit den 60er Jahren auch ebenfalls China. Demgegenüber hatten NPT-Belange – aller anders lautenden Rhetorik zum Trotz – keine Priorität. Daher kann es nicht verwundern, dass halbherzige Versuche der USA, die nuklearen Ambitionen Islamabads zu stoppen, bereits Mitte der 70er Jahre praktisch gescheitert waren. (8)

Mit welchen, auch illegalen Methoden sich insbesondere Pakistan schließlich den Weg zum Nuklearstatus bahnte – unter anderem durch Diebstahl von Konstruktionsunterlagen für Gaszentrifugen zur Urananreicherung in den Niederlanden und kriminelle internationale Technologiegeschäfte noch über die Jahrtausendwende hinweg (9) – ist „auserzählt“ und muss hier nicht wiederholt werden. (10) Auch die maßgebliche Schützenhilfe Chinas ist hinreichend dokumentiert.(11) Aber dass die ersten Kernwaffenträgersysteme Pakistans (Kampfbomber F-16/USA und wahrscheinlich auch Mirage/Frankreich) vollständig sowie nukleare Schlüsseltechnologien und -komponenten auch und überwiegend auf dem Wege ganz legaler Außenhandelsgeschäfte mit nahezu allen in diesem Kontext relevanten westlichen Industriestaaten ihren Weg nach Pakistan fanden, soll zumindest erwähnt werden. Unter diesen Partnern Islamabads in den 70er und 80er Jahren, die um Geschäfte, regionalen Einfluss, Parteigänger in internationalen Organisationen und anderes mehr hinter den Kulissen zum Teil heftig gegeneinander konkurrierten, findet sich neben Frankreich, Großbritannien, den USA, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden auch die Bundesrepublik. (12)

Die komplexen Prozesse für die Herstellung der Ausgangsstoffe für Sprengköpfe nach dem Wirkungsprinzip der Kernspaltung – hoch angereichertes Uran (HEU) sowie Plutonium – beherrschen Indien und Pakistan bereits seit langem, und beide Länder verfügen über komplette Produktionszyklen dafür. Spätestens seit entsprechenden unterirdischen Tests beider Seiten im Mai 1998 gehen Experten von der Verfügungsgewalt über einsatzfähige Sprengköpfe aus. Deren Anzahl wird von Hans Kristensen, Direktor des Nuclear Information Project der unabhängigen Federation of American Scientists und einer der bestinformiertesten Kenner der Materie, derzeit mit 90 bis 110 für Pakistan und 80 bis 100 für Indien angegeben (13), Tendenz: kontinuierlich steigend (14). Zu den ursprünglichen Trägersystemen beider Seiten (Kampfbomber) sind mittlerweile bodengestützte ballistische Raketen und Cruise Missiles (15) sowie möglicherweise weitere Typen an Kernwaffenträgern (16) hinzugekommen. Eine weitere qualitative Eskalation des indisch-pakistanischen nuklearen Wettrüstens ist im Gange. So will Indien im kommenden Jahr ein erstes nuklear getriebenes Träger-U-Boot für Atomraketen in Dienst stellen (17) und arbeitet an der Einführung von ballistischen Langstreckenraketen mit MIRV-Technologie, also Mehrfachsprengköpfen (18). Darüber hinaus verfügt Indien nach eigenen Aussagen bereits über erste funktionsfähige Raketenabwehrsysteme. (19)

Was das „atomare Denken“ in beiden Ländern anbetrifft, so erinnert manches davon an die ebenso inkompetente wie gefährliche Unbedarftheit, die insbesondere in der Frühphase des Kalten Krieges auch in West und Ost, nicht zuletzt in der Bundesrepublik (20), zu beobachten war. Um ein Beispiel zu geben – Mirza Aslem Beg, ehemals führender pakistanischer Militär im Generalsrang, äußerte: „Man kann beim Überqueren einer Straße umkommen oder man kommt in einem nuklearen Krieg ums Leben.“ (21) Und die Einlassung des früheren indischen Verteidigungsministers Georges Fernandes, dass Indien einen Nuklearangriff überleben könne, Pakistan aber nicht (22), zeugt von einem vergleichbaren intellektuellen Niveau.

Zusammenhänge

In der veröffentlichten Meinung der Mainstreammedien in der Bundesrepublik finden mit dem indisch-pakistanischen nuklearen Wettrüsten zusammenhängende Vorgänge und Entwicklungen allenfalls sporadisch Erwähnung. Das kann zwar kaum verwundern in einem politischen Umfeld, das – samt adäquater Medienberichterstattung – seit langem von selbstgenügsamer nationaler Nabelschau geprägt ist und von „Aufregern“ wie Euro-Krise, Hartz IV, Betreuungsgeld, Rente und Frauenquote dominiert wird. Diesen Themen ist, um nicht missverstanden zu werden, ihre Berechtigung keinesfalls abzusprechen, sie bilden aber ganz offensichtlich zugleich ein Hemmnis dafür, den Blick kontinuierlich und konsequent auch über den deutschen Tellerrand zu heben. Im Hinblick auf Südwestasien sprechen jedoch diverse Gründe – und am dringlichsten vielleicht die nachfolgend skizzierten – dafür, genau dies zu tun.

Zum einen verweisen Fachleute darauf, dass Indien und Pakistan bereits wiederholt in gefährlicher Nähe zum Einsatz von Kernwaffen gegeneinander standen (23); für die pakistanisch-indische Krise von 2002 vermerkte der Leiter der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik, Christian Wagner, dass „die Gefahr einer nuklearen Eskalation [...] erst durch diplomatische Interventionen der USA und Großbritanniens entschärft werden“ (24) konnte. Angesichts von insgesamt vier tatsächlichen und weiteren drei beinahe Kriegen sowie zahllosen militärischen Zusammenstößen zwischen beiden Staaten seit 1947 (25), muss auch für die überschaubare Zukunft mit der Wiederholung vergleichbarer Zuspitzungen, einschließlich der Möglichkeit eines Kernwaffeneinsatzes, ausgegangen werden – trotz seit 2003 zeitweise spürbar verbesserter beiderseitiger Beziehungen (26). Der Terroranschlag gegen das Taj-Mahal-Hotel in Mumbai im Jahre 2008, bei dem über 160 Menschen getötet wurden, hat gezeigt, dass jederzeit erneut scharfe Spannungen zwischen beiden Ländern ausbrechen können; als Drahtzieher hinter dem Anschlag vermuteten indische Regierungsstellen den Geheimdienst der pakistanischen Streitkräfte Inter-Services Intelligence (ISI). (27) – In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass in der ersten Hälfte der 80er Jahre die Stationierung von nuklearen amerikanischen Mittelstreckensysteme vom Typ Pershing II in der Bundesrepublik als besonders destabilisierend für das Verhältnis zwischen den USA und der UdSSR angesehen wurden, weil sie für den Spannungs- und Konfliktfall die Vorwarnzeiten für die Sowjetunion auf unter 10 Minuten verkürzten und damit das Risiko des Ausbruchs eines Nuklearkrieges stark erhöhten. Derart kurze Vorwarnzeiten sind aufgrund der geografischen Gegebenheiten zwischen Indien und Pakistan der „Normalzustand“. Wegen seiner geringen strategischen Tiefe im Vergleich zu Indien könnte sich, so Expertenauffassungen, Pakistan in einer entsprechenden Krisensituation oder bei Ausbruch eines Krieges im Hinblick auf seine Kernwaffen dem klassischen „Use-them-or-loose-them“-Dilemma gegenüber sehen und daher sehr rasch versucht sein, seine Atomwaffen einzusetzen – bevor diese unter Umständen sogar von den konventionellen Luftstreitkräften Indiens ausgeschaltet würden. Aus diesem Grund sind in Südwestasien auch die Gefahren durch Frühwarn-Fehler signifikant größer als früher zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Und nicht zuletzt sei auf den Sachverhalt verwiesen, dass Pakistan – im Unterschied zu Indien – den Ersteinsatz von Kernwaffen in Gestalt so genannter „asymmetrischer Eskalation“ (28) für den Fall eines sein Staatsgebiet existenziell bedrohenden Konfliktes ausdrücklich androht. Ein Experte des Belfer Centers for Science and International Affairs an der Havard University sprach treffend von einer „aggressiven Ersteinsatz- Haltung“ (29) Pakistans. Allerdings: Im Rahmen der nuklearer Abschreckungslogik, die dem strategischen Denken in beiden Staaten zugrunde liegt, wäre angesichts des militärischen Kräfteverhältnisses zwischen David, sprich: Pakistan, und Goliath, gleich: Indien, sowie der von Indien seit 2004 verfochtenen so genannten Cold-Start-Doktrin (30) eine andere pakistanische Grundposition auch „unlogisch“ beziehungsweise – für sich allein genommen – wenig glaubwürdig.

Hinzu kommt, dass die indisch-pakistanischen Nuklearpotentiale mittlerweile auf ein Niveau angewachsen sind, dass ein Atomkrieg zwischen beiden Ländern das Risiko globaler ökologischer Folgen – Stichwort: nuklearer Winter – in sich bergen würde, von dem auch Zentraleuropa nicht verschont bliebe. (31)

Zum dritten liefern das indisch-pakistanische Wettrüsten und vor allem die Behandlung desselben durch den Westen, China und Russland, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des fragilen NPT-Regimes (32), den Herrschenden in Teheran mehr als nur einen Vorwand zur Rechtfertigung für (im Falle des Falles) eigene militärische atomare Ambitionen. (Nur der Vollständigkeit halber sei hier hinzugefügt: Das gilt in noch stärkerem Maße für die politische Bigotterie der etablierten Atommächte im Zusammenhang mit Israel.)

Last, but not least macht ein Blick speziell auf die Atommacht Pakistan (33) deutlich, dass noch eine Reihe weiterer innerer wie auch internationaler Faktoren und Sachverhalte von sicherheitspolitischer Relevanz Anlass zur Besorgnis gibt.

„The Ally From Hell“ – im Epizentrum des globalen Dschihadismus

„Pakistan lügt. Es beherbergte Osama bin Laden (wissentlich oder nicht). Seine Regierung ist kaum funktionsfähig. Es hasst die benachbarte Demokratie. Es ist Heimstatt sowohl radikaler Dschihadisten als auch eines erheblichen und wachsenden Nuklearpotentials (und fürchtet, dass die USA es in Beschlag nehmen könnten). Sein Geheimdienst sponsert Terroristen, die amerikanische Truppen angreifen. Mit einem Freund wie diesem – wer braucht da Feinde?“ So das Fazit der in jüngerer Zeit umfangreichsten und vor allem vor Ort recherchierten Untersuchung zur Sicherheit der pakistanischen Kernwaffen. Das Gemeinschaftsprojekt der amerikanische Zeitschriften The Atlantik und National Journal, von den Autoren J. Goldberg und M. Ambinder mit dem bezeichneten Titel „The Ally From Hell – Der Verbündete aus der Hölle“ (34) versehen, wäre es wert, hierzulande außer (äußerst verknappt) vom Spiegel (35) auch von der Außen- und Sicherheitspolitik zur Kenntnis genommen zu werden.

Die Autoren verweisen darauf, dass Pakistan ein instabiles und gewalttätiges Land sei, das sich mitten im Epizentrum des globalen Dschihadismus befinde und das überdies etliche Jahre lang Nukleartechnologie an „Schurkenstaaten“ wie Iran und Nord-Korea geliefert habe. Auch an Lybien, wäre hier zu ergänzen, und an den Irak erging mindestens ein entsprechendes Angebot. (36) Zwar haben die pakistanischen Behörden, nachdem diese Aktivitäten international aufgeflogen waren, dafür einen der führenden Köpfe ihres nationalen Nuklearprogramms, Abdul Qadeer Khan, spiritus rector beim Aufbau der Urananreicherungskapazitäten des Landes und damit einer der Väter der pakistanischen Bombe, quasi allein verantwortlich gemacht – er habe illegale nukleare Schwarzmarktgeschäfte betrieben – und ihn zeitweise unter Hausarrest gestellt, aber Kenner Pakistans und seiner Strukturen bezweifeln nachdrücklich, dass dergleichen Aktivitäten ohne Rückendeckung des Militärs und des ISI möglich gewesen wären. Vor diesem Hintergrund schließen amerikanische Experten vergleichbare Verhaltensweisen auch für die Zukunft nicht aus. (37) Nicht zuletzt hat es in der Vergangenheit auch Kontakte zwischen maßgeblichen Repräsentanten des pakistanischen Nuklearprogramms und Al-Qaida beziehungsweise Osama bin Laden direkt gegeben. (38)

Dass die Stabilität des pakistanischen Staatsgefüges eine sehr fragile ist, dazu tragen eine ganze Reihe von Faktoren unterschiedlicher Gewichtung bei. Pakistanische Regierung und Verwaltung zählen zu den korruptesten der Welt. Die soziale Lage ist davon geprägt, dass 60 Prozent der Bevölkerung mit einem Einkommensäquivalent von weniger als zwei US-Dollar pro Tag überleben müssen. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden – nicht zuletzt auch infolge regelmäßig wiederkehrender Naturkatastrophen verheerenden Ausmaßes (39). Die landesweite Arbeitslosigkeit beträgt über 30 Prozent, die jährliche Inflationsrate bis zu 15 Prozent. Etwa ein Viertel des Staatshaushaltes wird für militärische Zwecke inklusive des Nuklearprogramms aufgewendet.

Eine parlamentarisch-demokratische Kultur nach westlichem Muster existiert in Pakistan nicht. Zwar gibt es eine formal demokratische Struktur und Wahlen, aber in den vergangenen Jahrzehnten wurden zivile Regierungen wiederholt weggeputscht oder mussten wegen Korruption zurücktreten. Als seit dem ersten Militärputsch von 1958 einziger konstanter innen- wie außenpolitischer Machtfaktor – und oft genug als Totengräber aufkeimender zivilgesellschaftlicher Versuche – hat sich das Militär samt ISI erwiesen, das heute zugleich einer der maßgeblichen Wirtschaftsfaktoren im Lande ist. „In den vergangenen 60 Jahren“, so der pakistanische Oppositionelle Rahat Saeed, „haben Militär und Geheimdienst alle demokratischen Institutionen und alle Volksorganisationen zerstört. Es gibt keine Partei und keine Zeitung in Pakistan, die nicht von Geheimdienstleuten durchsetzt wäre.“ (40) Seitens Militär und Geheimdienst gehören Repressionen und Terror gegen oppositionelle Kräfte bis hin zum politischen Mord auch an Führungspersönlichkeiten des Landes zum pakistanischen Alltag.

Ethnische Konflikte tun ein Übriges. 27 Millionen Pakistani (gleich 15 Prozent der Landesbevölkerung) sind Paschtunen, und weitere zwölf Millionen Angehörige dieses Volksstamms leben in Afghanistan; beide Bereiche bilden ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet, und paschtunische Bestrebungen, einen eigenen Staat zu bilden, reichen Jahrzehnte zurück. Wie der gesamte Grenzverlauf zwischen Pakistan und Afghanistan wird auch derjenige in den paschtunischen Regionen seit 1893 durch die fast 2.500 Kilometer lange so genannte Durand-Linie markiert, die auf das britische Kolonialregime auf dem Indischen Subkontinent zurückgeht. Dieser Grenzverlauf ist aber völkerrechtlich bislang nicht endgültig geregelt worden. Die Paschtunen bilden heute die ethnische Basis der pakistanischen Taliban, die gegen die Zentralmacht in Islamabad agieren und „eine Talibanisierung Pakistans anstreben“ (41). Sie werden von den Streitkräften des Landes erbittert bekämpft.

Auftrieb haben die einheimischen Rebellen über die Jahre nicht zuletzt dadurch erhalten, dass die Zentralmacht den afghanischen Taliban neben Waffen- und Finanzhilfe (42) vor allem Basen und Rückzugsräume in pakistanischen Grenzgebieten einräumte, auch in Stammesgebieten der Paschtunen, was deren Konflikt mit der Zentralmacht zusätzlich anheizte. (43)

Zwar befürchten Experten einen vollständigen Kollaps der pakistanischen Zentralmacht derzeit nicht unmittelbar, „aber“, so S. P. Cohen von der Brookings Institution, „die Trends [...] sind komplett negativ“ (44). Und Goldberg / Ambinder konstatieren mit kaum zu überbietendem Understatement, es sei „vollständig vernünftig zu glauben, dass Pakistan nicht der sicherste Platz auf Erden ist, 100 oder mehr Kernwaffen zu beherbergen“ (45).

„Vor diesem Hintergrund“, so resümierte Christian Wagner zutreffend, „wird die Diskussion über das pakistanische Nuklearprogramm heute nicht mehr vom indisch-pakistanischen Konflikt, sondern von der Gefahr des Staatszerfalls oder einer Machtübernahme durch islamistische Gruppen bestimmt.“ (46) Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass der indisch-pakistanische Konflikt unverändert die Rolle eines Treibriemens für das zunehmende nukleare Wettrüsten auf dem indischen Subkontinent spielt.

Wie sicher sind die Kernwaffen Pakistans?

US-Präsident Barack Obama erklärte 2009 in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Newsweek: „Wir haben Vertrauen, dass Pakistans Nukleararsenal sicher ist.“ (47) Diese Botschaft ist das Mantra, das sich seit Jahren durch alle offiziellen Aussagen Washingtons zu diesem Thema zieht. Mit der Faktenlage sind dergleichen Aussagen allerdings nicht zur Deckung zu bringen.

Das militärische Nuklearprogramm Pakistans wird seit Jahrzehnten unter strengster Geheimhaltung und strikter Trennung von zivilen atomaren Aktivitäten, die Kontrollen durch die IAEA unterliegen, realisiert. Die Geheimhaltung geht soweit, dass den USA, die nach 9/11 circa 100 Millionen US-Dollar für Maßnahmen zur Verbesserung der Lagerungs- und Stationierungssicherheit der pakistanischen Kernwaffen zur Verfügung stellten, nicht gestattet wurde zu überprüfen, wie diese Mittel verwendet worden sind. (48) Über den definitiven Stand der pakistanischen Nuklearrüstung sowie laufende Projekte und künftige Vorhaben gibt es keinerlei offizielle oder gar verifizierbare Verlautbarungen Islamabads. Die Primärquellenlage ist ausgesprochen dürftig. Das betrifft auch die pakistanischen Sicherheitsvorkehrungen. Dazu resümierte Hans Kristensen: „Wie genau Pakistan seine Kernwaffen schützt und über welche Art ,Einsatzkontroll’-Komponenten diese Waffen verfügen, ist unklar.“ (49) Das muss zum allgemeinen Kontext der nachfolgenden Ausführungen vorausgeschickt werden.

Westliche Experten nehmen an, dass Pakistan gegenwärtig, also „in Friedenszeiten“, keine Kernwaffen in permanenter Einsatzbereitschaft hält und nicht nur Trägersysteme sowie Sprengköpfe separat voneinander lagert, sondern auch die Komponenten der Sprengsätze selbst (Atomladung, Zündmechanismus). Damit soll ein präventives oder gar präemptives Ausschalten der pakistanischen atomaren Systeme durch ausländische Mächte ebenso verhindert werden wie ihr unautorisierter Einsatz oder andere Zwischenfälle, einschließlich Diebstahl einsatzfähiger Waffen. (50) Diese Annahme erscheint nicht zuletzt deswegen plausibel, weil zugleich davon ausgegangen wird, dass das Land nicht über moderne elektronische Einsatzsperren für seine Sprengköpfe, so genannte Permissive Action Links (PALs) und Environment Sensing Devices (ESDs), verfügt, mittels derer die USA ihre einsatzbereiten Systeme gegen unautorisierte Auslösung nuklearer Explosionen schützen. (51) Pakistanische Aussagen zu diesen Fragen gibt es nahezu nicht – und wo doch, tragen sie nicht zur weiteren Aufhellung bei. (52)

Insgesamt sollen die pakistanischen Kernwaffen und zugehörige Komponenten auf mindestens 15 Militärbasen und andere Einrichtungen (53) im Lande verteilt sein – möglicherweise inklusive einer Basis nur wenige Meilen von Abottabad entfernt, wo nicht nur Osama bin Laden seinen Unterschlupf hatte, sondern auch viele Angehörige der dschihadistischen Harakat-ul-Mujahideen beheimatet sind, die heute vornehmlich in Kashmir operieren.

Im Hinblick auf die Sicherheit der pakistanischen Kernwaffen vor nichtautorisierten Zugriffen konstatieren Experten eine Reihe gravierender Risiken und Gefahren. Für Graham Allison vom Belfer Center steht der terroristische Diebstahl einer Kernwaffe für einen Anschlag auf eine Großstadt wie New York an erster Stelle im Ranking möglicher Horrorszenarien – gefolgt vom „Transfer einer Kernwaffe in einen Staat wie Iran“ und „der Übernahme von Kernwaffen durch eine terroristische Gruppe in einer Zeit der Instabilität oder des Staatszerfalls“ (54). Der pakistanische Kernphysiker und Verteidigungsfachmann P. Hoodbhoy verweist darüber hinaus auf die Bedrohung, die von „islamistischen Elementen in der Armee, die mit der Bewachung oder dem Betrieb von Atomanlagen betraut sind“ (55), ausgeht sowie vom möglichen Zusammenwirken solcher Elemente mit militanten Oppositionsgruppen im Lande (56). An die erste Stelle setzt er aus pakistanischer Sicht allerdings ein völlig anderes Szenarium – einen „Angriff [...] durch die Vereinigten Staaten“ (57).

Werfen wir aber zunächst – und nun unter dem Aspekt der Sicherheit der pakistanischen Kernwaffen – einen weiteren Blick auf die innere Situation des Landes. Dort kommt es seit Jahren immer wieder zu Angriffen bewaffneter Aufständischer auf Stützpunkte und Einrichtungen des Militärs. 2011 drangen derartige Kräfte in eine größere Marinebasis nahe Karachi ein und zerstörten zwei Fernaufklärungsflugzeuge vom Typ P-3C Orion; die Sicherheitskräfte benötigten 15 Stunden, um Herr der Lage zu werden; bei nachfolgenden Untersuchungen ergab sich der Verdacht, dass die Aufständischen Unterstützung von innerhalb der Basis erhalten hätten. Bis Ende 2011 waren bei derartigen Attacken auch bereits mindestens sechs militärische Einrichtungen, die mit dem pakistanischen Nuklearprogramm assoziiert werden, angegriffen worden. (58) 2012 gab es erneut Zwischenfälle dieser Art. (59)

Offizielle und offiziöse pakistanische Verlautbarungen, dass die Streitkräfte selbst frei von Beeinflussung durch militante Islamisten seien und es schon gar keine Sympathisanten in den Reihen des Militärs gebe – hingewiesen wird dabei unter anderem auf die unterschiedliche ethnische Herkunft der militanten einheimischen Taliban (Paschtunen) und der Mehrzahl der Angehörigen der Streitkräfte (Punjabis) – entsprechen allerdings insofern nicht der Realität, als auch schon Offiziere wegen Kontakten zu verbotenen extremistischen Organisationen arrestiert worden sind. (60)

Pakistanischerseits werden alle westlichen Bedenken im Hinblick auf die Sicherheit des Nuklearpotentials des Landes seit Jahren pauschal zurückgewiesen (61), und trotz der hier skizzierten Sachverhalte hat die pakistanische Militärführung immer wieder behauptet, die Probleme im Griff zu haben. Pakistanische Repräsentanten wie Ex-Armeeschef und -Präsident P. Musharraf wiegeln ab: „Ich denke, es wird überbewertet, dass die Waffen in schlechte Hände geraten könnten.“ (62) Die pakistanischen Taliban ihrerseits ließen im Mai 2011 einen Sprecher erklären, dass sie nicht die Absicht hätten, das pakistanische Kernwaffenarsenal anzugreifen, und begründete dies damit, dass „Pakistan die einzige muslimische Atommacht“ sei und man an diesem Status nichts ändern wolle. Abgesehen davon, dass eine derartige Einlassung kaum beruhigen kann, weil sie jederzeit revidierbar ist, lag die eigentliche Botschaft in der anschließenden rhetorischen Frage des Sprechers, ob es nicht eine Schande sei, „die islamische Bombe zu haben und trotzdem vor dem Druck Amerikas in die Knie zu gehen“ (63). Nicht zuletzt gibt es militante Führer der Taliban, die die pakistanische Bombe „für den Islam einfordern“ (64).

Vor diesem Hintergrund kam der Direktor des Terrorism Analysis Project der Federation of American Scientists, Charles P. Blaire, in einer umfangreichen Untersuchung im Jahre 2011 zu dem eindeutigen Fazit: „Die größte Gefahr für Pakistans nukleare Infrastruktur geht von Dschihadisten sowohl innerhalb Pakistans als auch Süd- und Zentralasiens im Allgemeinen aus.“ (65)

Entwaffnung durch den Hauptverbündeten?

Mag auch dahingestellt bleiben, ob die pakistanische Militärführung tatsächlich davon überzeugt ist, dass sie mit ihren militanten, vor allem paschtunischen Gegnern im Inneren auf Dauer fertig werden kann, oder ob es sich bei diesbezüglichen Äußerungen nicht eher um „Pfeifen im dunklen Keller“ handelt, so ist eine andere Befürchtung Islamabads allenthalben evident – nämlich davor, dass sich die Vereinigten Staaten der pakistanischen Kernwaffen bemächtigen könnten. Das Stichwort dafür lautet „emergency nuclear-disablement operation“ (66) und meint ein Unternehmen, um Pakistan gegebenenfalls nuklear kampfunfähig zu machen.

Der Hintergrund: Die zuständigen Stellen in Washington stochern im Hinblick auf potenzielle oder tatsächliche Gefährdungen der pakistanischen Kernwaffen seit Jahren im Nebel (67). Und weil diesen Gefährdungen durch Washington spätestens seit 9/11 eine dschihadistische Komponente beigemessen wird, werden sie primär als Gefährdung der USA selbst gesehen. „Diese Problematik bleibt eine der höchsten Prioritäten der US-Geheimdienstgemeide [...] und des Weißen Hauses.“ (68) Daher ist offenbar ein ganzes Spektrum möglicher Ein- und Angriffsoptionen entwickelt worden. Die Szenarien reichen von Kommandoaktionen diverser Spezialkräfte wie Navy SEALS und Delta Force, um einzelner oder weniger pakistanischer Kernwaffen habhaft zu werden –„Abottabad redux“ (69) –, bis dahin, „das gesamte pakistanische Arsenal im Fall eines dschihadistischen Coups“ auszuschalten, indem „so viele Waffen wie möglich“ unbrauchbar gemacht und „soviel spaltbares Material wie möglich“ gesichert werden; der Rest soll durch „präzise Raketenangriffe auf nukleare Bunker“ vernichtet werden. (70) Allerdings wissen auch amerikanische Verantwortungsträger, dass speziell das letztgenannte Szenario an einem derzeit unaufhebbaren Unsicherheitsfaktor krankt: „Wer immer Ihnen erzählt, dass man wisse, wo alle pakistanischen Sprengköpfe sich befinden, der belügt sie.“ (71) Im Übrigen ist nicht einmal die exakte Anzahl der Gefechtsköpfe zu einem gegebenen Zeitpunkt mit hinreichender Sicherheit bekannt. (72)

Insgesamt haben diese amerikanischen Überlegungen und Planungen beziehungsweise das, was darüber in den Medien berichtet wurde, und die Aktion in Abottabad (73) dem seit Jahren vorhandenen prinzipiellen Misstrauen Islamabads gegenüber Washington und der Überzeugung, dass Pakistans „nukleare Infrastruktur ebenso sehr vor Verbündeten (Hervorhebung – W. S.) wie vor feindlichen Gruppen geschützt werden muss“ (74), weiteren Auftrieb gegeben. Daran änderte auch ein öffentliches persönliches Dementi Obamas im April 2010 nichts. (75). Auf pakistanischer Seite wurde vielmehr seitens der Strategic Plans Divison (SPD) – der für die Sicherheit der pakistanischen Kernwaffen zuständigen Behör – zu Präventionsmaßnahmen gegriffen, die in ihrer paranoiden Bizarrheit einzigartig sein dürften. Dazu Goldberg/Ambinder: „Eine Methode, deren sich die SPD bedient, um die Sicherheit ihrer Kernwaffen zu gewährleisten, besteht darin, sie unter den 15 oder mehr zugehörigen Einrichtungen hin und her zu bewegen.“ Kernwaffenkomponenten würden dabei sowohl mit Hubschraubern transportiert, als auch auf der Straße. Aber „anstatt nukleares Material in bewaffneten, gut verteidigten Konvois zu verlegen, bevorzugt die SPD die Verlegung mittels [...] ziviler Fahrzeuge ohne erkennbare Verteidigungsmaßnahmen, im regulären Verkehrsfluss“ (76), um die Lokalisation der Transporte soweit wie möglich zu erschweren. Und nach einer US-Geheimdienstquelle wird diese „low-security method“ (Methode mit niedrigem Sicherheitsstandard) mittlerweile nicht mehr nur angewendet, um Sprengkopfkomponenten durch das Land zu fahren, sondern auch „,mated’ nuclear weapons“ (zusammengesetzte Waffen). (77)

Dem Fazit von Goldberg/Ambinder ist kaum zu widersprechen: „[...] Pakistans Regierung ist bereit, ihre nuklearen Waffen verwundbarer gegen Diebstahl durch Dschihadisten zu machen, bloß um sie vor den Vereinigten Staaten zu verbergen, vor dem Land, das einen große Teil ihres Militärbudgets finanziert“ (78). Dazu passt eine pakistanische Warnung an die Adresse der USA wie die folgende: „Jeder Fehltritt gegen ein nervöses nuklear bewaffnetes Land wäre ein größerer Fehler als jeder von denen, die im Irak gemacht wurden.“ (79)

Exkurs: Strategisches Denken in Islamabad und Eskalationsprävention

Der zentrale Begriff im strategischen Denken der pakistanischen Militärführung ist ein alter Bekannter aus den Jahrzehnten der Ost-West-Konfrontation und des Kalten Krieges: Abschreckung. Der geostrategische Gegner Indien wird als konventionell deutlich überlegener Feind wahrgenommen, der noch dazu über eine enorme strategische Tiefe verfügt. Vor dem Hintergrund der nicht aufhebbaren wirtschaftlichen, militärischen, demografischen und territorialen Disparitäten zwischen beiden Ländern erscheint ein Streben Pakistans nach einem gleichgewichtigen militärischen Kräfteverhältnis aussichtslos. Der Schlüssel zur Auflösung dieses sicherheitspolitischen Dilemmas wird im eigenen Nuklearpotenzial gesehen: „Islamabad glaubt an die Theorie der ,Abschreckung des Starken durch den Schwachen’“ (80). Mit einem „Minimum“ an Kernwaffen – das Prinzip der so genannten „minimum deterrence“ wurde von Pakistan 1999 erstmals öffentlich verkündet (81) – soll dem Gegner ein unakzeptabler Schaden angedroht werden, um ihn vor dem Ausspielen seiner Überlegenheit zum Zwecke der politischen Nötigung oder in einem militärischen Überfall abzuschrecken. Um dieser Androhung Glaubhaftigkeit zu verleihen, müssen die Abschreckungsmittel nach pakistanischer Auffassung qualitativ und quantitativ so ausgelegt sein, dass ein Gegenschlag auch nach einem (indischen) Erstschlag zur Ausschaltung der pakistanischen Kernwaffen möglich wäre. (82)

Diese Konzeption erscheint vom Grundsatz her zwar defensiv, hat aber eine gravierende negative Konsequenz: Sie gibt die perfekte Grundlage für ein dauerhaftes atomares Wettrüsten in Südwestasien ab. Mit jedem neuen Rüstungsschritt Indiens, das sich seinerseits in diesem Bereich nicht primär an Pakistan, sondern am potenzialmäßig „weit vorn“ liegenden China orientiert, muss Pakistan sich die Frage neu stellen, ob dem Gegner ein unakzeptabler Schaden noch glaubhaft angedroht werden kann, und jede Unsicherheit in dieser Frage, deren Bewertung durch indische Geheimhaltung erschwert und durch subjektive Faktoren wie Fehlwahrnehmungen oder hypertrophes Inferioritätsempfinden auf pakistanischer Seite gegebenenfalls noch zusätzlich verzerrt wird, muss zwangsläufig zu „Nachrüstungsschritten“ führen. Zwischen beiden Seiten findet daher bereits seit Jahren in kleinerem Maßstab genau jenes Aufschaukeln statt, wie es auch während des sowjetisch-amerikanischen nuklearen Wettrüstens zu beobachten war. Weder Indien noch Pakistan lassen sich von dessen historischer Lehre, dass Siegfähigkeit zwischen nuklearen Gegnern nicht zu erreichen ist, in erkennbarer Weise beeinflussen.

Darüber hinaus kann auch „defensives“ atomares Abschreckungsdenken durchaus zu gefährlichen Fehlkalkulationen verleiten, wie etwa der Annahme, dass Pakistan, weil und während eine massive konventionelle Vergeltung Indiens nuklear abgeschreckt würde, fortfahren könne, die Aufständischen in Kashimir ungestraft zu unterstützen. „Diese Fehlannahme führte zum desaströsen Kargil-Abenteuer“ (83), einem jener militärischen Zusammenstöße mit Indien (84), die das Risiko einer nuklearen Eskalation in sich bargen.

Die Gefahr des unbeabsichtigten Hinübergleitens einer militärischen Konfrontation in einen atomaren Schlagabtausch ist beiden Seiten im Übrigen durchaus bewusst, was zur Herausbildung eines Interesses an bilateralen Sicherheitsvorkehrungen mit Indien gegen einen solchen Fall und auch zu praktischen Schritten in diese Richtung geführt hat – in Gestalt, so der pakistanische Botschafter bei der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen, Zamir Akram, „effektiver, verlässlicher vertrauensbildender Systeme und Maßnahmen“ (85). In seiner Aufzählung verwies der Botschafter vor allem auf die Existenz eines „heißen Drahtes“ zwischen Islamabad und Neu-Delhi, einer telefonischen Direktverbindung zwischen den Führungen beider Staaten (86) – vergleichbar jener, die nach der Kuba-Krise von 1962 zwischen Moskau und Washington installiert worden war. Der Diplomat räumte allerdings zugleich ein: „Bisweilen haben sich Situationen ergeben, in denen der heiße Draht nicht benutzt worden ist. (87) Akram nannte darüber hinaus die gegenseitige Vorankündigung von Raketentests. (88) Nicht zuletzt sind die Probleme nuklearer Eskalationsprävention Mitte des vergangenen Jahrzehnts im Rahmen des South Asia Strategic Stability Institutes von pakistanischen und indischen Experten gemeinsam diskutiert worden. (89)

Als eine im weitesten Sinne ebenfalls vertrauensbildende Maßnahme kann auch das zwischen beiden Seiten bereits mehr als 20 Jahre bestehende Übereinkommen betrachtet werden, keine gegenseitigen militärischen Angriffe auf nukleare Einrichtungen zu führen; zur „Materialisierung“ dieses Agreements tauschen die Gegner regelmäßig aktualisierte Listen ihrer entsprechenden Einrichtungen aus.(90)

Rüstungsbegrenzung? Abrüstung? – Trübe Aussichten

Aus einer ganzen Reihe von Gründen bestehen auf absehbare Zeit keine realen Aussichten, das indisch-pakistanische Wettrüsten durch Rüstungskontrolle beziehungsweise -begrenzung zu stoppen oder zumindest einzudämmen und einen Prozess der Abrüstung in Gang zu setzen. Ein bilateraler Ansatz wäre überdies aller Wahrscheinlichkeit nach grundsätzlich illusionär, da für Indien bei seiner Nuklearrüstung die übergeordnete Bezugsgröße nie Pakistan war oder ist, sondern China.

Als hemmende, negative Konstante in diesem Kontext wirkt vor allem auch das seit Jahren extrem schlechte Verhältnis zwischen Islamabad und Washington, das von Beobachtern als „schwelender Krieg“ (91) apostrophiert wird. Dazu tragen neben den in diesem Beitrag bereits angesprochenen Ursachen vor allem die fortgesetzten Terrorangriffe unbemannter amerikanischer Drohnen gegen Ziele auf pakistanischem Staatsgebiet bei, die nicht nur völkerrechtswidrig sind, sondern bei denen auch immer wieder Zivilisten zu Tode kommen. (92) Das US-Militär hat seinerseits den pakistanischen Geheimdienst ISI bereits vor Jahren in internen Einschätzungen mit Al-Qaida und anderen terroristischen Organisationen auf eine Stufe gestellt (93), ohne dass allerdings die finanziellen Transfers nach Pakistan oder auch nur an den Dienst selbst grundsätzlich gestoppt worden wären: „[...] die USA finanzieren den ISI; der ISI finanziert das Haqqani-Netzwerk, und das Haqqani-Netzwerk tötet amerikanische Soldaten.“ (94) Das klingt und das ist – schizophren. Aber: Es gibt auf beiden Seiten offenbar nachhaltig wirkende Gründe und beiderseitige Abhängigkeiten, die Washington und Islamabad trotz alledem angeraten sein lassen, die Fiktion eines bilateralen Bündnisses offiziell aufrechtzuerhalten. (95) Beide Seiten haben sich daher entschieden, sich „die Lügen zu glauben, die sie sich gegenseitig erzählen“ (96). Der schwelende Krieg zwischen beiden Ländern wird sich daher – der Ausnahmefall könnte ein dschihadistischer Staatsstreich in Pakistan sein – auch künftig auf einer Schwelle unterhalb des offenen Konfliktes oder auch nur des Abbruchs der Beziehungen bewegen. Gleichwohl tendieren die Möglichkeiten der USA, auf Pakistan im Sinne nuklearer Rüstungsbegrenzung und Abrüstung einzuwirken, gegen Null – auch deswegen, weil das amerikanisch-pakistanische Verhältnis mit weiteren und ihrerseits für Pakistan strategisch gewichtigeren hemmenden Faktoren im Zusammenhang steht.

Der entscheidendste Punkt besteht dabei darin, dass die USA vor dem Hintergrund der Beendigung des Kalten Krieges und der früheren Konfrontation mit Russland sowie des rasanten wirtschaftlichen und militärischen Aufschwungs Chinas seit einer Reihe von Jahren als geostrategischen Hauptverbündeten in Südasien nicht mehr Pakistan betrachten: Diese Rolle wird heute Indien zugeschrieben, das als dauerhaf ter Partner für eine Allianz gegen China gewonnen werden soll. (97) Im Zusammenhang damit hat die Administration von Bush junior im Jahre 2007 mit Indien ein Abkommen über atomare Zusammenarbeit abgeschlossen, das so genannte 123-Abkommen (98), – mit anschließender Außerkraftsetzung der internationalen Embargoregeln im Rahmen der so genannten Nuclear Supplier Group / NSG, die Lieferungen von nuklearen Technologien, Ausrüstungen und insbesondere von spaltbarem Material an Staaten, die nicht dem Kernwaffensperrvertrag angehören, untersagen. (99) Pakistans Nachbarstaat wurde damit die Absolution vom Makel einer illegalen Atommacht erteilt, und zugleich erhielt Indien Zugang zum internationalen Nuklearhandel, vor allem zum Bezug von Kernbrennstoff. Abkommen über nukleare Kooperation konnte Neu-Delhi im Zuge dieser Entwicklung außer mit den USA auch mit den NSG-Staaten Russland, Frankreich, Großbritannien und Kanada abschließen (100); nicht zuletzt die Bundesrepublik unterstützte diese Entwicklung aktiv (101). Indien musste sich im Gegenzug lediglich verpflichten, im Ausland erworbenen Kernbrennstoff nicht für militärische Zwecke zu nutzen und dies durch die IAEA kontrollieren zu lassen; eine adäquate Verpflichtung im Hinblick auf die nationalen Brennstoffressourcen des Landes wurde nicht eingefordert.

Direkten Auftrieb erhielt das nukleare Wettrüsten in Südwestasien durch diese Entwicklung vor allem deswegen, weil Indien damit in die Lage versetzt wurde, „nicht länger zwischen ziviler und militärischer Nutzung [seines nationalen spaltbaren Materials – Anmerkung W. S.] abwägen“ (102) zu müssen. Das vergleichsweise knappe einheimisches Uran wurde frei für Waffenzwecke. (103) Experten schätzen, dass Indien dadurch in der Lage ist, jährlich zusätzliche zwölf Kernsprengköpfe auf HEU-Basis oder 75 auf Plutonium-Basis herzustellen (104).

Die pakistanische Sicht auf diese Entwicklungen brachte Z. Akram dahingehend auf den Punkt, dass das 123-Abkommen und insbesondere die Verhaltensweise der NSG „game changer“ (105) seien, weil sie Indien „freie Hand zur Verstärkung seiner Waffenkapazitäten“ geben (106), „die Gültigkeit und Unverletzlichkeit des NPT“ unterminierten und „die Sicherheit in Südasien weiter“ destabilisierten (107). Diese Vorwürfe sind berechtigt. Die USA und die NSG haben damit erneut einen und auf längere Sicht unter Umständen den finalen Nagel in den Sarg des bereits stark geschwächten internationalen NPT-Regimes geschlagen.

Vor diesem Hintergrund hält Pakistan im Rahmen der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen an seiner Blockade der Initiative der USA und anderer Staaten fest, internationale Verhandlungen über ein weltweites Verbot der Herstellung von Spaltmaterial für Kernwaffen (Fissile Material Cut-off Treaty – FMCT) aufzunehmen: Man läge in der Herstellung derartigen Materials hinter Indien zurück und könne daher einem Produktionsstopp nicht zustimmen, solange diese Lücke nicht geschlossen sei. (108) Falls Pakistan allerdings von der NSG ein Status eingeräumt würde wie jetzt Indien, dann sei das Land zu FMCT-Verhandlungen bereit. (109) Allerdings wäre auch die Aufnahme derartiger Verhandlungen keineswegs ein Garant für eine Lösung des Problems, denn nach Auffassung der USA und anderer Kernwaffenmächte soll lediglich über einen Stopp der aktuellen Produktion waffenfähigen Nuklearmaterials verhandelt werden. Die vorhandenen (mindestens im Falle der Vereinigten Staaten und Russlands gigantischen) Bestände sollen nicht Gegenstand sein. Das ist eine Steilvorlage für jedes Land, das eine entsprechende Vereinbarung auch dann blockieren will, wenn es der Aufnahme von Verhandlungen darüber (pro forma) zugestimmt hat. Pakistan hat jedenfalls bereits mehrfach jede künftige Benachteiligung abgelehnt. (110)

Befeuernde Wirkungen für den nuklearen Rüstungswettlauf in Südwestasien gehen darüber hinaus auch noch von weiteren Faktoren aus:
  • Pakistan hat seine frühere strategische Bedeutung gegenüber Indien auch für China inzwischen eingebüßt. (111) Zwischen Peking und Neu-Delhi stehen die Signale seit Jahren eher auf Entspannung denn auf Konfrontation. In der Konsequenz dieser Entwicklung geht Islamabad davon aus, dass es bei künftigen Konflikten mit Indien auch seitens China noch weniger als in früheren auf Unterstützung rechnen kann.
  • Außer der Ungleichbehandlung durch die NSG sieht sich Islamabad mit weiteren „unfreundlichen“ internationalen Akten konfrontiert, die aus pakistanischer Sicht dem indischen Streben nach nuklearer Überlegenheit Hilfestellung leisten. So hat Russland Indien ein nukleargetriebenes Jagd-U-Boot auf Leasing-Basis überlassen, auf dem die Inder inzwischen Personal für künftige eigene Raketen-U-Boote trainieren. (112)
  • Nicht zuletzt kommt auch dem psychologischen Faktor nicht zu unterschätzende Bedeutung zu: „In einem Land, das auf den Gebieten Innovation, Wissenschaft und Ausbildung nur mäßig erfolgreich ist (vor allem im Vergleich zu seinem Rivalen Indien), spielt das pakistanische Nuklearprogramm eine übergroße Rolle bei der Herausbildung nationalen Selbstbewusstseins.“ (113)
Die Ampel für nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung in Südwestasien steht daher seit langem und für die überschaubare Zukunft auf Rot. Da zugleich keine Lösung für den Streit zwischen Indien und Pakistan um Kashmir sowie für andere, zum Teil kriegerische innerstaatliche wie internationale Konflikte im regionalen Umfeld des nuklearen Wettrüstens zwischen Islamabad und Neu-Delhi absehbar ist, kann einer Einschätzung, wie sie Toby Dalton, stellvertretender Direktor des Nuclear Policy Program der Carnegie Stiftung und früherer Repräsentant des (für Nuklearrüstung zuständigen) US-Energieministeriums in Islamabad, getroffen hat, nur zugestimmt werden: „Südasien bleibt die gefährlichste Zone nuklearer Konfrontation in der Welt [...].“ (114)

Nachbemerkung

„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.“


So ließ Goethe im „Faust. Der Tragödie erster Teil“ den deutschen Philister sprechen.

Von Zentraleuropa aus gesehen mag Südwest-Asien ziemlich in der Ferne scheinen, von seinen geostrategischen Implikationen her liegt es aber alles andere als „ [...] hinten, weit, in der Türkei“. Dies zu ignorieren, ist höchst fahrlässig. Ein schon etwas zurückliegendes Statement von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat in diesem Kontext nichts von seiner beunruhigenden Berechtigung eingebüßt: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Angst vor Atomwaffen inzwischen auf null gesunken ist.“ (115) Schmidt hatte dabei nicht die sprichwörtliche lähmende, schockstarre Angst des Kaninchens vor der Schlange im Auge – sondern jene, die die Menschen hierzulande vor Jahrzehnten zu Hunderttausenden gegen die Pershing-II-Stationierung auf die Straßen und Plätze trieb. Etwas Angst in dieser Art wäre auch heute nicht von Schaden. Dann würden vielleicht manche Zeitgenossin und mancher Zeitgenosse ihrem oder seiner Bundestagsabgeordneten hin und wieder etwas „Beine machen“, über Nebeneinkünften und ähnlich drängenden Fragen die hier dargelegten nicht gänzlich aus dem Auge zu verlieren ...

Quellenangaben / Anmerkungen

(1) - Zu Details siehe u. a. Nuclear Threat Initiative (NTI): India Nuclear Chronology – www.nti.org/analysis/articles/india-nuclear-chronology; NTI: India Missile Chronology – www.nti.org/media/pdfs/india_missile_3.pdf?_=1339452308 sowie NTI: Pakistan Nuclear Chronology – www.nti.org/analysis/articles/pakistan-nuclear-chronology; NTI: Pakistan Missile Chronology – www.nti.org/analysis/articles/pakistan-missile-chronology.

(2) - Das betrifft zuvorderst den Sachverhalt, dass die Bundesrepublik bereits seit ihrem Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag im Jahre 1969 den Prototyp eines Mitgliedsstaates abgibt, der permanent gegen Buchstaben und Geist dieses Abkommens verstößt – durch die so genannte nukleare Teilhabe innerhalb der NATO. Dieser Begriff meint die Bereitstellung von Trägersystemen der Bundeswehr (heute: Kampfbomber Tornado) für den Einsatz amerikanischer Nuklearsprengköpfe (heute: Bomben vom Typ B-61) sowie die Mitwirkung in der so genannten Nuklearen Planungsgruppe der NATO. Konkret wird damit gegen Art. II des NPT verstoßen, in dem es unter anderem heißt: „Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen [...].“ (Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen – www.auswaertiges- amt.de/cae/servlet/contentblob/349442/publicationFile/4149/NVV.pdf.)
Das außenpolitische Bekenntnis der Bundesregierung zum Ziel der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen ist dadurch nur von begrenztem internationalen Wert und insbesondere nicht geeignet, politischen Druck auf Staaten wie Indien und Pakistan auszuüben, Abstand von ihren nuklearen Rüstungen zu nehmen. Damit passt die Bundesrepublik allerdings bestens zum „Club der nuklearen Heuchler“, als der die Gruppe der fünf „offiziellen“ Atommächte einmal treffend in einem Beitrag von Erhard Haubold in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (06.06.1998) bezeichnet worden ist. Diese Staaten sind ja ihrer nuklearen Abrüstungsverpflichtung nach Art. VI des Atomwaffensperrvertrages bisher nur teilweise und inkonsequent (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien) oder gar nicht (China) nachgekommen. (Zur kritischen Bewertung der nuklearen Teilhabe siehe auch – W. Schwarz: Der Iran, Libyen und die Bombe, in: Das Blättchen, 8/2011 – www.das-blaettchen.de/2011/04/der-iran-libyen-und-die-bombe-4474.html.)
Die Glaubwürdigkeit der NPT-Politik der Bundesregierung wird aber auch dadurch untergraben, dass die bundesdeutsche Außenpolitik die nach NPT-Maßstäben illegale Nuklearrüstung Israels international nicht nur nicht thematisiert, sondern diese vielmehr durch die Lieferung von als nukleare Trägersysteme geeigneten U-Booten der so genannten Dolphin-Klasse an Tel Aviv aktiv unterstützt. Diese Politik geht auf das rotgrüne Kabinett unter Gerhard Schröder zurück und wird von der jetzigen Koalition nahtlos fortgesetzt. (Siehe dazu ausführlich R. Berman et. al.: Made in Germany, in: Der Spiegel, 23/2012, S. 20 ff..)
Auf weitere Aspekte bundesdeutscher Politik mit negativen Auswirkungen auf das nukleare Wettrüsten in Südwestasien in Vergangenheit und Gegenwart wird im weiteren Verlauf dieser Analyse eingegangen.

(3) - Vgl. M. Fitzpatrick (Ed.): Nuclear Black Markets: Pakistan, A. Q. Khan and the rise of proliferation networks, an IISS strategic dossier, London 2007, S. 15. (Diese Publikation ist auch komplett im Internet dokumentiert: www.iiss.org/publications/strategicdossiers/nbm/nuclear-black-market-dossier-a-net-assesment/.)

(4) - Vgl. ebenda, S. 16.

(5) - Vgl. ebenda, S. 35.

(6) - Vgl. ebenda, S. 36 oder J. Goldberg / M. Ambinder: The Ally From Hell, in: The Atlantic, December 2011 – www.theatlantic.com/magazine/archive/2011/12/the-ally-fromhell/8730/?single_page=true.

(7) - Vgl. Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, a. a. O.

(8) - So die Auffassung eines pakistanischen Insiders. Vgl. F. H. Khan: Nuclear Security in Pakistan: Separating Myth From Reality, in: Arms Control Today, July/August 2009 – www.armscontrol.org/act/2009_07-08/khan. (Ex-General Khan war unter anderem in der Strategic Plans Divison / SPD tätig, der für die Sicherheit der pakistanischen Kernwaffen zuständigen Behörde.)

(9) - Über das juristische „Nachbeben“ eines solchen Falles in der Schweiz berichtete die Neue Zürcher Zeitung erst dieser Tage (18. 09. 2012) unter der Überschrift: „Milde Strafen für Tinners dank Deal mit der Staatsanwaltschaft“.

(10) - Siehe ausführlichst: M. Fitzpatrick, a. a. O., insbesondere Kapiel 1 (Pakistan's nuclear programme and imports), S. 15 ff. oder im Internet: www.iiss.org/publications/strategicdossiers/ nbm/nuclear-black-market-dossier-a-net-assesment/pakistans-nuclear-programme-and-imports-/.

(11) - Siehe z. B. S. Ramana: China-Pakistan Nuclear Alliance. An Analysis, Ed.: Institute of Peace and Conflict Studies, New Delhi 2011 – www.ipcs.org/pdf_file/issue/SR109.pdf.

(12) - Vgl. . M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 24.

(13) - Vgl. H. Kristensen: Pakistani Nuclear Forces 2011 – www.fas.org/blog/ssp/2011/07/pakistannotebook.php sowie ders. / R. S. Norris: Indian Nuclear Forces, 2012, in: Bulletin of the Atomic Scientists – http://bos.sagepub.com/content/68/4/96.full.pdf.

(14) - 2007 war das pakistanische Arsenal erst auf 50 Sprengköpfe geschätzt worden (vgl. M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 32). Das International Panel on Fissile Materials gibt im Hinblick auf waffenfähige Ausgangsstoffe an, dass Indien Anfang 2012 über insgesamt zwei Tonnen hoch angereichertes Uran (HEU) und eine halbe Tonne Plutonium (Pu) verfügte, Pakistan über 2,75 Tonnen HEU und 140 Kilogramm Pu (International Panel on Fissile Materials: Fissile material stocks – www.fissilematerials.org/). Damit können weit höhere als die bereits vorhandenen Stückzahlen an Sprengköpfen hergestellt werden. Vor diesem Hintergrund schätzt H. Kristensen ein, dass Pakistans „gegenwärtiger nuklearer Waffenbestand [...] innerhalb der nächsten Dekade auf 150 - 200 anwachsen könnte“ (H. Kristensen, a. a. O.); an anderer Stelle trifft Kristensen die Aussage, dass Pakistans derzeitige Vorräte an waffenfähigem spaltbaren Material rein physisch für bis zu 240 Sprengköpfe à 12 - 18 kg HEU oder 4 - 6 kg Pu ausreichen würde (vgl. H. M. Kristensen / R. S. Norris: Nuclear Notebook: Pakistan's nuclear forces, a. a. O.). In Pakistan befindet sich überdies ein nicht zur Unterstellung unter die Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vorgesehener vierter Nuklearreaktor zur Plutoniumgewinnung im Bau (vgl.: D. G. Kimball: Ending Pakistan's Nuclear Addiction, in: Arms Control Today, March 2011 – www.armscontrol.org/act/2011_03/Focus). „Die Einrichtung könnte 2013 einsatzbereit sein.“ (NTI: Pakistan Missile Chronology, a. a. O..)

(15) - Indien verfügt bereits über einsatzfähige landgestützte Langstreckenraketen mit 3.000 km Reichweite und hat einen Typ mit 5.000 km Reichweite erfolgreich getestet. Pakistan hat Mittelstreckenraketen mit 650 km Reichweite im Bestand; siehe im Einzelnen z. B. – NTI: India Missile Chronology, a. a. O.; NTI: Pakistan Missile Chronology, a. a. O.

(16) - Dazu zählt auf pakistanischer Seite möglicherweise ein Mehrfachraketenwerfer für den Gefechtsfeldeinsatz von Kernwaffen auf vergleichsweise kurze Distanz (bis 60 km); der Test eines entsprechenden Systems im April 2011 verlief erfolgreich (vgl. H. M. Kristensen / R. S. Norris: Nuclear Notebook: Pakistan's nuclear forces, 2011, in: Bulletin of the Atomic Scientists, July 2011 – http://bos.sagepub.com/content/67/4/91.full). Von den sechs Atomtests Pakistans im Jahre 1998 lagen drei im Sub-Kilotonnen-Bereich, was bereits damals auf die Entwicklung taktischer Kernwaffen hindeutete (vgl. M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 78) – angesichts der konventionellen Überlegenheit Indiens und der eher geringen geografischen Tiefe Pakistans ein unter rein militärischen Erwägungen „logischer“ Schritt.

(17) - Siehe z. B. R. Pandit: India becomes 6th nation to join elite nuclear submarine club, in: The Times Of India, 24.01.2012 – http://articles.timesofindia.indiatimes.com/2012-01-24/india/30658507_1_nuclear-submarine-extensive-sea-trials-ins-chakra.

(18) - Siehe z. B. S. Sharma: Agni-5 missile is being modified for MIRV capability: Saraswat, in: Bharat Defensce Kavach, June 30, 2012 – www.bharatdefencekavach.com/News/13089_Agni-5-missile-is-being-modified-for-MIRV-capability--Saraswat.html.

(19) - Siehe z. B. „Experts Question Indian Missile Defense Capabilities“, in: Global Security Newswire, 14.05.2012 – www.nti.org/gsn/article/experts-question-indian-missile-defense- capabilities.

(20) - Über Konrad Adenauer etwa wurde gesagt, „es gebrach ihm am analytischen Denken [...]. Atomwaffen, nun ja, sie waren eine Art verlängerte Artillerie. Hätten die Herren Göttinger Atomphysiker ihn aufgesucht, er hätte ihnen das erklärt.“ ( So R. Augstein: Wenn ich eine Großmacht werden will ..., in: Der Spiegel, 41/1985.)

(21) - Zit. nach C. Hallinan: Pakistan's Nukes: The U.S. Connection, in: Dispatches From The Edge, 9. 3. 2011 – http://dispatchesfromtheedgeblog.wordpress.com/2011/03/09/pakistans- nukes-the-u-s-connection.

(22) - Vgl. ebenda.

(23) - „Aus der Geschichte kennen wir mehrere Fälle, in denen Staaten einem Atomschlag gefährlich nahe kamen, deren Führer keineswegs als irrational galten. Indien und Pakistan verdienten sich diesen zweifelhaften Titel mehrere Male. “ (A. Etzioni: Rational, irrational oder nichtrational?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. 7. 2011.)

(24) - C. Wagner: Die Außen- und Atompolitik Pakistans, in: INAMO (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e. V.), Nr. 56/Winter 2008, S. 18 ff. (hier zit. nach www.agfriedensforschung. de/regionen/Pakistan/atompolitik.html). Demgegenüber wirken offizielle Dementis derartiger Feststellungen – 2005 hatte zum Beispiel der Botschafter Pakistans in Washington und frühere Generalstabschef, J. Karamat, erklärt: „Man ist der Ansicht, dass die indisch-pakistanischen Konfrontationen in den Jahren 1987, 1990 und 2002 sowie der Kargil-Konflikt 1999 sämtlich über eine nukleare Dimension verfügten. Die Mehrzahl der Einwohner der Region sieht das nicht so.“ (ders.: Nuclear Risk Reduction Centres in South Asia – www.sassu.org.uk/pdfs/General_Karamat.pdf) – bisweilen, als wären sie direkt für Karl Kraus verfasst worden, auf dass es ihn zu einem seiner ebenso spitzen wie treffsicheren Aphorismen anrege: „Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie's lesen.“

(25) - Vornehmlich wegen der nach wie vor ungelösten Kaschmir-Frage; die größeren militärischen Konflikte hat Pakistan praktisch ausnahmslos verloren.

(26) - Siehe ausführlicher C. Wagner, a. a. O.

(27) - Siehe u. a. New York Times, 27. 06. 2012 – www.nytimes.com/2012/06/28/world/asia/india-says-pakistan-aided-abu-jindal-inmumbai-attacks.html?_r=0.

(28) - V. Narang: Pakistan's Nuclear Posture: Implicatons for South Asian Stability, in: Belfer Center for Science and Internationl Affairs, in: Policy Brief, January 2010 – http://belfercenter. ksg.harvard.edu/publication/19889/pakistans_nuclear_posture.html.

(29) - ders.: ebenda.

(30) - „Cold Start“ zielt auf rasche Mobilisierung der im Verhältnis zu Pakistan überlegenen konventionellen Streitkräfte Indiens im Konfliktfall und darauf, „begrenzte Vergeltungsschläge gegen seinen Nachbarn zu unternehmen, ohne Pakistans nukleare Schwelle zu überschreiten“ (Walter C. Ladwig III: A Cold Start for Hot Wars? The Indian Army's New Limited War Doctrine, in: International Security, Winter 2007/08, S. 158 ff.; hier zit. nach: http://belfercenter.ksg.harvard.edu/publication/17972/cold_start_for_hot_wars_the_indian_armys_new_limited_war_doctrine.html).

(31) - Der Begriff „nuklearer Winter“ wurde Anfang der 80er Jahre von US-Wissenschaftlern in die internationale sicherheitspolitische Debatte eingeführt. 1983/84 wurden die Ergebnisse von Simulationen und Berechnungen veröffentlicht, welche klimatischen Auswirkungen ein globaler Kernwaffenkrieg hätte: Erd- oder erdnahe Detonationen würden immense Mengen Staub, Asche und Rauch bis in die oberen Schichten der Atmosphäre aufwirbeln. Diese würden sich mit den globalen atmosphärischen Strömungen weltweit verteilen und eine signifikante, länger anhaltende Verringerung der Energiezufuhr von der Sonne zur Erdoberfläche und damit eine Absenkung der globalen Temperaturen nach sich ziehen („nuklearer Winter“). Die Auswirkungen für Vegetation (und Landwirtschaft) wie auch für die Existenzbedingungen höheren organischen Lebens generell wären regional zwar durchaus unterschiedlich, insgesamt jedoch katastrophal. (Siehe dazu vor allem: R. P. Turco et al., The Climatic Effects of Nuclear War, in: Scientific American, 2/1984; C. Sagan, Nuclear War and Climatic Catastrophe: Some Policy Implications, in: Foreign Affairs, 2/1983-84. Die amerikanischen Prognosen wurden wenig später seitens der sowjetischen Akademie der Wissenschaften bestätigt – J. Velikhov / Ed.: The night after ... Climatic and biological consequences of nuclear war, Moscow 1985.)
Vor wenigen Jahren wurden die damaligen Ergebnisse durch erneute Untersuchungen mittels modernerer Klimamodelle und leistungsfähigerer Computer nicht nur bestätigt, sondern präzisiert. Dazu O. W. Toon, einer der bereits vor 30 Jahren maßgeblich Beteiligten: „Wir stellten [...] fest, dass die prognostizierten Auswirkungen eines nuklearen Konflikts noch weitaus länger spürbar wären als ursprünglich gedacht – nämlich mindestens zehn Jahre lang.“ (A. Robock / O. B. Toon: Lokaler Krieg, globales Leid, in: , November 2010, S. 90).
Toon und ein weiterer Mitstreiter der Untersuchungen aus den 80er Jahren, R. Turco, nahmen dies „zum Anlass, die Auswirkungen eines regionalen Atomkriegs auf die globale Umwelt abzuschätzen. Als Testfall diente eine Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan. Laut David Albright vom regierungsunabhängigen Militärforschungsinstitut ISIS (Institute for Science and International Security) in der US-Hauptstadt Washington und Robert S. Norris von der New Yorker Umweltschutzorganisation NRDC (Natural Resources Defense Council) besitzt Indien 50 bis 60 einsatzbereite Sprengköpfe und Pakistan 60. Ihre Nuklearwaffentests lassen darauf schließen, dass die Sprengköpfe eine ähnliche Sprengkraft besitzen wie die Hiroschima- Bombe, nämlich 15 Kilotonnen TNT.“ (Ebenda.) Das Fazit der Analyse lautete: „Schon die Folgen eines potenziellen Konflikts [...], bei dem 100 Atombomben über Städten und Industriegebieten zum Einsatz kämen [...] wären für die ganze Welt fatal. Die Explosionen und ihre Folgewirkungen würden so viel Rauch in die Atmosphäre befördern, dass global die Landwirtschaft lahm gelegt wäre. Selbst in Ländern fern des Konfliktgebiets würde dies unzählige Menschenleben fordern.“ (Ebenda.) Bis zu einer Milliarde Menschen, deren Nahrungsmittelversorgung bereits heute unzureichend ist, wären vom Hungertod bedroht.
Experten gehen z. B. im Hinblick auf Pakistan davon aus, dass dessen nukleare Zielplanung vor allem indische Großstädte im Visier hat – wegen der relativ geringen Anzahl der verfügbaren Sprengköpfe und der niedrigen Treffsicherheit der meisten derzeitigen Trägerraketen. Vonseiten des pakistanischen Militärs ist dies praktisch bestätigt worden; vgl. M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 38.

(32) - Zum Zustand des NPT-Regimes siehe z. B. W. Schwarz: Bollwerk mit Löchern, in: Das Blättchen, 11/2010 – www.das-blaettchen.de/2010/06/bollwerk-mit-loechern-2-2651.html.

(33) - Zu einer einführenden aktuellen Übersicht siehe P. K. Kerr / M. B. Nikitin: Pakistan's Nuclear Weapons: Proliferation and Security Issues, CRS Report for Congress, May 10, 2012 – www.gwu.edu/~nsarchiv/nukevault/ebb388/docs/EBB035.pdf.

(34) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(35) - Siehe: Der Spiegel, 19/2012, S. 100 ff.

(36) - Siehe ausführlich: M. Fitzpatrick, a. a. O., insbesondere Kapitel 3: A.Q. Khan And Onward Proliferation From Pakistan, S. 65 ff. oder www.iiss.org/publications/strategicdossiers/ nbm/nuclear-black-market-dossier-a-net-assesment/aq-khan-and-onward-prolifertion-from-pakistan/#question).

(37) - Vgl.: D. G. Kimball, a. a. O.. Der Hausarrest gegen Khan wurde bereits vor drei Jahren wieder aufgehoben. Derzeit ist Khan, der in der pakistanischen Bevölkerung als Nationalheld verehrt wird, im Rahmen einer USA-feindlichen politischen Partei aktiv (vgl. u. a. A. De Borchgrave: Pakistan's A.Q. Khan Ratchets Up Anti-US Rhetoric, in: Newsmax, 19 Jul 2012 – www.newsmax.com/Newsfront/pakistan-khan-taliban/2012/07/19/id/445908).

(38) - Siehe u. a.: M. Bunn / A. Wier: Securing the Bomb. An Agenda for Action, Harvard University, Commissioned by the Nuclear Threat Initiative, May 2004, S. IX – www.nti.org/media/pdfs/Securing_The_Bomb_2004.pdf?_=1317161710.

(39) - Siehe z. B. „Pakistans Wirtschaft ertrinkt in der Flut“, in: Financial Times Deutschland, 10.08.2010 – www.ftd.de/politik/international/:naturkatastrophe-pakistans-wirtschaftertrinkt- in-der-flut/50155160.html und „Der Süden Pakistans steht unter Wasser“, in: Zeit Online, 18.09.2011 – www.zeit.de/wissen/umwelt/2011-09/flut-pakistan.

(40) - Gespräch mit Rahat Saeed: Die wahren Machthaber sind die Streitkräfte in Pakistan, in: junge Welt, 30. Oktober 2009; hier zit. nach: www.ag-friedensforschung.de/regionen/Pakistan/isi.html.

(41) - C. Wagner, a. a. O..

(42) - Der ISI kooperiert – natürlich im Auftrag der pakistanischen Militärführung – bereits seit den Tagen der sowjetischen Invasion in Afghanistan mit den dortigen Taliban und versorgt diese bis zum heutigen Tage mit Waffen und finanziellen Mitteln für ihren Kampf, jetzt gegen die westlichen Interventionsstreitkräfte. Anfang der 90er Jahre soll der ISI eine wichtige Rolle bei der Herstellung der Verbindung zwischen den afghanischen Taliban und Al-Qaida gespielt haben (vgl. J. Goldberg/M. Ambinder, a. a. O.). Das pakistanische Kalkül heute: Nach Abzug der NATO und ihrer Verbündeten soll mittels der Taliban ein pakistanfreundliches Regime in Kabul installiert werden. Das soll einerseits die indischen Ambitionen im Hinblick auf das Land konterkarieren – Islamabad befürchtet, dass Indien, das seit langem aufseiten des Regimes in Kabul stark engagiert ist, Afghanistan in eine antipakistanische Allianz einbinden könnte (vgl. ebenda). Zugleich soll damit ein gewisser Ausgleich an strategischer Tiefe geschaffen werden, an der es Pakistan im Vergleich zu Indien mangelt. Siehe dazu z. B. auch Der Spiegel, 19/2012, S. 101.

(43) - Siehe ausführlicher Gespräch mit Rahat Saeed, a. a. O.

(44) - Zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(45) - Ebenda.

(46) - C. Wagner, a. a. O.

(47) - Zit. nach L. Korb, The security of Pakistan's nuclear arsenal, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 19 May 2009 – www.thebulletin.org/web-edition/features/the-security-of-pakistans- nuclear-arsenal.

(48) - Vgl. D. E. Sanger: The Inheritance. The World Obama Confronts and the Challenges to American Power, New York 2009, S. 177. Die USA haben die Finanzhilfe trotzdem nicht eingestellt. Dazu Sanger: „The alternative was to do nothing to help secure an arsenal of upward of a hundred nuclear weapons, in the most volatile corner of the world. The program was one of the reasons that American officials insisted, during Pakistan's descent into chaos in late 2007, that they had no reason to doubt Pakistani claims that the nuclear infrastructure was secure. “ (Ebenda, S. 178.) – Ganz ähnlich verhält sich Pakistan gegenüber den USA auch hinsichtlich der jährlich etwa zwei Milliarden US-Dollar Militärhilfe – und kommt damit bisher ebenfalls durch –, so dass keine Sicherheit besteht, dass Teile dieser Mittel entgegen dem erklärten Willen der USA nicht doch auch das pakistanische Atomprogramm „sponsern“ (vgl. J. Goldber/M. Ambinder, a. a. O.). Gegenüber dem amerikanischen Kongress behelfen sich Vertreter der Administration in dieser Frage mit diplomatischen Formulierungen – wie der Chef des U. S. Central Command, General J. Mathis, der im März 2011 bei einem Hearing erklärte, das pakistanische Atomprogramm erhalte „keine direkten (Hervorhebung – W. S.) Finanzmittel“ von den Vereinigten Staaten (zit. nach: NTI: Pakistan Missile Chronology, a. a. O.).

(49) - H. M. Kristensen / R. S. Norris: Nuclear Notebook: Pakistan's nuclear forces, 2011, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 4 July 2011- www.thebulletin.org/web-edition/features/ nuclear-notebook-pakistans-nuclear-forces-2011. Zu Organisation und Zuständigkeiten im Hinblick auf die pakistanischen Sicherungsmaßnahmen siehe z. B. C. Wagner, a. a. O.

(50) - Da unklar ist, von welchen räumlichen Distanzen dabei auszugehen ist, und weil keine konstruktiven Einzelheiten der Systeme bekannt sind, sind Angaben über die zur Herstellung der Einsatzbereitschaft notwendigen Zeitspannen hoch spekulativ. Sie reichen von wenigen Minuten über Stunden bis zu Tagen; vgl.: M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 33.

(51) - 1999 hatte Pakistan bei den USA bezüglich PALs und ESDs angefragt: „Damals hatten die Vereinigten Staaten das Ersuchen aus naheliegenden Gründen abgelehnt, denn diese Sicherheitsvorrichtungen ermöglichen es, Atomwaffen ohne Abstriche an der Sicherheit in einem höheren Bereitschaftsgrad zu halten, was die von Indien empfundene Bedrohung gesteigert hätte. Es ist jedoch denkbar, dass die USA nach der dramatischen Veränderung in ihren Beziehungen zu Pakistan nach dem 11. September 2001 Pakistans Ersuchen stattgegeben haben [...].“ (P. Hoodbhoy: Pakistans Kernwaffenarsenal – Status quo und Ausblick. Heinrich-Böll-Stiftung – www.boell.de/internationalepolitik/aussensicherheit/aussen-sicherheit-7377.html.)

(52) - 2006 erklärte der damalige (bis 2012 amtierende) SPD-Generaldirektor K. Kidwai (SPD – siehe Anm. 8), „dass Pakistan für sein Nukleararsenal das funktionale Äquivalent (Hervorhebung – W. S.) von Zwei-Personen-Kontrollen und Permissive Action Links unterhalte“ (zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.). Details nannte Kidwai nicht.

(53) - Vgl. J. Goldberg/M. Ambinder, a. a. O.

(54) - Zit. nach: Ebenda.

(55) - P. Hoodbhoy, a. a. O.

(56) - Vgl. Ebenda.

(57) - Ebenda.

(58) - Vgl. J. Goldberg/M. Ambinder, a. a. O.

(59) - Im August 2012 drangen militante Islamisten in das Gelände von Minhas, eines der größten Luftwaffenstützpunkte des Landes bei Kamra in der zentralen Provinz Punjab ein, und lieferten sich mehrstündige Feuergefechte mit Sicherheitskräften; siehe: „Taliban attackieren mutmaßliches Atomlager“, in: Spiegel Online, 16.08.2012 – www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-islamisten-attackieren-luftwaffenbasis-a-850322.html.

(60) - Vgl. J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(61) - So z. B. 2006 durch SPD-Generaldirektor Kidwai im Jahre 2006 bei einem Auftritt in der US-Naval Postgraduate School in Monterey, Kalifornie; vgl. R. Walker: Pakistan's Evolution as a Nuclear Weapons State, in: CCC News – www.nps.edu/academics/centers/ ccc/news/kidwaiNov06.html. Zur Zurückweisung westlicher Bedenken siehe sehr ausführlich auch: F. H. Khan, a. a. O.. Allerdings räumt dieser hochrangige pakistanische Insider zugleich ein: „Der schwierigste Aspekt bei der Bewertung der Effektivität (von Maßnahmen zur Sicherung der pakistanische Kernwaffen – Anmerkung W. S.) resultiert aus der Unvorhersagbarkeit menschlicher Motivationen. Motivierte Einzeltäter können wirkungsvolle Barrieren immer umgehen.“ (Ebenda.)

(62) - Zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.. Und F. H. Khan meinte, dass „die Befürchtung, dass pakistanische Kernwaffen in die Hände der Taliban fallen könnten, völlig fehl am Platze“ sei. (F. H. Khan, a. a. O.)

(63) - The Wallstreet Journal, 25.05.2011. Hier zit. nach: NTI: Pakistan Missile Chronology, a. a. O.

(64) - Ebenda.

(65) - Federation of American Scientists: Anatomizing Non-State Threats to Pakistan's Nuclear Infrastructure: The Pakistani Neo-Taliban (Executive Summary) – www.fas.org/programs/tap/executive_summary.html. Zur kompletten Studie siehe hier: www.fas.org/pubs/_docs/Terrorism_Analysis_Report_1-lowres.pdf.

(66) - Vgl. J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.. F. H. Khan verwendet in diesem Kontext den Begriff „aggressive counterproliferation measures by the United States“ (F. H. Khan, a. a. O.).

(67) - Auf den Punkt gebracht hat dies Th. Fingar, ein früherer Vorsitzender des National Intelligence Council unter Präsident George W. Bush, als er mit Blick auf Pakistan erklärte, dass „we do not know if what the military has done is adequate to protect the weapons from insider threats, or if key military units have been penetrated by extremists. We hope the weapons are safe, but we may be whistling past the graveyard“ (zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.).

(68) - So R. Cressey, ein früherer stellvertretender Direktor für Terrorismusabwehr der Clinton- und der Bush-jr.-Adminstration; zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(69) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(70) - Ebenda.

(71) - So – „off th record“ – General James Jones, Obamas erster Sicherheitsberater; zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(72) - Vgl. Ebenda.

(73) - Die erfolgreiche Kommandoaktion hat nach Auffassung Islamabads gezeigt, dass „die USA [...] Mittel entwickelt haben, um gleichzeitige Überfälle auf Pakistans nukleare Einrichtungen durchzuführen“. (J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.)

(74) - F. H. Khan, a. a. O.

(75) - Obama erklärte seinerzeit, die USA hegten „keine finsteren Absichten“ gegen das Atomprogramm Pakistans. (Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2010 – http://m.faz.net/aktuell/politik/ausland/atomarsenale-jenseits-der-logik-des-gipfels- 1968125.html.)

(76) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.. Dazu Der Spiegel (19/2012, S. 101) plastisch: „Atomare Sprengköpfe, in Lieferwagen unterwegs mitten im Gewusel pakistanischer Großstädte: ein singulärer Einfall, geboren aus Paranoia gegenüber Amerika.“

(77) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(78) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(79) - F. H. Khan, a. a. O.

(80) - M. Fitzpatrick, a. a. O., S. 38. Dazu der pakistanische Botschafter bei der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen, Z. Akram: „We can't afford to be involved in a race with India tank for tank, aircraft for aircraft, submarine for submarine. We can look at other ways of trying to find the same solutions.“ (The South Asian Nuclear Balance: An Interview With Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, in: Armscontrol Today, December 2011 – www.armscontrol.org/act/2011_12/Interview_With_Pakistani_Ambassador_ to_the_CD_Zamir_Akram.)

(81) - Vgl. ebenda, S. 33.

(82) - Vgl. ebenda, S. 34 f.. Dieses konzeptionelle Konstrukt erinnert, wie in dieser Publikation zu Recht festgestellt wird, an NATO-Denken im Kalten Krieg (vgl. S. 38), als die wahrgenommene konventionelle Überlegenheit der Warschauer Vertragsorganisation in Zentraleuropa durch massenhafte vorgeschobene Dislozierung taktischer US-Atomwaffen ausgeglichen werden sollte.

(83) - M. Fitzpatrick, S. 36.

(84) - Zu Hintergründen und Verlauf des Kargil-Konfliktes siehe u. a. International Institute for Strategic Studies (Ed.): War in Kashmir, Volume 5, Issue 6, July, 1999 – www.iiss.org/publications/strategic-comments/past-issues/volume-5---1999/volume-5-- -issue-6/war-in-kashmir/?locale=en.

(85) - The South Asian Nuclear Balance: An Interview With Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, a. a. O.. Siehe dazu auch S. Chandran: Building Trust and Reducing Risks: Nuclear Confidence Building in South Asia, SASSU Research Report No. 2, July 2005 – www.sassu.org.uk/pdfs/SC_sassu_report_no2.pdf.

(86) - Vgl. The South Asian Nuclear Balance: An Interview With Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, a. a. O.

(87) - Ebenda.

(88) - Vgl. ebenda.

(89) - Siehe: Z. N. Jaspal: Arms Control: Risk Reduction Measures Between India and Pakistan, SASSI Research Paper No. 1, June 2005 – www.sassu.org.uk/pdfs/ZJ_research_paper_no1.pdf sowie S. Chandran: Building Trust and Reducing Risks: Nuclear Confidence Building in South Asia, SASSI Research Report, No. 2, July 2005 – www.sassu.org.uk/pdfs/SC_sassu_report_no2.pdf.

(90) - Vgl. NTI: Pakistan Missile Chronology, a. a. O.

(91) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(92) - Zu Details siehe die jüngste Studie von US-Wissenschaftlern vom September 2012 „Living Under Drones“ – www.livingunderdrones.org/wp-content/uploads/2012/09/Stanford_NYU_LIVING_UNDER_DRONES.pdf.

(93) - Vgl. „US military classified ISI as terror supporter“, in: The Telegraph, 26.04.2011 – www.telegraphindia.com/1110426/jsp/foreign/story_13902922.jsp. Das Hamburger Abendblatt berichtete dazu am 3.7.2012 (www.mobil.abendblatt.de/politik/ausland/article2176475/ Enge-Bande-zwischen-Pakistans-Geheimdienst-und-Taliban.html?emvcc=- 3): „In einem geheimen US-Dokument, das im April 2011 über die Webseite ,Wikileaks' veröffentlicht wurde, hatten die US-Behörden den pakistanischen Geheimdienst ISI als eine ,terroristische Organisation' eingestuft. Die Behörde sei eine genauso große Bedrohung wie Al-Qaida oder die Taliban.“

(94) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(95) - Auf diese im Detail einzugehen und sie kritisch zu beleuchten, würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen. Siehe dazu recht ausführlich u. a. ebenda.

(96) - Ebenda.

(97) - Siehe C. Hallinan, a. a. O.

(98) - Siehe U. S. Department of State: Agreement For Cooperation Between The Government Of The United States Of America And The Government Of Iindia Concerning Peaceful Uses Of Nuclear Energy (123 Agreement) – http://2001-2009.state.gov/r/pa/prs/ps/2007/aug/90050.htm. Zur Bewertung des Abkommens siehe W. Schwarz: Über den Rubikon, in: Das Blättchen, 22/2008 – www.das-blaettchen.de/2008/10/ueber-den-rubikon-13719.html.

(99) - Die NSG wurde zur Stärkung des internationalen NPT-Regimes ins Leben gerufen. Mitglieder sind die 46, dem NPT beigetretenen potenziellen Lieferländer von nuklearen Technologien und Ausrüstungen oder Komponenten dafür sowie von nuklearem Brennstoff und allem, was zu seiner Herstellung, Entsorgung oder Wiederaufarbeitung erforderlich ist. Die wichtigste Selbstverpflichtung der NSG lautet: keinerlei Lieferungen an Staaten, die den Nichtweiterverbreitungsvertrag nicht unterzeichnet und ratifiziert haben. Siehe ausführlicher: The Nuclear Suppliers Group: Its Origins, Role and Activities, INFCIRC/539/Rev.4, 5 November 2009 – ww.nuclearsuppliersgroup.org/Leng/PDF/infcirc539r4.pdf sowie Guidelines For Nuclear Transfers, INFCIRC/254/Rev.10/Part 1a, 26 July 2011 – www.nuclearsuppliersgroup.org/Leng/PDF/infcirc254r10p1.pdf und Guidelines For Nuclear Transfers, INFCIRC/254/Rev.8/Part 2?, 30 June 2010 – www.nuclearsuppliersgroup.org/Leng/PDF/infcirc254r8p2.pdf.

(100) - The South Asian Nuclear Balance: An Interview With Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, a. a. O.

(101) - Vgl. „Deutschland unterstützt Indien bei der Aufnahme in die Gruppe der Nuclear Suppliers Group“, in: Indien aktuell, 7.12.2010 – www.indienaktuell.de/magazin/deutschlandunterstuetzt- indien-bei-der-aufnahme-in-die-gruppe-der-nuclear-suppliers-group-14775.

(102) - C. Hallinan, a. a. O.. Zur Stromerzeugung hat Indien derzeit 19 Reaktorblöcke in sechs AKWs am Netz; sechs weitere Blöcke sind im Bau.

(103) - So die Einschätzung bei M. Fitzpatrick, S. 34.

(104) - Angaben nach M. Fitzpatrick, S. 34.

(105) - The South Asian Nuclear Balance: An Interview With Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, a. a. O.. Der Botschafter gebrauchte den Begriff „game changer“ in diesem Interview mehrfach und lieferte ausführliche Begründungen dafür.

(106) - Ebenda.

(107) - Zit. nach C. Hallinan, a. a. O.

(108) - Siehe The South Asian Nuclear Balance: An Interview with Pakistani Ambassador to the CD Zamir Akram, a. a. O.

(109) - „ACT: Just to clarify, if Pakistan had an NSG waiver like India, Pakistan would be willing to enter negotiations on an FMCT? Akram: Yes.“ (Ebenda.)

(110) - Vgl. z. B. S. Ramachandaran: Pakistan-Indien: Streit verhindert Abkommen über spaltbares Material, in: Toward A Nuclear Free Word – www.nuclearabolition.net/index.php?option=com_content&view=article&id=435:pakistan-indien&catid=5:german&Itemid=6.

(111) - Vgl. C. Wagner, a. a. O.

(112) - Vgl. „Indien baut eigenes Atom-U-Boot mit Raketen“, Radio Stimme Russlands, 2.4.2012 – http://german.ruvr.ru/2012_04_02/70343754/.

(113) - J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(114) - Zit. nach J. Goldberg / M. Ambinder, a. a. O.

(115) - „Verstehen Sie das, Herr Schmidt?“, in: Die Zeit, 04.03.2010.

* Aus: Das Blättchen, 15. Jahrgang (XV) Berlin, 5. November 2012 (Sonderausgabe): http://das-blaettchen.de [externer Link]
Hier kann auch eine lesefreundliche Druckversion der Sonderausgabe als pdf-Datei bestellt werden: http://das-blaettchen.de [externer Link]



DAS BLÄTTCHEN. Zweiwochenschrift für Politik – Kunst – Wirtschaft
Erscheinungsweise online: http://das-blaettchen.de/"
Herausgeber: Wolfgang Sabath †, Heinz Jakubowski und der Freundeskreis des Blättchens
Redaktion: Margit van Ham, Wolfgang Brauer, Wolfgang Schwarz (V.i.S.d.P.)
Telefon: 0178 . 629 70 61
E-Mail: hwjblaettchen@googlemail.com




Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Indien-Seite

Zur Kaschmir-Seite

Zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage