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Zwei Kontrahenten – vereint?

Pakistan: Expremiers Benazir Bhutto und Nawaz Sharif berieten Forderungskatalog

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Für die Parlamentswahlen am 8. Januar 2008 hat die Partei von Präsident Pervez ­Musharraf bereits einen Konkurrenten weniger. Am Montag entschied die Wahlkommission, dessen Kandidatur abzulehnen (siehe jW vom 4.12.). Am gestrigen Dienstag begannen zwischen der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und der Pakistanischen Muslimliga (PML-N) Beratungen über einen Forderungskatalog. Erfüllt Präsident ­Pervez Musharraf diesen nicht, drohen beide Parteien – zunächst noch vage – einen Boykott der Parlamentswahlen an.

Zwischen Benazir Bhutto, der Chefin der PPP, und Nawaz Sharif, dem Führer der PML-N, war es am Montag in Islamabad erstmals nach ihrer Rückkehr aus dem Exil zu einer persönlichen Begegnung gekommen. Beide Politiker berieten über drei Stunden lang die aktuelle innenpolitische Lage. Ihre Positionen sind nicht identisch. Frau Bhutto plädiert bislang für eine Teilnahme »unter Protest« an dem Votum, um der Partei Musharrafs nicht das Feld zu überlassen. Nawaz Sharif erklärte bis dato, die Wahlen unter allen Umständen boykottieren zu wollen. Dieser Standpunkt dürfte sich mit dem Entscheid eines Beamten der Wahlkommission in Lahore, die Kandidatur Sharifs für den Urnengang im Januar abzuweisen, weiter verhärtet haben.

Als Begründung wurde Sharifs Verurteilung in zwei zurückliegenden Fällen genannt: das »Hijacking« des Flugzeuges, in dem General Musharraf im Oktober 1999 von einer Auslandsreise nach Pakistan heimkehrte und dem Sharif als damaliger Premier die Landung verbieten wollte, sowie Steuerhinterziehung beim Kauf eines Hubschraubers. Gerichtlich Verurteilte besitzen kein passives Wahlrecht.

Der Expremier gab sich überrascht von dieser Entscheidung. Jetzt sei er noch entschlossener, den Kampf »Demokratie gegen Diktatur« zu führen. Er kündigte an, diesen Fall vor die Allparteien-Demokratiebewegung zu bringen (der Bhuttos Partei nicht angehört) und zu empfehlen, daß »die Wahlen und die Diktatur noch energischer bekämpft« werden. Vor diesem Hintergrund gilt es durchaus als Erfolg, daß beide Parteien innerhalb der nächsten Tage gemeinsam ihren Forderungskatalog an ­Musharraf ausarbeiten wollen. Wie radikal dieser aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Der Präsident hatte bereits den 16. Dezember als Stichtag für die Beendigung des am 3. November verhängten Ausnahmezustands festgelegt. Seiner Meinung nach reicht das für die Gewährleistung freier und fairer Parlamentswahlen aus. Sollten die Forderungen jedoch auch die Wiedereinsetzung der am 3. November entlassenen Richter des höchsten Gerichtshofes beinhalten, dann werden Bhutto und Sharif wohl beim Präsidenten auf Granit beißen. Darüber, so erklärte Musharraf vor ein paar Tagen, lasse er nicht mit sich verhandeln.

Auf einer Pressekonferenz nach ihrem Treffen am Montag unterstrichen beide Politiker jedenfalls, daß »unter den gegenwärtigen Umständen freie und faire Wahlen unmöglich scheinen«. Bhutto äußerte außerdem, daß die Arbeit an dem Forderungskatalog ein wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung zwischen beiden Parteien ist. Bis wann die Forderungen erfüllt sein müßten, ließen sie noch offen. Für Bhutto, die ihre Wahlkampagne bereits in der nordwestlichen Grenzprovinz begonnen hat, wird die Versuchung groß sein, sich dem Votum des Volkes zu stellen, zumal ihr stärkster Konkurrent Nawaz Sharif ja bereits vor dem Start aus dem Rennen ist.

* Aus: junge Welt, 5. Dezember 2007


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