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Kontroverse Zardari - Sharif

Im Hintergrund lauert das pakistanische Militär

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Pakistans Medien sprechen von einem »schlechten Omen für die Demokratie«. Das Höchste Gericht in Islamabad bestätigte in der vergangenen Woche ein früheres Urteil, das Nawaz Sharif, den Chef der Muslim-Liga (PML-N), und dessen Bruder Shabaz Sharif, bislang Chefminister der Punjab-Provinz, die Teilnahme an Wahlen verbietet sowie das Recht auf Wahl in staatliche Ämter verwehrt. Dieses Urteil wurde gefällt, nachdem Nawaz Sharif, damals Pakistans Premier, im Oktober 1999 die Landung eines Flugzeuges hatte verhindern wollen, in dem Armeechef Pervez Musharraf saß. Dieser putschte noch am selben Tag, entmachtete Sharif und schickte ihn ins Exil. Sein Bruder wurde verurteilt, weil er angeblich einen Kredit nicht zurückgezahlt hatte.

Beide Politiker sind laut der pakistanischen Zeitung Daily Times im Punjab »extrem populäre politische Führer«. Shabaz Sharif mußte am Mittwoch sein Amt niederlegen. Über die Provinz wurde für zwei Monate Gouverneursherrschaft verhängt. Die PML-N ist die zweitstärkste Partei im Land.

Die Zuspitzung der Lage hat Staatspräsident Asif Ali Zardari offensichtlich selbst veranlaßt, auch wenn die ohnehin angeschlagene Regierung mit dem Urteil des Höchsten Gerichtshofes weiter unter Druck gerät. Nawaz Sharif ist der schärfste Gegenspieler des Präsidenten. Vergessen der kurze »Flirt« in der Anfangsphase nach dem Sturz Musharrafs im vorigen Jahr, als beide zusammenarbeiteten. Zardari sieht sich mit einer Menge Schwierigkeiten konfrontiert, u. a. wachsendem Terrorismus und Einfluß der Taliban (den Waffenstillstand mit deren militanter Gruppe in der Swat-Region soll sich Islamabad mit sechs Millionen Dollar erkauft haben), den Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, blutigen Anschlägen zwischen islamischen Sekten sowie den Folgen des Mumbai-Massakers und der Unterbrechung des Friedensdialogs mit Indien.

Noch am Mittwoch (25. Feb.) reagierte Nawaz Sharif scharf auf das Gerichtsurteil: Es sei auf »Diktat« Asif Ali Zar­daris erfolgt. Es handele sich um eine Verschwörung. Er wolle dazu eine Volksbefragung. Er kündigte an, die Bevölkerung zu mobilisieren, die ihr Urteil sprechen werde. Bereits am Mittwoch wurden in Rawalpindi, wo Benazir Bhutto, die Gattin des jetzigen Präsidenten, im Dezember 2007 ermordet worden war, BB-Plakate verbrannt, Banner der regierenden Volkspartei Zardaris (PPP) zerfetzt und das Benazir-Monument beschädigt. Am Donnerstag (26. Feb.) kam es auf Initiative der PML-N überall dort, wo diese Partei Einfluß hat, zu Demonstrationen und Kundgebungen mit eindeutiger Speerspitze gegen Zardari und die PPP.

Der Protest kann sich zu einer Lawine des Widerstands ausweiten, denn die Juristen haben die Wiederaufnahme ihres »Langen Marsches« für die Wiedereinsetzung des noch unter Musharraf geschaßten Chefrichters Iftikhar Muhammad Chaudhry und Dutzender ihrer Kollegen für Anfang März angekündigt. Die PML-N unterstützt die Aktionen der Juristen von Anfang an und fordert von Zardari, Chef­richter Chaudhry wieder einzusetzen. Doch daran ist der Präsident nicht interessiert, weil er befürchten muß, daß unter Chaudhry alte Korruptionsfälle gegen die Bhutto-Zardari-Familie ausgegraben werden. Wenn der »Lange Marsch« und Sharifs Bewegung »Zardari Hatao« (Nieder mit Zardari!) zu einer verschmelzen, könnte das die gesamte politische Szene Pakistans erschüttern und das Militär auf den Plan rufen. Es wäre nicht das erste Mal, daß es sich zum Eingreifen veranlaßt sieht, um »die Nation zu retten«.

* Aus: junge Welt, 2. März 2009


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