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Ist Pakistan Bedrohung oder Partner?

Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) trifft sich zum Gipfel in Bischkek

Von Dmitri Kossyrew *

Pakistans Präsident Pervez Musharraf kommt nicht zum Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), der am 16. August in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek stattfindet.

Erstens weil die SOZ-Beobachterstaaten Mongolei, Indien und Pakistan auf dem Gipfeltreffen von ihren Außenministern vertreten werden, was durchaus verständlich und logisch ist.

Nur der Beobachterstaat Iran wird offenbar persönlich von Präsident Mahmud Ahmadinedschad vertreten sein. Der zweite Grund für die Nichtbeteiligung des pakistanischen Präsidenten ist die anhaltende politische Spannung um die Rote Moschee in Islamabad.

Diese Moschee symbolisiert die Versuche der pakistanischen Extremisten, die Scharia im Lande einzuführen. Bei der neuerlichen Erstürmung der Moschee durch Regierungstruppen wurden mehrere Dutzend Menschen getötet. Auch heute ist die Lage in Pakistan alles andere als ruhig. Deshalb muss der Präsident vorerst auf Auslandsreisen verzichten.

Dennoch reicht der Schatten der Roten Moschee bis nach Bischkek und ist für die meisten Teilnehmer des dortigen Gipfels das Thema Nummer eins. Dasselbe gilt auch für das Thema Afghanistan: Der afghanische Staatschef nimmt seit Jahren an den SOZ-Gipfeln als Gast teil.

Einer der Gründungszwecke der SOZ war mit Pakistan und Afghanistan verbunden. Konzipiert wurde die SOZ als Sicherheitshüter in Zentralasien, einer strategisch wichtigen und (damals) äußerst instabilen Region zwischen Russland und China. Die Bedrohungen gingen vom Taliban-Regime in Afghanistan sowie von einem Teil Pakistans aus.

Bei der SOZ nimmt der militärische Faktor immer mehr ab und gewinnt der wirtschaftliche. Gegenwärtig kann man mit Zuversicht sagen, dass die SOZ, die alle Staaten Zentralasiens (mit Ausnahme Turkmeniens) sowie China und Russland vereinigt, eine regionale Wirtschaftsentwicklungsorganisation ist, zu deren Aufgaben unter anderem auch die Gewährleistung der für die Investitionen notwendigen Stabilität gehört.

Parallel mit dem Gipfel in Bischkek führen die SOZ-Staaten Militärübungen durch, die in der chinesischen Provinz Xinjiang begonnen haben und am Ural enden sollen. Das ist bereits die zweite Militärübung der SOZ, die erste hatte bereits 2002 stattgefunden. Am jetzigen Manöver nehmen die Streitkräfte aller sechs Teilnehmerstaaten teil, insgesamt 4000 Mann.

Man sagt, dass die SOZ mit dem Ziel der Verdrängung der USA aus Zentralasien gegründet wurde, und dass die jetzige Militärübung diesem Ziel dient. Dass dies Unsinn ist, sieht man am Szenario der Übung, bei der die Einkesselung und Zerschlagung von Terroristengruppen trainiert werden. Was hat das mit den USA zu tun?

Dieses Szenario ist jedem Einwohner Zentralasiens klar. Denn die Übung simuliert die Ereignisse, die sich in der Region während der Taliban-Herrschaft in Afghanistan vollzogen hatten. Damals versuchten viele, die Grenzen von Tadschikistan, Kirgisien und Usbekistan zu durchbrechen, und nicht immer ohne Erfolg.

Gegenwärtig sind die SOZ-Staaten der Meinung, dass die Gefahr in der Region gewachsen ist. Die Bedrohung geht nicht von den Regierungen in Pakistan oder Afghanistan aus, sondern von den unkontrollierten Gebieten an der Grenze zwischen diesen beiden Staaten. Die Geschichte mit der Roten Moschee in Islamabad führte klar vor Augen, dass die US-Einsätze in Afghanistan und der Status Pakistans als US-Verbündeter keine Sicherheit garantieren, sondern im Gegenteil zusätzliche Probleme in Pakistan verursachen. Deshalb muss die SOZ Vorsorge treffen und Präventivschläge üben.

Außerdem braucht die SOZ einen Dialog mit den Regierungen in Pakistan und Afghanistan, die Nachbarn und Partner der SOZ sind.

Vor nur zwei oder drei Jahren hatten die USA versucht, die SOZ zerbröckeln zu lassen und deren Mitglieder in eine Organisation mit dem Codenamen „Projekt Großes Zentralasien“ herüberzulocken. Die Schlüsselrolle dabei sollten Pakistan und Afghanistan spielen.

Heute kann man konstatieren, dass die Diversion gescheitert ist. Offizielle in Washington distanzieren sich vom Konzept des „Großen Zentralasien“ und bezeichnen es als eine private Initiative von Wissenschaftlern und keine Regierungsinitiative.

Pakistan sieht wohl ein, dass seine Allianz mit den USA im Afghanistan-Krieg schwere Probleme für das Regime verursacht hat. Außerdem ist Islamabad über die Liebesaffäre seines traditionellen Gegners Indien mit den USA verärgert. Vor allem über das amerikanisch-indische Atomgeschäft, das für Indien Ausnahmen in Bezug auf die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen vorsieht. Für Pakistan sind keine Ausnahmen vorgesehen.

Deshalb weiß Islamabad seine einstige anti-indische Freundschaft mit dem SOZ-Staat China zu schätzen und sucht gerne die Nähe der Nachbarstaaten und vor allem der SOZ. Auch in Kabul sind solche Stimmungen spürbar. Auf dem Gipfel in Bischkek stehen viele offizielle und private Gespräche mit den Pakistanern und Afghanen über deren Beitrag zu Wirtschafts- und sonstigen Plänen der SOZ bevor.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 14. August 2007;
http://de.rian.ru




Wie kompliziert mitunter die Beziehungen zwischen den SOZ-Kooperationsstaaten sind, zeigt ein Vorfall, der sich parallel zum Gipfeltreffen vollzog: Russland mischt sich - zugunsten Indiens - in ein chinesisch-pakistanisches Waffengeschäft ein. Dazu fand sich bei RIA Novosti folgende Meldung:

Russland stoppt die Lieferung chinesischer Jagdflugzeuge an Pakistan

NEU DELHI, 13. August (RIA Novosti). Auf Drängen Indiens hat Russland China verboten, die mit russischen Triebwerken ausgestatteten Jagdflugzeuge JF-17 an Pakistan zu liefern.
Das berichtet die Zeitung „Indian Express“ am Montag. Beide JF-17-Jäger, die im März nach Pakistan geliefert wurden, kehrten bereits nach China zurück, hieß es. Moskau soll im August Neu Delhi offiziell darüber informieren.

Beunruhigt über das wachsende Militärpotential Pakistans hatte Indien im vergangenen Jahr seinen strategischen Partner Russland aufgerufen, den Deal zwischen China und Pakistan zu stoppen, weil dies einer Vereinbarung widerspricht. China behauptete hingegen, dass der 1992 unterzeichnete Vertrag über den Kauf der russischen Triebwerke die Weiterlieferung an dritte Staaten nicht untersagt. Dennoch versicherte Moskau Neu Delhi, den Verkauf von JF-17 mit russischen Triebwerken nach Pakistan blockieren zu wollen.

Das indische Außenministerium hält sich unterdessen mit Kommentaren zurück. Laut diplomatischen Quellen in Neu Delhi belastete das chinesisch-pakistanische Geschäft monatelang die Beziehungen zwischen Indien und Russland.

Der Mehrzweck-Überschalljäger JF-17 wurde in China entwickelt und kann verschiedene Typen von Luft-Luft- und Luft-Boden-Raketen tragen. Die beiden ersten Maschinen wurden im März nach Pakistan geliefert. 2008 soll das Flugzeug in Serie produziert werden.




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