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Taliban vertrieben

Pakistans Militär richtet nach der Einnahme Mingoras im Swat-Tal den Blick auf Südwasiristan

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Mit der Einnahme Mingoras, der wichtigsten Stadt im nordwestpakistanischen Swat-Tal, haben die Streitkräfte am Wochenende ihre seit einem Monat laufende Offensive »Rah-e-Rast« mit einem bemerkenswerten Erfolg gekrönt. Inzwischen werden heftige Gefechte aus der Region Südwasiristan gemeldet. Die Militäroperationen in Swat, Buner und angrenzenden Gebieten seien fast vollständig erfolgreich abgeschlossen worden. Mingora sei eingenommen worden und die dortige Taliban-Führung auf der Flucht in die Berge. In den nächsten Tagen werde man die verbliebenen Widerstandsnester erobern. Das verkündete Syed Athar Ali, Sekretär im Verteidigungsministerium Pakistans, am Sonntag auf einer internationalen Sicherheitskonferenz in Singapur. Damit nähere sich die Swat-Offensive ihrem Ende.

In Islamabad erklärte Militärsprecher Generalmajor Athar Abbas, daß die Vertreibung der Taliban nur der erste Teil des Normalsierungsprozesses in diesem Gebiet ist. Hunderttausende Menschen verließen in den letzten Wochen die Swat-Region und leben seitdem notdürftig versorgt in Lagern. Das Internationale Rote Kreuz zeigte sich in einer Stellungnahme »tief besorgt« über die humanitäre Situation in Swat und forderte umfassende und prompte Hilfleistungen. Das Stadzentrum Mingoras soll zerstört worden sein. Nach Meinung von Generalmajor Abbas werde es Zeit brauchen, die Wasser- und Stromversorgung in Mingora wieder herzustellen und eine Zivilverwaltung zu etablieren, ehe die Flüchtlinge zurückkehren können. Swat und die Nachbardistrikte Buner und Dir waren unter Kontrolle der Taliban, die im Frühjahr durch ein »Friedensabkommen« mit der Provinzregierung in Peshawar ihre Herrschaft, einschließlich der islamischen Scharia-Gesetzgebung, zementieren wollten. Doch der Pakt hielt nicht.

Am Sonntag (31. Mai) intensivierten sich die Kämpfe in Südwasiristan, einem anderen Gebiet im Nordwesten Pakistans, das sich unter Kontrolle militanter Extremisten befindet und in pakistanischen und indischen Me­dien als »Mutter-Region der Taliban« bezeichnet wird. Man vermutet, daß dort auch prominente Köpfe der Al-Qaida Unterschlupf gefunden haben. Militärs in Islamabad deuteten an, nach Swat könnte eine Offensive in Südwasiristan beginnen. In der Nacht vom Samstag zum Sonntag war ein Militärlager in Jandola, 80 Kilometer von der südwasirischen »Hauptstadt« Wana entfernt, attackiert worden. Dabei wurden mindestens 40 Angreifer und sieben Soldaten getötet.

Was weithin befürchtet worden war, ist inzwischen eingetroffen: Das energische Vorgehen des pakistanischen Militärs hat Terrorschläge und Selbstmordattacken militanter Gruppen provoziert. Die Tehreek-e-Taliban Pakistan, eine Dachorganisation radikaler Islamisten unter dem Kommando des wasiristanischen Warlords Beithullah Mehsud, hat sich zu dem Bombenanschlag in der vorigen Woche in Lahore bekannt. Auch in Peshawar und in Dera Ismail Khan gab es Sprengstoffanschläge, bei denen insgsamt Dutzende Menschen, Zivilisten wie Sicherheitsleute, ums Leben kamen. Besorgnis erregt in Islamabad, daß offensichtlich ein Netzwerk von überwiegend im Nordwesten agierenden Taliban und Kämpfern der Al-Qaida mit militanten Dschihad- Organisationen in der Provinz Punjab besteht. Dazu zählen Lashkar-e-Jhangvi, Jaish-e-Mohammed und Lashkar-e-Taiba. Sie konzentrierten ihre Aktionen bislang auf die »Kaschmirfront«, handeln aber nun wohl immer mehr im Auftrag der Taliban und Al-Qaidas auch in Punjab, der größten und reichsten Provinz Pakistans.

* Aus: junge Welt, 2. Juni 2009


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