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Kühler Empfang für USA-Mission

Pakistans Uhren beginnen, anders zu ticken: "Hände weg, Uncle Sam"

Von Hilmar König, Delhi *

Der eilige Pakistan-Besuch des stellvertretenden US-Außenministers John Negroponte und des Unterstaatssekretärs für Südasien, Richard Boucher, hat in Islamabad nicht gerade Begeisterung ausgelöst. Im Gegenteil: Die Mission musste sich einen kühlen Empfang und ungewohnt kritische Bemerkungen gefallen lassen.

Während der neue Premier Jusuf Raza Gillani am Dienstag (25. März) von Präsident Pervez Musharraf vereidigt wurde, sprachen Negroponte und Boucher mit Nawaz Sharif, dem Chef der Pakistanischen Muslimliga (N), die Teil der Koalitionsregierung ist. Der Blitzbesuch zu einem solchen Zeitpunkt vermittelte den Eindruck, Washington wolle in Islamabad die Weichen stellen, der Allianz politische Bedingungen diktieren und demonstrieren, dass die USA nach wie vor als »politischer Gottvater hinter Musharraf« stehen. So jedenfalls lauteten Kommentare in den pakistanischen Medien. Die Zeitung »The News« gab ihrem Leitartikel am Dienstag die Überschrift: »Hände bitte weg, Uncle Sam«.

Ganz auf dieser Linie muss auch Sharif mit den Gästen konferiert und neue Akzente für den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus gesetzt haben. Vor der Presse erklärte er anschließend: »Wenn Amerika sich selbst frei von Terrorismus sehen möchte, wollen wir ebenso, dass unsere Dörfer und Städte nicht bombardiert werden.« Damit spielte er auf die zuletzt vermehrten US-Luftangriffe auf Ortschaften im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet an, wo Stammesmilizen angeblich mit Taliban und Al Qaida kollaborieren.

Die Bombardements werden von der Bevölkerung Pakistans überwiegend abgelehnt, und die selbstmörderischen Sprengstoffanschläge, die seit Jahresbeginn Hunderte Menschenleben kosteten, werden damit in direkten Zusammenhang gebracht. Ein PML(N)-Sprecher kommentierte: »Niemand unterstützt Terrorismus, aber es gibt verschiedene Wege, ihm zu begegnen.«

Nawaz Sharif führte weiter aus, er habe den Beamten aus dem Weißen Haus »ganz offen« gesagt, dass es für Pakistan nicht länger akzeptabel sei, der Welt Frieden geben zu wollen und »unser eigenes Land zu einem killing field zu machen«. Musharrafs »Ein-Mann-Show« sei vorüber. Es bestehe jetzt eine völlig veränderte Situation mit einem repräsentativen Parlament, das alle politischen Entscheidungen Musharrafs überprüfen werde. Premier Gillani hatte als erste Amtshandlung bereits am Montag den Hausarrest für den von Musharraf geschassten Chefrichter Iftikhar Chaudhary aufheben lassen. Ebenfalls bemerkenswert: Armeechef Ashfaq Parvez Kayani entfernte in dieser Woche zwei Generäle, die enge Vertraute Musharrafs waren, aus Schlüsselpositionen.

Der PML-Chef nahm gegenüber den Gästen kein Blatt vor den Mund. Asif Ali Zardari, der die Volkspartei (PPP) leitet, gab sich dagegen vorsichtiger und mied nach den Gesprächen die Medien. Einer seiner Berater äußerte jedoch, auch Zardari habe klar gemacht, die alten Zeiten seien vorbei. Dass über die Begegnung von Musharraf mit Negroponte und Boucher keine Details bekannt wurden, lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Zwischen ihnen besteht nach wie vor hundertprozentige Meinungsübereinstimmung, oder Washington ist doch dabei, umzusatteln und sich auf die neuen Verhältnisse in Pakistan einzustellen.

In einem Telefonat mit US-Präsident George W. Bush sicherte Premier Gillani zwar die Fortsetzung des Kampfes gegen Terrorismus und Extremismus zu, erweiterte den Rahmen dafür jedoch unmissverständlich. In einer offiziellen Erklärung über das Telefongespräch hieß es, Gillani sagte, »dass ein umfassendes Herangehen erforderlich ist, besonders eine mit Entwicklungsprogrammen kombinierte politische Annäherung«. Auch das ein Signal, dass in Islamabad die Uhren anders zu ticken beginnen.

* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2008


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