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Keine "Bananenrepublik"

Empörung in Pakistan über Washingtons militärische Drohung

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die öffentliche Empörung über eine von den USA ins Auge gefaßte Militäraktion im nordwestlichen Teil Pakistans ist eindeutig. Deren Tenor lautet: »Wir sind keine Bananenrepublik.« Washingtons Geheimdienstchef Mike McConnell hatte zu Wochenanfang (23. Juli) den Standpunkt der Bush-Administration bekräftigt, wonach die Regierung in Islamabad es Al Qaida erlaubt habe, sich auf pakistanischem Gebiet neu zu formieren. Zuvor hatte schon US-Sicherheitsberaterin Frances Townsend in Fernsehinterviews angedeutet, eine Militäraktion gegen Taliban- und Al-Qaida-Schlupfwinkel auf pakistanischem Territorium sei durchaus denkbar.

Daraufhin sah sich die Regierung Pakistans zu einer scharfen Reaktion veranlaßt. Premier Shaukat Aziz äußerte, Islamabad werde keine Attacke der USA zulassen. »Pakistans Soldaten können entsprechend den Erfordernissen handeln. Wir brauchen keine Truppen von irgendwoher, um uns zu helfen. Die Souveränität, Integrität und Sicherheit liegen in unserer Verantwortung. Wir sind sehr wohl in der Lage, uns selbst zu verteidigen und abzusichern. Wir wissen, daß wir unsere Verantwortlichkeiten ausüben können...«.

Außenminister Mahmud Kasuri konnte bei einer Stellungnahme gegenüber einem indischen Fernsehsender seinen Zorn nur mit Mühe zügeln, und Außenamtssprecherin Tasnim Aslam äußerte, jegliches Eingreifen von außen sei »inakzeptabel«. Die Medien, politische Kommentatoren, der frühere Geheimdienstchef Hamid Gul und andere warnten vor verheerenden Konsequenzen eines Eingreifens von US-Soldaten in den Konflikt im pakistanischen Stammesgebiet. Die latent vorhandene antiamerikanische Haltung in der dortigen Bevölkerung könne zu einer Explosion führen.

"Wir schließen wir keinerlei Optionen aus"

Die USA halten sich bei ihrem Kampf gegen den internationalen Terror die Möglichkeit von Angriffen auf dem Gebiet ihres Verbündeten Pakistan offen. In dieser Frage "schließen wir keinerlei Optionen aus", sagte US-Präsidentensprecher Tony Snow am Donnerstag in Nashville. Snow ließ offen, ob US-Präsident George W. Bush in einem solchen Fall seinen pakistanischen Kollegen Pervez Musharraf um Zustimmung bitten würde. Der Sprecher äußerte sich am Rande von Bushs Besuch im US-Bundesstaat Tennessee.
Agenturmeldung (AFP), 20. Juli 2007



Die Drohung Washingtons kommt Präsident Musharraf höchst ungelegen. In der Region Nordwasiristan und in Belutschistan kamen in diesem Monat –nach der opferreichen Eroberung der Roten Moschee von Islamabad – bislang rund 200 Polizisten und Soldaten durch Attacken protalibanischer Milizen auf Militärkonvois ums Leben. Die Stammeskämpfer in Nordwasiristan hatten in der vergangenen Woche ein Friedensabkommen mit Islamabad gekündigt, das den Abzug der Soldaten und ein gleichzeitiges Ende der Beherbergung von militanten Taliban und Al-Qaida-Kadern vorsah. Im Grenzgebiet zu Afghanistan sind seit dem 11. September 2001 über 80000 Soldaten stationiert. 900 wurden bei diesem Einsatz getötet. Deshalb argumentiert der Präsident in Uniform, der Vorwurf aus westlichen Kreisen, er tue nicht genug im »Antiterrorkampf«, sei haltlos. Kein Land habe dabei bisher so viele Opfer gebracht wie Pakistan.

Auch an der politischen Front mußte Musharraf vorige Woche eine spektakuläre Niederlage hinnehmen. Der Höchste Gerichtshof erklärte die »Suspendierung« von Chefrichter Iftikhar Chaudhry für illegal und ordnete dessen sofortige Wiedereinsetzung an. Erstmals in Pakistans 60jähriger Geschichte wurde damit die Entscheidung eines Militärherrschers revidiert. Die Juristen und große Teile der Bevölkerung feierten das als Sieg ihrer immer mächtiger werdenden monatelangen Kampagne gegen den im März inszenierten Willkürakt des Präsidenten.

* Aus: junge Welt, 25. Juli 2007


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