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Marionetten zu Diensten

US-Regierung erzwingt Freilassung eines CIA-Agenten, der in Pakistan wegen zweifachen Mordes angeklagt war

Von Knut Mellenthin *

Der wegen zweifachen Mordes angeklagte CIA-Agent Raymond Davis ist wieder frei. Ein Gericht in Lahore stellte am Mittwoch das Verfahren gegen ihn ein, nachdem angeblich die Angehörigen seiner Opfer der Zahlung einer Geldbuße zugestimmt hatten. Der US-Amerikaner hatte in der nordwestpakistanischen Stadt am 27. Januar zwei junge Männer erschossen. Angeblich fühlte er sich von ihnen bedroht, weil sie seinem Auto auf einem Motorrad gefolgt waren. Die Staatsanwaltschaft hatte das Notwehr-Argument jedoch zurückgewiesen: Nach den kriminalpolizeilichen Ermittlungen gab der CIA-Mann zehn Pistolenschüsse ab, die alle trafen – mehrere davon im Rücken, als die Männer zu fliehen versuchten. Davis ist ein bestens trainierter Schütze, der jahrelang einer Spezialeinheit der US-Streitkräfte angehörte. Außerdem, so die Anklage, habe kein einziger Augenzeuge die Behauptung des Amerikaners bestätigt, daß einer der beiden Männer ihn mit einer Waffe bedroht habe.

Der Prozeß gegen Davis fand am Mittwoch vormittag im Untersuchungsgefängnis Kot Lakhpat unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die Anwälte der Angehörigen berichteten später den Medien, daß sie mehrere Stunden lang widerrechtlich unter Arrest gestellt worden seien, um ihre Teilnahme an der Verhandlung zu verhindern.

Daß ein Verfahren eingestellt werden kann, wenn das Opfer oder im Fall eines Mordes dessen Angehörige dem Täter »vergeben« – in der Regel gegen Zahlung eines sogenannten Blutgeldes – entspricht islamischem Recht und ist in Pakistan durchaus üblich und legal. Wie weit das hier aber wirklich der Fall war, ist ungewiß. Shumaila Kanwal, die mit einem der beiden von Davis getöteten Männer verheiratet war, ist nicht mehr am Leben. Sie schluckte Anfang Februar Rattengift und starb mehrere Stunden später an den Folgen. Als Begründung ihrer tragischen Entscheidung sagte sie den Ärzten im Krankenhaus, sie sei überzeugt, daß die Regierung den Mörder ihres Mannes laufen lassen werde. Ihre Schwester Ayesha erklärte jetzt zur Entscheidung des Gerichts, ihr sei von irgendeiner Einigung mit den Angehörigen nichts bekannt. Sie habe sich nicht dafür ausgesprochen, sondern wolle Gerechtigkeit. Noch ist unklar, welche Angehörigen der »Blutgeld«-Lösung zugestimmt haben und unter wie großem Druck sie dabei gestanden haben.

Die US-Regierung hatte von Anfang an die sofortige Freilassung von Davis gefordert, da er unter dem Schutz der diplomatischen Immunität stehe. Sie hielt daran auch fest, als völlig klar war, daß der Todesschütze keineswegs ein Diplomat war, sondern als Angestellter einer privaten Sicherheitsfirma für den Auslandsgeheimdienst CIA gearbeitet hatte. Kongreßpolitiker hatten damit gedroht, die zivile und militärische Finanzhilfe an Pakistan zu stoppen, falls die Regierung in Islamabad nicht die Freilassung von Davis veranlassen würde.

Nach ersten Pressemeldungen wurde der CIA-Mann nach der überraschenden Einstellung des Verfahrens sofort zum Flughafen gebracht und ausgeflogen. Nicht nur die Freilassung von Davis, sondern auch die Umstände dieser Aktion werden in großen Teilen der pakistanischen Bevölkerung das ohnehin bestehende, sachlich begründete Bild verstärken, daß ihre Regierung aus Marionetten der USA besteht.

* Aus: junge Welt, 17. März 2011


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