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Wahl als Farce

Musharraf gewinnt Präsidentenvotum in Pakistan. Jetzt muß er auf ein Gerichtsurteil zu seiner Bestätigung warten

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Mindestens zehn Tage Ungewißheit in Pakistan: Wird der alte auch der neue Staatspräsident? Laut Angaben von Chefwahlkommissar Qasi Muhammad Farooq entfielen auf General Pervez Musharraf bei den Wahlen am Sonnabend die meisten Stimmen. Doch ob er erneut Staatsoberhaupt wird, entscheidet der Oberste Gerichtshof frühestens am 17. Oktober.

Man war unter sich

Den Richtern liegen mehrere Petitionen vor, in denen die Legitimität der Kandidatur Musharrafs wegen seiner Doppelrolle als Staatsoberhaupt– und Militärchef als verfassungswidrig bezeichnet wird. Die nächste Anhörung der Petitionen soll am 17. Oktober erfolgen. Bei dem Votum vom Samstag im Parlament in Islamabad und in den vier Provinzparlamenten von Punjab, Sindh, Belutschistan und Nordwest-Grenze waren die Abgeordneten von Musharrafs regierender Pakistanischer Muslimliga (Qaid) und ihre Koalitionspartner fast unter sich. Die Abgeordneten der Pakistanischen Volkspartei von Benazir Bhutto (PPP) enthielten sich der Stimme. Und fast 200 Mitglieder der Allparteien-Demokratiebewegung hatten bereits vor der Wahl ihr Mandat niedergelegt und waren gar nicht erst erschienen. Pervez Musharrafs »Hauptrivale« Wajihuddin Ahmad, ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichts, der sich nach dem Putsch des Generals im Oktober 1999 geweigert hatte, dessen Regime nachträglich juristisch abzusegnen, erhielt fünf Stimmen.

Außer dem Boykott und den Stimmenthaltungen stand die Präsidentenwahl im Zeichen von Protesten in mehreren Städten. In Karatschi ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vor. In Peshawar artete eine Kundgebung von Juristen in Gewalt aus. Es gab Steinwürfe, und ein Polizeijeep ging in Flammen auf. Unter Rufen »Go Musharraf go« wurde eine Strohpuppe abgefackelt. Die Polizei griff mit Schlagstöcken ein und nahm etliche Personen fest. In Islamabad protestierten zwei Dutzend Bürgerrechtler gegen die Wahl. Asma Jehangir, die Vorsitzende der nichtstaatlichen Menschenrechtskommission Pakistans, erklärte: »Wir wollen nicht, daß die Welt glaubt, dies sei eine Nation ohne Gewissen. Es gibt Menschen, die eine Militärherrschaft ablehnen.«

Bhutto kommt

Daß die Wahl nicht vollends zur Farce geriet, verdankte die Regierung der PPP, mit der sie am Freitag eine Vereinbarung zu nationaler Aussöhnung abgeschlossen hatte. Sie enthält als wesentlichen Punkt eine Amnestie für politisch Geächtete und ermöglicht der im Exil lebenden PPP-Chefin Benazir Bhutto die für den 18. Oktober angekündigte Rückkehr in die Heimat. Wegen dieser Vereinbarung zog die Partei ihre Abgeordneten nicht aus den Volksvertretungen zurück.

Die laufende Amtszeit von Präsident Pervez Musharraf endet am 15. November. Er versicherte wiederholt, daß er dann seinen Posten als Chef der Streitkräfte zur Verfügung stellen würde, allerdings nur im Falle eines Wahlsiegs am 6. Oktober.

* Aus: junge Welt, 8. Oktober 2007


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