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Kein Kurswechsel

Pakistan nach Musharrafs Abtritt

Von Knut Mellenthin *

Seit 61 Jahren existiert der Staat Pakistan. Über die Hälfte dieser Zeit wurde das Land mehr oder weniger autokratisch von Militärs regiert. Alle waren sie »strategische Verbündete« der USA. Denn auch wenn Washington »Freedom and Democracy« als Werbefahne vor sich herträgt -- in der politischen Wirklichkeit läßt es sich, zumindest in manchen Teilen der Welt, mit Autokraten einfacher und zuverlässiger schalten und walten als mit politischen Parteien und gewählten Regierungen.

Die US-Administration hatte deshalb fast bis zuletzt an Präsident Pervez Musharraf festgehalten, der sich 1999 an die Macht putschte und der am Montag seinen Rücktritt bekanntgab, um einer förmlichen Amtsenthebung durch die beiden Häuser des Parlaments zu entgehen. Erst nachdem die regierenden Parteien Pakistans zugesichert hatten, daß der General nicht mit einem Strafverfahren rechnen muß und sich selbst entscheiden kann, ob er sich künftig einen Wohnsitz im Land wählen oder lieber ins Exil gehen will, gab Washington den Weg zu seiner Ablösung frei.

Noch bis vor wenigen Monaten hatte die US-Administration die Volkspartei (PPP) der im Dezember vorigen Jahres ermordeten Politikerin Benazir Bhutto gegen ein Amtsenthebungsverfahren beeinflußt und damit eine Krise der pakistanischen Regierungskoalition heraufbeschworen. Daß Musharraf nicht mehr zu halten war, hätte selbst der US-Regierung spätestens nach der Parlamentswahl im Februar klar sein müssen, bei der die den Präsidenten stützenden Kräfte eine schwere Niederlage erlitten. Die Sympathiewerte des Generals, der im Oktober 2007 auf illegale Weise seine Wiederwahl zum Präsidenten bewerkstelligt hatte, fielen immer tiefer. Eine Umfrage im Juli ergab, daß über 80 Prozent der pakistanischen Bevölkerung seine Absetzung befürworteten. Damit war es auch für die PPP nicht mehr möglich, sich einem Absetzungsverfahren gegen Musharraf zu verweigern.

Trotz verunsichert klingender Kommentare in den Mainstreammedien der USA wird sich durch den Rücktritt des pakistanischen Präsidenten nicht viel ändern. Die Armee und der eng mit der CIA verflochtene Geheimdienst ISI behalten weiter ihre nur bedingt Demokratie-kompatible Macht. Für die Aufstandsbekämpfung im Nordwesten des Landes, in den Grenzgebieten zu Afghanistan, hat die Regierungskoalition der Armee weitgehend freie Hand gegeben. Der Bürgerkrieg wird dort seit einigen Monaten brutaler geführt als in der meisten Zeit der Herrschaft Musharrafs.

Washington wünscht sich von den pakistanischen Regierungsparteien eine stärkere Propaganda für diese Kriegführung, um dem sachlich durchaus zutreffenden Eindruck entgegenzutreten, daß es dabei in erster Linie um US-Interessen geht. Das aber dürfte schwerfallen: Laut Umfragen unterstützen nur 27 Prozent der Pakistanis den Krieg ihrer Armee gegen die eigene Bevölkerung.

* junge Welt, 20. August 2008

Beratungen über Musharraf-Nachfolge in Pakistan

Einen Tag nach dem Rücktritt von Staatschef Pervez Musharraf in Pakistan hat die Regierungskoalition die Beratungen über dessen Nachfolge aufgenommen. Die Spitzen der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und der Muslim-Liga (PML-N) kamen dazu am Dienstag (19. August) in Islambad zusammmen. Bei dem Treffen sollte auch über die Wiedereinsetzung der von Musharraf entlassenen Obersten Richter sowie die allgemeine politische Lage der von islamistischer Gewalt bedrohten Atommacht beraten werden, so ein PPP-Sprecher. An den Beratungen nahmen nach Angaben des pakistanischen Fernsehens Nawaz Sharif von der PML-N, der Witwer der ermordeten früheren Premierministerin Benazir Bhutto, Asif Ali Zardari, sowie deren Sohn Bilawal Bhutto Zardari von der PPP teil. Nach dem Rückzug Musharrafs übernahm zunächst Senatspräsident Mohammedmian Soomro kommissarisch das höchste Staatsamt.
(AFP/jW)




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