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Berufsbildung in Handarbeit

Afghanische Flüchtlingsfrauen in Pakistan versuchen, sich als Näherinnen eine Einkommensquelle zu erschließen

Von Ashfaq Yusufzai, IPS *

Viele afghanische Flüchtlinge haben in Pakistan seit Ende der 1970er Jahre eine Zuflucht gefunden. Von einem auskömmlichen Einkommen können sie allerdings in den meisten Fällen nur träumen, so wie Naseema Nashad. Die Afghanin war erst 25, als Kämpfer der Taliban die Hauptstadt Kabul erstürmten. »Mein Vater blieb da, um sein kleines Geschäft weiterzuführen. Er schickte uns jeden Monat Geld, mit dem wir unsere siebenköpfige Familie ernähren und die Miete in Peshawar zahlen konnten«, erzählt sie. 1999 töteten die Taliban Nashads Vater. Nashad schlägt sich seither mit Gelegenheitsjobs durch. Sie wünscht sich eine Vollzeitbeschäftigung.

Diesen Traum hofft sie nun mit Unterstützung eines Berufsbildungszentrums der unabhängigen »Afghanischen Frauenorganisation« in Peshawar in die Tat umsetzen zu können. »Ich habe nähen und sticken gelernt. Bald werde ich bei mir zu Hause ein kleines Atelier aufmachen. Einige Frauen, die früher in dem Zentrum ausgebildet wurden, helfen mir«, erzählt sie. Tausende Flüchtlingsfrauen haben sich in den vergangenen fünf Jahren auf diese Weise Handarbeitskenntnisse angeeignet. Jede von ihnen hat eine eigene Geschichte zu erzählen. Die 14jährige Gul Pari kam vor sieben Jahren aus Afghanistan nach Peshawar. Heute betreiben Gul und ihre jüngere Schwester Jamila eine Änderungsschneiderei. Sie wohnen nach wie vor in einer einfachen Lehmhütte, verdienen aber mittlerweile so viel Geld, dass sie die gesamte Familie versorgen können.

Safoora Stanikzai, die Leiterin der Afghanischen Frauenorganisation, berichtet, dass sie seit der Eröffnung des Zentrums etwa 4.000 Frauen fortgebildet hat. »Die meisten waren entweder Witwen oder Waisen aus Afghanistan, die männliche Familienmitglieder verloren haben und in Pakistan in großen Geldschwierigkeiten waren.«

Von der Organisation, die mit wenig Geld auskommen muss, erhalten die Teilnehmerinnen nach Abschluss des Trainings Nähmaschinen. Stanikzai spricht auch Frauen an, die auf den Straßen und auf Märkten betteln, um ihnen eine neue Chance zu bieten. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR leben etwa 1,6 Millionen Afghanen legal in Pakistan. Die Dunkelziffer der Menschen ohne Papiere dürfte aber weit höher sein.

Nach Ansicht von Ahmed Rasool, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität von Kabul, haben die verarmten afghanischen Flüchtlinge keine andere Wahl, als in Pakistan zu bleiben: »Der seit mehr als drei Jahrzehnten andauernde Konflikt trifft Frauen am härtesten. Sie haben Väter, Ehemänner und andere männliche Familienmitglieder verloren und können kaum für ihren Lebensunterhalt aufkommen.«

Die früher reichliche finanzielle Unterstützung aus dem Ausland wird allerdings immer spärlicher. Internationale Hilfsorganisationen haben die Region verlassen. Die pakistanische Regierung, die es kaum schafft, die eigene verarmte Bevölkerung im Norden zu unterstützen, kann nur wenig für die Flüchtlinge abzweigen. Ihnen wird nun gesagt, dass sie sich bereits zu lange in dem Land aufhalten. Initiativen wie Stanikzais Zentrum sind also geradezu Oasen.

Shamin Ara, die vor fünf Jahren dort ausgebildet wurde, ist nur ein Beispiel für den Erfolg der Initiative. Sie kam 1992 nach Pakistan, und ihr Vater starb vor sechs Jahren an Tuberkulose. Ihr sei nichts anderes übriggeblieben, als wohlhabende Verwandte um Almosen zu bitten, sagt sie. Nun verdient sie aber aus eigener Kraft umgerechnet 150 US-Dollar im Monat durch Nähen und Sticken. Das durchschnittliche Jahreseinkommen in dem Land beträgt etwa 1.250 US-Dollar.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. Februar 2015


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