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Da waren es nur noch neun

Pakistan geht auf Distanz zur saudisch geführten Kriegskoalition im Jemen. Enge militärische Zusammenarbeit besteht fort

Von Knut Mellenthin *

Pakistan beteiligt sich nicht an der von Saudi-Arabien angeführten Militärintervention im Jemen. Das ist nach vier Debattentagen Konsens in beiden Häusern des pakistanischen Parlaments. Diese Mitteilung machte der Berater des Regierungschefs für Außenpolitik und Nationale Sicherheit, Sartaj Aziz, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Er trägt diesen Titel, weil sich Premier Nawaz Scharif die Funktion des Außenministers selbst vorbehalten hat.

Die Empfehlungen der Abgeordneten und Senatoren legten nahe, dass Pakistan sich nicht an »offensiven Aktionen« beteiligen, sondern sich bemühen solle, zu vermitteln und »auf eine friedliche Lösung des Konflikts durch Dialog hinzuwirken«, sagte Aziz. Die Sondersitzung des Parlaments, die am Montag begonnen hatte, wurde auch am Donnerstag fortgesetzt. Es wurde mit der Verabschiedung einer, möglichst einstimmigen, Schlussresolution zum Jemen-Thema gerechnet, doch lag diese bis jW-Redaktionsschluss nicht vor.

Saudi-Arabien hatte am 26. März mit Luftangriffen gegen militärische und zivile Ziele im Jemen begonnen, um den gestürzten und nach Riad geflüchteten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi zu unterstützen. Gleichzeitig behauptete das saudische Regime, an der Spitze einer Koalition von insgesamt zehn Staaten zu stehen, die an der Intervention beteiligt seien. Darunter wurde ausdrücklich auch Pakistan genannt. In Wirklichkeit war die Regierung in Islamabad vor dem Angriffsbefehl nicht konsultiert, sondern nur ganz kurz vorher informiert worden, wie während der Parlamentsdebatte deutlich wurde. Einer hochrangig besetzten Regierungs- und Militärdelegation, die in der vorigen Woche Gespräche in Riad führte, wurde mitgeteilt, dass die Saudis auf die Entsendung von pakistanischen Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen und Bodentruppen hoffen.

Saudische Medien hatten am zweiten Tag nach Beginn der Militärintervention gemeldet, Premier Scharif habe dem König telefonisch versichert, dass ihm »das gesamte Potential der pakistanischen Streitkräfte« zur Verfügung stehe. Ob Scharif, der den Saudis viel verdankt und bei ihnen nach seinem Sturz durch einen Militärputsch im Oktober 1999 Zuflucht gefunden hatte, sich wirklich so ausdrückte, ist ungewiss. Öffentlich erteilte Verteidigungsminister Khawaja Asif den Saudis schon am 27. März eine Absage: »Wir werden uns nicht an irgendeinem Konflikt beteiligen, der zu Meinungsverschiedenheiten in der muslimischen Welt führt.« Spaltungen mit religiösem Hintergrund müssten eingedämmt, nicht verschärft und ausgeweitet werden.

Asif gab damals schon den Ton vor, der in dieser Woche auch die Parlamentsdebatte prägte: Saudi-Arabien habe sich gegenüber Pakistan stets »wie ein großer Bruder« verhalten, was sich auf Riads existentielle Rolle als Geldgeber bezieht. Sollte irgendwann Saudi-Arabiens Souveränität oder territoriale Integrität bedroht sein, könnte es der militärischen Hilfe Pakistans sicher sein. Aber darum gehe es gegenwärtig nicht. Pakistan wünscht eine Vermittlerrolle der Organisation Islamischer Staaten, OIC, und des UN-Sicherheitsrats. Unter diesen Umständen wäre es vermutlich, wie Regierungspolitiker andeuteten, auch bereit, sich an einer internationalen Friedenstruppe zu beteiligen.

Die militärische Zusammenarbeit zwischen Islamabad und Riad ist traditionell sehr eng, beide Länder sind durch einen Pakt verbunden. Während des Afghanistan-Kriegs in den 80er Jahren kooperierten beide Staaten mit den USA bei der Bewaffnung, Finanzierung und Lenkung der islamistischen Mudschaheddin. Während des US-Kriegs gegen den Irak 1991 entsandte Pakistan 13.000 Soldaten und 6.000 Militärberater nach Saudi-Arabien. Einige hundert Angehörige der pakistanischen Streitkräfte befinden sich ständig als Ausbilder im Partnerland. Regelmäßig finden gemeinsame Übungen und Manöver statt, so auch gegenwärtig. Die Übung begann am 29. März, hat aber angeblich mit der Intervention im Jemen nichts zu tun. Pakistan ist mit mindestens 290 Soldaten beteiligt.

* Aus: junge Welt, Freitag, 10. April 2015


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