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Außer Spesen nichts gewesen?

Eine Nachlese zum Besuch des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas in Washington

Nur schöne Worte für Abbas

Kaum Substanzielles bei USA-Visite des Palästinenserpräsidenten

Von Max Böhnel, New York*


Schulterklopfen, Taschengeld und freundliche Ermahnungen gab es reichlich in Washington für den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, doch keine USA-Garantie für den Friedensprozess.

»Präsident Abbas ist ein mutiger Mann«, lobte USA-Präsident George Bush den Palästinenserpräsidenten, während der so Geadelte in die Washingtoner Sonne lächelte. »Wir stehen an Ihrer Seite, Herr Präsident, wenn Sie Korruption bekämpfen, die palästinensischen Sicherheitskräfte und Ihr Justizsystem reformieren sowie Ihre Wirtschaft wiederbeleben«, beteuerte der Gastgeber.

Bushs freundliche Worte am Mittwoch hatten einerseits hohen Symbolcharakter. Denn Abbas Vorgänger Yasser Arafat war im Weißen Haus unter Bush eine Persona non grata. Zum ersten Mal seit Januar 2001, als der damalige USA-Präsident William Clinton Arafat zum letzten Mal empfangen hatte, durfte wieder ein palästinensischer Präsident in Washington seine Runden drehen. Andererseits nimmt Abbas außer 50 Millionen Dollar für den Wohnungsbau im Gazastreifen nach Israels Rückzug, der im August geplant ist, nichts Konkretes mit nach Hause.

Selbst ein Garantieschreiben, das Washingtons Entschlossenheit unterstrichen hätte, als »ehrlicher Makler« im Nahostfriedensprozess zu wirken, blieb ihm versagt, während Israels Premier Ariel Scharon ein solches erhalten hatte. Außenministerin Condoleezza Rice werde möglicherweise noch im Juni zu Verhandlungen nach Jerusalem und Ramallah reisen, hieß es lediglich in Washington.

Ansonsten listete Bush die seit Jahren gewohnten Mahnungen an beide Seiten auf: Israel dürfe die jüdischen Siedlungen in der Westbank nicht erweitern, müsse sein Militär aus Westbank-Städten abziehen und die Kontrollstellen der Armee abbauen. Die so genannte Sicherheitsmauer solle außerdem der »Sicherheit dienen und keine politische Mauer sein«. Bush rief Abbas nicht direkt zur Zerschlagung von Hamas auf, mahnte aber das Vorgehen »gegen terroristische Organisationen« an.

Abbas war zuvor in einem Washingtoner Hotel mit 60 Vertretern jüdischer Organisationen zusammengetroffen, vor denen er seine Herangehensweise im Fall der Hamas erläutert hatte: Schwächung durch Einbindung in den politischen Prozess. Darüber hinaus bat er um Unterstützung für Parallelverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Denn nach dem israelischen Rückzug aus Gaza stünden Verhandlungen zum permanenten Status ausgeklammerter Probleme an, vor allem zur Jerusalemfrage und zum Problem der palästinensischen Flüchtlinge.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Mai 2005

Ein Bittsteller sprach vor

Mit Yifat Susskind, Nahostexpertin der New Yorker Menschenrechtsorganisation »Madre«, sprach unser New Yorker Korrespondent Max Böhnel, über die Abbas-Visite in Washington.

ND: Wie ist Ihr erster Eindruck vom Besuch von Mahmud Abbas in Washington?

Susskind: Um zu erkennen, dass Abbas ein Bittsteller war, der in Washington kaum mit Substanziellem zu rechnen hatte, musste man sich nur die Reden anhören, die auf der Jahreskonferenz der Israel-Lobby AIPAC, die am Dienstag zu Ende ging, gehalten wurden. Die politische USA-Elite von Condoleezza Rice bis Hillary Clinton war vertreten, und unisono wurden die Palästinenser kritisiert. Auch Ariel Scharon sprach, und er war ironischerweise einer der wenigen, die sich mit Sympathie über die Palästinenser äußerten.

Immerhin versprach Bush den Palästinensern finanzielle Unterstützung.

50 Millionen Dollar, die Bush ihnen zugesagt hat, sind ein kleines Sümmchen, aber Abbas kann in Gaza wenigstens ein bisschen vorzeigen. Verändern wird das Geld jedoch nichts. Der Rest waren die altbekannten schönen Worte und Ermahnungen.

Fassen die Palästinenser diplomatisch wieder Fuß?

Das liegt in Israels Interesse. Scharon tourte ja kurz vor dem Abbas-Besuch durch die USA und versuchte, seinen Gaza-Abzugsplan anzupreisen. Dazu braucht er Abbas. Scharons Likud ist seit dem Gaza-Plan gespalten. Zudem hat er die extreme Rechte in Israel und in den USA gegen sich aufgebracht. Nun hat sich Bush hinter Scharon und Abbas gestellt. Letztlich war das Händeschütteln von Abbas und Bush notwendig, um das Ansehen der USA in der arabischen Welt und in Westeuropa nicht noch weiter sinken zu lassen. Es muss wenigstens der Anschein erweckt werden, als gäbe es einen Friedensprozess.

War Bushs Kritik an der Siedlungspolitik nicht sehr deutlich?

Das gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire Washingtons und ist nichts als Rhetorik. In seiner Pressekonferenz mit Abbas erwähnte Bush nicht einmal das internationale Recht. Er überging drei Dutzend bindende Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats, die sich auf die Besetzung und Kolonisierung des Gazastreifens und der Westbank beziehen. Und zugleich versuchen seine Parteikollegen im Senat, den rechtsextremen Unilateralisten John Bolton als UNO-Botschafter der USA durchzuboxen.

Aus: Neues Deutschland, 28. Mai 2005


Auch die Neue Zürcher Zeitung äußerte sich sehr zurückhaltend, was die Zusagen der US-Administration an die Adresse von Abbas betrifft:

(...) Zum andern versprach Bush der Autonomiebehörde 50 Millionen Dollar für den Wohnungsbau und Infrastrukturprojekte im Gazastreifen. Viel ist dies allerdings nicht. Die Absicht der Regierung, Abbas mit Geld unter die Arme zu greifen, stösst auf den energischen Widerstand des Kongresses. In einem Nachtragsbudget hatte Bush im Februar 200 Millionen Dollar für die Palästinenser beantragt. Der Kongress bewilligte die Summe kürzlich zwar, aber ein Viertel davon wird an Israel fliessen, das damit den Bau moderner Grenzterminals rund um Gaza bauen soll.
Auch der Rest geht nicht direkt an die Autonomiebehörde, sondern ist für die Arbeit regierungsunabhängiger Organisationen in der Region bestimmt. Diese Entscheidung ist ein Misstrauensvotum gegen Abbas, dem man eine korruptionsfreie Verwendung der Gelder offenbar nicht zutraut. Bush versuchte diesen Eindruck mit der neuen Subventionszusage zu korrigieren.
(...)
Offenbar vergeblich warb Abbas um eine Zusicherung Bushs, dass die USA Druck auf Israel ausüben und es zur Aufnahme baldiger Friedensverhandlungen bewegen werden. Bush erinnerte nur an die Verpflichtungen Israels gemäss der Road Map und betonte im Übrigen, dass die Schaffung demokratischer Verhältnisse in den Palästinensergebieten den Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden darstelle. (...)

Auszug aus: "Ein halber Erfolg für Abbas", In: Neue Zürcher Zeitung (online), 26. Mai 2005



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