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"Wenn es nach den Wahlen keinen Fortschritt gibt, soll Netanjahu die Verantwortung übernehmen"

Mahmud Abbas droht mit Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde

Von Karin Leukefeld

Sollte Israel nach der Parlamentswahl am 22. Januar 2013 nicht zu Verhandlungen mit den Palästinensern bereit sein, hat der amtierende Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, mit seinem Rücktritt gedroht. „Wenn es nach den Wahlen keinen Fortschritt gibt, werde ich Netanyahu anrufen und ihm sagen, er soll die Verantwortung übernehmen“, wird Abbas in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz zitiert, das die Zeitung am Donnerstag in ihrer Online Ausgabe veröffentlichte. Der israelische Ministerpräsident solle „an meiner Stelle hier auf dem Stuhl sitzen, die Schlüssel nehmen“ und die besetzten Gebiete der West Bank regieren, so Mahmud Abbas.

Palästinensische Medien gingen am Freitag zunächst nicht auf die überraschende Aussage von Mahmud Abbas ein. Unklar ist, ob der Rücktritt des Kabinettsvorsitzenden der Autonomiebehörde, Abu al-Hummus am Mittwoch mit der Ankündigung von Abbas in Verbindung steht. Offiziell hieß es, Al-Hummus werde seine Tätigkeit als Professor an der Birzeit Universität wieder aufnehmen.

Begrüßt wurde die Aussage von Abbas vom Vorsitzenden der rechtsextremen Partei „Unser Haus Israel“, Avigdor Lieberman. Er gratuliere Abbas dazu, dass er „die richtige Schlussfolgerung zieht“, sagte der frühere Außenminister, der Mitte Dezember wegen einem Strafverfahren wegen Korruption zurückgetreten war. „Erst wenn er von der Führung der Palästinensischen Behörde verschwunden ist, wird es möglich sein, den diplomatischen Prozess zu erneuern“, sagte Lieberman. Er könne es „nicht abwarten“. Lieberman führt seine Partei mit einer Koalitionsaussage für Ministerpräsident Benjahmin Netanyahu in die bevorstehenden Neuwahlen.

Die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern über die in Oslo beschlossene Zwei-Staaten-Lösung sind seit September 2010 ausgesetzt. Grund ist, das Israel einen Baustopp für weitere Siedlungen in der besetzten West Bank aufgehoben hatte und immer neue Bauvorhaben in die Wege leitet. Zuletzt kündigte Netanyahu den Bau von mehr als 6000 Wohneinheiten in Siedlungen an, die zwischen Bethlehem und Ostjerusalem liegen und die palästinensischen Gebiete von Ostjerusalem abriegeln. Ostjerusalem soll gemäß der Zwei-Staaten-Lösung Hauptstadt eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 werden. Netanyahu hat jede palästinensische und internationale Kritik an dem völkerrechtswidrigen Siedlungsbau zurückgewiesen. Jerusalem sei „seit 3000 Jahren Hauptstadt des jüdischen Volkes“, sagte er kurz vor Weihnachten (22.12.2012). Wie jede israelische Regierung werde auch seine Regierung in Ostjerusalem bauen. Es sei ihm „egal was die UN sagen wird“.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) war 1994, ein Jahr nach dem Oslo Abkommen (1993) unter Yasser Arafat in der West Bank und Gaza eingerichtet worden. Das Gremium war als Übergangsbehörde gedacht und sollte 1999 von einer palästinensischen Regierung ersetzt werden. Dazu kam es bekanntlich nicht. Stattdessen entwickelte sich – nicht zuletzt unter dem Druck internationaler Geldgeber der PA - eine enge Zusammenarbeit zwischen Israel und palästinensischen Sicherheitskräften, die in Jordanien ausgebildet wurden. Seit die Vereinten Nationen Mitte November den palästinensischen Staat mit dem Beobachterstatus anerkannt haben, hat Israel die polizeiliche Zusammenarbeit mit der PA eingefroren. Steuergelder in Höhe von 100 Millionen US-Dollar, die die Besatzungsmacht für die Autonomiebehörde einsammelt und an diese verpflichtet ist weiterzuleiten, hat Israel einbehalten. Der Siedlungsbau wurde um ein Vielfaches beschleunigt.

Für den Beginn neuer Gespräche fordern die Palästinenser den Stopp des Siedlungsbaus, die Überweisung der Steuergelder und die Freilassung von 120 palästinensischen Langzeitgefangenen. Das seien „keine Vorbedingungen“ betonte Abbas in dem Haaretz-Interview. „Das sind Verpflichtungen, die Israel bereits anerkannt hat.“


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