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"Wir bitten Sie um ein JA zu Palästina in den Vereinten Nationen"

32 deutsche Botschafter und Generalkonsuln im Ruhestand wenden sich in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle


Mit Datum vom 10. Juli 2011 wandten sich 32 ehemaligen Leiter deutscher Auslandsvertretungen an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle mit der Aufforderun, die Frage der Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen mit einem klaren JA zu beantworten. Das Thema, so schrieben die Initiatoren des Appells in ihrem Begleitschreiben, verdiene "die Transparenz einer öffentlichen Diskussion in Deutschland. Bitte haben Sie deshalb Verständnis dafür, dass wir das Schreiben auch an die Medien weiterleiten werden."

Den Medien war der Offene Brief immerhin einiger Meldungen wert. Der Inhalt und die gewichtigen Absender hätten eine größere Medienaufmerksamkeit verdient.

Im Folgenden dokumentieren wir den Brief im Wortlaut sowie die Namen der 32 Unterzeichner/innen.


*****

An die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
Frau Dr. Angela Merkel
An den Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Dr. Guido Westerwelle

Berlin, den 10 Juli 2011

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
sehr geehrter Herr Bundesminister Westerwelle,


wir bitten Sie um ein JA zu Palästina in den Vereinten Nationen. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit zur Beendigung einer unwürdigen Besatzungspolitik.

Der Ministerpräsident Israels hat kürzlich in Washington mit einem vierfachen NEIN die Tür zu Friedensverhandlungen geschlossen:
  • Er hört nicht auf, Siedlungen in den besetzten Gebieten zu bauen.
  • Die Grenzen von 1967 plus Gebietsaustausch sind für ihn inakzeptabel.
  • Zur Flüchtlingsfrage gibt es nichts zu verhandeln.
  • Über Jerusalem will er gar nicht erst reden.
Wir wissen, Sie haben bisher für das Ziel einer Zweistaaten-Lösung auf die Verhandlungsbereitschaft beider Seiten vertraut.

Worüber, glauben Sie, könnten die Palästinenser jetzt noch verhandeln? Ob sie 15 oder 20 % des im Teilungsplan der VN von 1947 für den Staat Palästina vorgesehenen Gebiets behalten dürfen? Über die Zahl der jüdischen Siedlungen, die mitten im palästinensischen Staat verbleiben sollen? Oder über eine fortgesetzte Stationierung israelischer Truppen am Jordan?

Ohne ein markantes Signal von außen bleibt der Nahostkonflikt ungelöst.

Die Bundesregierung betrachtet fast alle der von Israel jetzt als nicht verhandelbar bezeichneten Positionen als unvereinbar mit dem Völkerrecht. So sehen es auch alle anderen Länder der Europäischen Union. Deshalb muss die Bundesrepublik Deutschland in den Vereinten Nationen mit einem Ja zu Palästina einen neuen Weg zum Ende einer Besatzung beschreiten, die nach mehr als 40 Jahren einer Annexion gleichkommt.

Wir lassen uns in der Anerkennung der historischen deutschen Verantwortung für die Existenz Israels von niemandem überbieten. Um so schmerzlicher empfinden wir es, wenn die Regierung Israels wichtige Grundprinzipien der westlichen Wertegemeinschaft missachtet.

Nach dem enttäuschenden Ergebnis des Besuchs Ministerpräsident Netanjahus in Washington ist es jetzt an Europa, mit einer geeinten Stimme dem Frieden im Nahen Osten eine neue Chance zu eröffnen Der überwiegende Teil der Staatengemeinschaft ist dazu bereit.

Auch nach der Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen muß und wird es Verhandlungen geben. Das ist dann der richtige Zeitpunkt, über die legitimen Sicherheitsinteressen beider Seiten zu sprechen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

32 deutsche Botschafter und Generalkonsuln im Ruhestand:
Hans-Dietrich v. Bothmer, Friedrich Catoir, Wolfgang Dix, Rainer Dobbelstein, Ernst-Joachim Döring, Wolfgang Erck, Klaus Franke, Gerhard Fulda, Martin Hecker, Herbert Hoffmann-Loss, Hilmar Kaht, Arne v. Kittlitz, Maren Klingler, Norbert Klingler, Hagen Graf Lambsdorff, Thomas Läufer, Michael Libal, Peter Mende, Gunter Mulack, Gerhard Müller-Chorus, Fritjof v. Nordenskjöld, Erich Riedler, Klaus Ringwald, Martin Schneller, Ulrich Schöning, Uwe Schramm, Helmuth Schroeder, Rolf Schumacher, Cornelius Sommer, Ernst-Jörg v. Studnitz, Bernd Wulffen, Klaus Zehentner


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