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Palästinensische Linke will Vereinigung

Generalsekretäre ernteten bei Konferenz in Ramallah massive Kritik von Aktivisten

Von Peter Schäfer, Ramallah *

Eigentlich sollte über eine Vereinigung der palästinensischen Linken bei der Konferenz der »Strömung für Fortschritt und Demokratie« (Tayyar) in Ramallah diskutiert werden. Stattdessen hagelte es Kritik.

»Ihr seid nie vor Ort. Ihr wisst nicht, was unsere lokalen Probleme sind.« Der junge Aktivist macht seinem Ärger über die Führungen der linken palästinensischen Parteien lautstark bei der linken Ramallah-Konferenz Luft. Die Angesprochenen schauen betreten. Führungsfiguren der drei wesentlichen linken Organisationen präsentierten eben ihre Ansichten zur Vereinigung der hiesigen Linken. Bassam al-Salihi (PPP) spricht sich für eine Runderneuerung und klare Oppositionspolitik aus. Abdelrahim Mallouh (PFLP) sieht seine Organisation nicht als Alternative zu Hamas oder Fatah. Und Qais Abdelkarim (DFLP) legt sich nicht richtig fest. Für das unspezifische Gerede und für die Verfehlungen der letzten Jahrzehnte gibt es jetzt verbale Senge des Publikums, über 300 Linke aus allen Regionen des Westjordanlands und Gaza (über Videokonferenz).

Dieser von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützten Konferenz gingen viele Gespräche unter kritischen Parteimitgliedern und längst ausgetretenen seit mehr als einem Jahr voraus. Die mindestens fünf linken Organisationen müssen sich vereinigen, um nicht von der Bildfläche zu verschwinden. Das ist allen klar. Aber wie das gemacht werden soll, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Deshalb wurden jetzt Vertreter linker Zusammenschlüsse aus mehreren lateinamerikanischen Ländern, Europa und Indien eingeladen, um von deren Erfahrungen zu lernen. »Es wurde ganz klar, dass ein Weiter wie bisher nicht möglich ist«, so Frank Puskarev, Mitarbeiter im Vorstand der Partei DIE LINKE, der in Ramallah den Vereinigungsprozess seiner Partei darstellte. »Auch hier wollen die Leute eine handlungsfähige Linke, die versucht, soziale und Freiheitsrechte durchzusetzen.«

»Wir sind hier alle angeklagt«, eröffnete Bassam al-Salihi, Generalsekretär der Palästinensischen Volkspartei, in weiser Voraussicht seine Rede, »weil es hinsichtlich der Vereinigung keinen Fortschritt gibt«. Diese steht zwar schon seit über 20 Jahren auf der Agenda. Mehrere Versuche scheiterten allerdings, weil stärkere Parteien einen größeren Machtanteil forderten. Die kleineren Parteien haben Angst, schlicht geschluckt zu werden. In den letzten 15 Jahren dienten sich die linken Organisationen politisch der Fatah-Bewegung an, auch weil sie von ihr finanziell vollständig abhängig sind. Ein eigenes Profil ist mittlerweile kaum noch erkennbar. Nun sind für den Januar 2010 aber Parlamentswahlen geplant und die Gefahr ist groß, dass die Linke dann keine Sitze mehr erringt. Der Zwang zur Vereinigung ist also real, das persönliche Machtstreben der Generalsekretäre allerdings ebenso. »Wir könnten die natürlich einfach absetzen«, kommentiert eine Aktivistin, »das Problem ist, dass die Parteimitglieder passiv sind, ihr Job oft von der Partei abhängt und sie auf Anweisungen von oben warten.«

»Die Erfahrungen der linken Organisationen anderer Länder zeigen«, fasst einer der Organisatoren zusammen, »dass unsere Loyalität zu den Menschen und politischen Zielen an erster Stelle stehen muss.« Kadavergehorsam führe zum Niedergang der Linken in Palästina. »Sektierertum, Narzissmus müssen aufhören. Und soziale Werte müssen gelebt werden, wollen wir unsere Glaubwürdigkeit und unsere politische Rolle stärken.«

»Der Rückhalt für die Vereinigung ist klar da, und nach der Konferenz sind die Erwartungen groß«, so Laila Shaar von der Tayyar. »Jetzt müssen wir vor Ort in praktischen Initiativen zusammenarbeiten und den Leuten zeigen, dass die Linke wieder da ist.«

* Peter Schäfer leitet das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Ramallah.

Aus: Neues Deutschland, 29. Juni 2009



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