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Fehdehandschuh begraben

Palästinenser besiegeln in Kairo historische Versöhnung *

Die über Jahre verfeindeten Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas haben am Mittwoch (4. Mai) ihre Versöhnung besiegelt. Beide unterzeichneten in Kairo in feierlichem Rahmen eine entsprechende Vereinbarung.

Mit der Versöhnung zwischen Fatah und Hamas haben die Palästinenser nach den Worten ihres Präsidenten Mahmud Abbas den Weg für einen dauerhaften gerechten Frieden geebnet. Die Palästinenser hätten entschieden, das »dunkle Kapitel der Teilung für immer zu beenden«, sagte Abbas am Mittwoch in Kairo bei der offiziellen Zeremonie zur Unterzeichnung des Versöhnungsabkommens. »Die Versöhnung ebnet den Weg, um das palästinensische Haus in Ordnung zu bringen«, sagte er an der Seite des Exilchefs der im Gaza-Streifen herrschenden Hamas, Chaled Meschaal.

An die Adresse der Israelis gerichtet, die das Abkommen strikt ablehnen, sagte Abbas, der Staat Israel müsse sich zwischen seiner Siedlungspolitik und dem Frieden entscheiden. Abbas warf Israel außerdem vor, die Versöhnung seiner Fatah mit der Hamas als Entschuldigung dafür zu nehmen, keine Friedensverhandlungen mehr zu führen. Meschaal forderte die Bildung eines »souveränen Palästinenserstaates«. Dafür werde sich die Hamas einsetzen.

Die im Westjordanland regierende Fatah und die den Gazastreifen kontrollierende Hamas hatten vergangene Woche überraschend ihre Versöhnung bekanntgegeben. Das Abkommen, das am Dienstag von allen beteiligten Parteien unterzeichnet wurde, sieht die Bildung einer Übergangsregierung unabhängiger Persönlichkeiten vor, die innerhalb eines Jahres Präsidentschafts- und Parlamentswahlen organisieren soll.

Die israelische Armee hat am Dienstag im besetzten Westjordanland einen Parlamentsabgeordneten der Hamas festgenommen. Wie palästinensische Sicherheitsdienste mitteilten, wurde Ali Rumanin am Morgen in seinem Haus nahe Jericho verhaftet. Er war nach mehr als vier Jahren im Gefängnis im Oktober freigekommen. Seitdem nahm die israelische Armee damit insgesamt acht Hamas-Abgeordnete sowie einen Minister der Organisation fest. Sie alle gehören mit einer Ausnahme zu den 2006 festgenommenen 64 Abgeordneten und Regierungsmitgliedern der Hamas.

Israel reagierte mit den Festnahmen auf die Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Schalit durch Palästinenser im Juni 2006 an der Grenze zum Gazastreifen, die er dort von israelischer Seite aus überschritten haben soll. Über die genauen Umstände verweigert Israel nähere Auskünfte. Ungeachtet dessen macht Israel die Hamas im Gaza-Streifen, die von ihr als Terrororganisation eingeordnet wird, verantwortlich, Schalit an einem unbekannten Ort im Gaza-Streifen festzuhalten.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2011


Einheitsschwur in Kairo

Von André Scheer **

Nach vier Jahren gewaltsamer Auseinandersetzungen haben alle wichtigen palästinensischen Organisationen am Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet. Damit solle »das dunkle Kapitel der Teilung für immer beendet« werden, so der palästinensische Präsident Mahmud Abbas, der den Vertrag für die Fatah signierte. Er werde bald in den Gazastreifen reisen, der von der Hamas regiert wird, kündigte Abbas an. Für diese islamische Organisation unterzeichnete Chaled Maschaal das Dokument. Auch Vertreter der linken Organisationen PFLP, DFLP und Palästinensische Volkspartei setzten ihre Namen unter das Dokument. Auf den Straßen von Gaza und in der Westbank feierten die Menschen das Abkommen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur PNN.

Der Konflikt zwischen den beiden größten Palästinenserorganisationen war im Dezember 2006 ausgebrochen, als Sicherheitskräfte der von der Fatah kontrollierten Palästinensischen Autonomiebehörde das Feuer auf eine Demonstration der Hamas in Ramallah eröffneten. In der Folge kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, sodaß die Autonomiegebiete praktisch geteilt wurden: in den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen und das von der Fatah dominierte Westjordanland. Am 14. Juni 2007 erklärte Abbas dann die Auflösung der bis dahin bestehenden Einheitsregierung – die nun wieder entstehen soll. Innerhalb eines Jahren sollen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Die israelische Regierung verurteilte die Aussöhnung der Palästinenser. Abbas müsse sich entscheiden, ob er »lieber Frieden oder die Aussöhnung mit der Hamas« wolle, so Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Bildung einer solchen Regierung bedeute »das Ende des Friedensprozesses«. Abbas wies das zurück. Israel müsse sich vielmehr zwischen seiner Siedlungspolitik und dem Frieden entscheiden. Tel Aviv nutze die Versöhnung der Palästinenser als Entschuldigung, keine Friedensverhandlungen mehr zu führen.

Demgegenüber befürwortete die israelische Friedensbewegung die Verständigung. Der ehemalige Knessetabgeordnete und Aktivist der Menschenrechtsorganisation »Gush Shalom«, Uri Avnery, sagte, er begrüße das in Kairo erreichte Abkommen von ganzem Herzen. »Die Überwindung der Spaltung durch die palästinensische Einheit stellt keine Bedrohung für Israel dar, sondern ist von großem Interesse.« Der Staat Israel müsse ein Friedensabkommen mit der gesamten palästinensischen Bevölkerung schließen, nicht nur mit einzelnen Fraktionen. Das werde durch die Einheitsregierung möglich.

Das sogenannte Nahostquartett aus Europäischer Union, den USA, Rußland und der UNO wurde von dem innerpalästinensischen Friedensschluß offenbar kalt erwischt. Auch die Bundesregierung hielt sich mit einer Einschätzung des Abkommens zurück und will den Besuch von Abbas abwarten, der am heutigen Donnerstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen wird. Ein Vertrauter Abbas’ forderte das Vermittlergremium auf, die Forderung nach einer Anerkennung Israels durch die Hamas fallenzulassen: Präsidentenberater Nabil Schaath sagte am Mittwoch im israelischen Rundfunk, solche Forderungen seien »unfair, unpraktikabel und nicht sinnvoll«. Das Nahostquartett müsse nur wissen, daß sich die Hamas jeglicher Gewalt enthalten werde und am Friedensprozeß interessiert sei.

** Aus: junge Welt, 5. Mai 2011

Hier geht es zum Dokument:

Text of the Agreement between Fatah und Hamas
Die Vereinbarung zwischen Fatah und Hamas im Wortlaut (englisch) (Mai 2011)




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