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Abbas auf Werbetour

Palästinenser vermissen positives Echo

Von Roland Etzel *

Die beiden großen Palästinenser-Organisationen haben sich versöhnt. Doch in den meisten westlichen Regierungen zieht man darüber lange Gesichter. Keine Ausnahme macht dabei Kanzlerin Merkel, die gestern Palästinenserpräsident Abbas empfing.

Das Händeschütteln zwischen Mahmud Abbas und seinem Partner Chalid Meschaal von der bisher verfeindeten Hamas-Organisation am Mittwoch (4. Mai) in Kairo hat endlich stattgefunden. Das macht die Angelegenheit in gewisser Weise historisch. Harmonisch war die von der neuen ägyptischen Führung arrangierte Versöhnung dennoch nicht. Abbas, nicht nur Chef der Fatah-Organisation, sondern auch Palästinenserpräsident, dessen Mandat allerdings bereits 2009 abgelaufen ist, hatte es sich in den Kopf gesetzt, aufgrund seines höheren Ranges beim Pressetermin auch entsprechend erhöht ins Bild gesetzt zu werden. Meschaal bestand aber auf im Wortsinne gleiche Augenhöhe, und so bedurfte es laut Kairoer Medien noch ägyptischer Überzeugungsarbeit, bis Meschaals Anliegen Genüge getan war.

Diese Petitesse ist es aber nicht, die dem Treffen im Westen einen deutlich missbilligenden Ton bescherte. Während die arabische Welt von Marokko bis Oman die Versöhnung lobt bis bejubelt, enthalten sich die USA jeglichen positiven Kommentars. Die US-Regierung prüfe das Abkommen derzeit auf seine »praktische Bedeutung«, sagte ein US-Sprecher am Mittwoch. Ungeachtet dessen verlangte er, dass »die Palästinenser diese Vereinbarung auf eine Weise umsetzen, die den Friedensprozess mit Israel nicht untergräbt«. Der israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor mehrfach gedroht, der Friedensprozess sei schon bei einem Handschlag Fatahs mit der Hamas beendet.

Soweit ging Washington jetzt nicht. Dem Weißen Haus ist offenbar klar, dass man sich damit den ziemlich ungeteilten Zorn der arabischen Volksmassen zuziehen würde. Auch andere taktieren. Angesprochen auf die Bedeutung der Palästinenser-Versöhnung für den Nahen Osten erklärte gestern der britische Premierminister David Cameron wolkig, »mit dem Ende von Bin Laden, dem arabischen Frühling, mit allem, was in der Welt passiert«, sei ein wichtiger Moment für den Friedensprozess gekommen.

Anders, aber auch nicht besonders diplomatisch, hatte sich bislang Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert. Die Bundesregierung bleibe »skeptisch«, weil »die radikal-islamische Hamas weiter das Existenzrecht Israels infrage stellt«, hatte sie zu ihrem Treffen mit Abbas erklärt. Ihr Gast, der die Hamas auch nicht liebt, dürfte ihr gestern Abend im Vier-Augen-Gespräch erklärt haben, dass selbst für ihn dieser deutsche Standpunkt wenig hilfreich sei – auch weil Merkel im Gegensatz zu Frankreich die von Abbas geplante Unabhängigkeitserklärung zuvor erneut zurückgewiesen hatte.

Klar abgelehnt hat der Zentralrats der Juden in Deutschland die Palästinenser-Versöhnung. Zentralratspräsident Dieter Graumann bezeichnete sie am Donnerstag im Deutschlandfunk als »fatale Verbrüderung«. So spreche etwa die Hamas Israel jegliches Existenzrecht ab. Graumann: »Das kann kein Partner für den Frieden sein.«

* Aus: Neues Deutschland, 6. Mai 2011


Merkels saures Gesicht

Von Roland Etzel **

Die palästinensische Versöhnungsfreude wird hierzulande mit gebremstem, aber nicht zu übersehendem Missfallen betrachtet. Das wurde auch beim gestrigen Besuch von Palästinenser-Präsident Abbas in Berlin deutlich. Dessen Partnerin Hamas beim Kairoer Handschlag wird als inakzeptable Terroristentruppe stigmatisiert. Dieses Verhalten, stirnumwölkt als Sorge um den Friedensprozess im Nahen Osten deklariert, ist allerdings bei Lichte besehen eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser. Als läge das Mandat, deren Vertreter zu bestimmen, im Kanzleramt. Von diesem Ross der Hochmut müsste Berlin zuerst mal runter.

Dann gelänge vielleicht auch die Einsicht: Wer tatsächlich für die Gründung eines lebensfähigen Staates Palästina eintritt, wie Berlin auch gestern wieder bekundete, kann eine politische Einigung der beiden größten Palästinenser-Organisationen nur begrüßen. Eine davon ist aber die Hamas. Wer dann noch bereit ist, die Zwischentöne in deren Erklärungen nicht zu überhören, wird ihr einen politischen Entwicklungsprozess kaum absprechen, sondern einräumen. Es ist nicht mehr wahr, dass sie die Existenz Israels rundweg ablehnt. Und vor einem Urteil über manch manch politisch törichte Radikallosung der Hamas sollte ihr konzediert werden: Sie äußert sich nicht in bequemer Salon-Talkrunde, sondern mitten heraus aus dem Elend des seit Jahrzehnten eingepferchten Gaza.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Mai 2011

Hier geht es zum Dokument:

Text of the Agreement between Fatah und Hamas
Die Vereinbarung zwischen Fatah und Hamas im Wortlaut (englisch) (Mai 2011)




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