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Chance für Versöhnung

Fajad tritt zurück. Der amtierende palästinensische Ministerpräsident will den Weg für eine Regierung der nationalen Einheit freimachen

Von Karin Leukefeld *

Der amtierende palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad wird Ende März von seinem Posten zurücktreten. Das erklärte ein Sprecher seines Büros am Wochenende. Auch alle Minister seiner Regierung würden zurücktreten, sobald sich Fatah und Hamas mit den anderen palästinensischen Fraktionen auf die Zusammensetzung einer Regierung der nationalen Einheit geeinigt hätten. Seit Wochen verhandeln beide Seite, anfangs unter ägyptischer Vermittlung, in Kairo über eine neue Regierung. Der Rücktritt von Fajad, der früher als Ökonom bei der Weltbank arbeitete, wurde nun als Zeichen der Versöhnung gegenüber der Hamas gewertet. Deren Sprecher Fawzi Barhoum begrüßte die Entscheidung Fajads.

Verhandlungen in Kairo

Bis Ende März soll ein Vorschlag für die Zusammensetzung einer zukünftigen Regierung vorliegen, doch ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist noch unklar. Am kommenden Dienstag werden die Verhandlungen in Kairo in fünf Komitees fortgesetzt, wobei es um die konkrete Aufgabenstellung und die zukünftige Struktur der politischen Ressorts gehen wird. Ein sechstes Komitee, bestehend aus den Vorsitzenden aller palästinensischen Fraktionen sowie jeweils einem Vertreter Ägyptens und von der Arabischen Liga, soll als Clearingstelle die Arbeit der anderen Komitees begleiten.

Eine Regierung der nationalen Einheit hätte vor allem die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2010 vorzubereiten. Außerdem soll sie den Wiederaufbau im Gazastreifen kontrollieren. Nach der Zerstörung des dicht besiedelten Küstengebiets durch die israelische Armee bei der Aggression vom 27. Dezember bis 18. Januar hatte eine Geberkonferenz Anfang März 4,5 Milliarden US-Dollar Wiederaufbauhilfe zugesagt. Die Vergabe des Geldes wurde allerdings an die Bedingung geknüpft, daß es nicht von der Hamas, sondern ausschließlich von einer Regierung verwaltet werden dürfe, die dem amtierenden Präsidenten Mahmud Abbas untersteht. Der Westen verspricht sich zudem von einer palästinensischen Einigung Fortschritte im »Friedensprozeß« mit Israel.

Die Spaltung der Palästinenser war von Israel, den USA und Europa betrieben worden, nachdem die Hamas im Januar 2006 mit großem Abstand die Parlamentswahlen gewonnen hatte. Die im März 2006 vereidigte Regierung von Ministerpräsident Ismail Hanija wurde fast umgehend als »terroristisch« isoliert. Israel verhaftete oder tötete Regierungsmitglieder und Abgeordnete des neuen Parlaments. Der Hamas nahestehende Hilfsorganisationen in der Westbank wurden von der Palästinensischen Autonomiebehörde verboten.

Bewaffneter Zwist

Anfang 2007 war die demokratisch gewählte Regierung Hanija geschwächt und weitgehend isoliert, Hamas und Fatah einigten sich unter syrisch-saudischer Vermittlung auf eine Regierung der nationalen Einheit. Zunehmende bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen ließen aber nur wenige Monate später, im Juni 2007, diese Regierung auseinanderbrechen. Es folgte die Machtübernahme im Gazastreifen durch die Hamas, die Fatah-Angehörige als »Kollaborateure Israels« vertrieb, während in der Westbank Hamas-Mitglieder durch die Fatah verfolgt und verhaftet wurden. Israel verstärkte seine Blockade des Gaza­streifens, um die im Westen als »terroristisch« diffamierte Hamas in die Knie zu zwingen. Die angekündigte Vernichtung der Hamas und ihrer politischen Führer durch den dreiwöchigen Gaza-Krieg gelang nicht. Statt dessen wurde die soziale, ökonomische und politische Infrastruktur des Gazastreifens weitgehend zerstört.

* Aus: junge Welt, 9. März 2009


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