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Fajjads Rücktritt

Der palästinensische Premier war mit Präsident Abbas seit langem zerstritten

Von Karin Leukefeld *

Nach monatelangen Auseinandersetzungen hat der Präsident der Palästinenserbehörde (PA) Mahmud Abbas, das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Salam Fajjad am Samstag angenommen. Bis zur Ernennung eines Nachfolgers soll Fajjad noch im Amt bleiben.

Der in den USA ausgebildete Ökonom war bei den westlichen Verbündeten Israels sehr geschätzt. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete unter Berufung auf diplomatische Kreise, die USA und europäische Staaten hätten Druck auf Abbas ausgeübt, um den Rücktritt zu verhindern. Sie begründeten ihre Einmischung demnach damit, daß Fajjad bei den westlichen Staaten, die die PA finanziell unterstützen, hohes Vertrauen genossen habe. Weil die israelische Besatzung die wirtschaftliche Entwicklung der palästinensischen Gebiete massiv behindert, sind die Palästinenser auf permanente Finanzhilfe aus dem Ausland angewiesen.

In den USA äußerte sich die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Catilin Hayden, zu dem Rücktritt. Fajjad sei ein »starker Partner« gewesen, der sich für das wirtschaftliche Wachstum, den Aufbau eines Palästinenserstaates und für die Sicherheit der Palästinenser eingesetzt habe.

Hintergrund des Rücktritts sind seit langem bestehende Differenzen zwischen Abbas und Fajjad in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, die sich in der Person des palästinensischen Finanzministers Nabil Kassis verfestigt hatten. Fajjad hatte gegen den Willen von Abbas ein Rücktrittsgesuch von Kassis Anfang März angenommen, weil er mit Sparmaßnahmen, die Kassis vorgeschlagen hatte, um das steigende Haushaltsdefizits zu begrenzen, nicht einverstanden war.

Fajjad war 2007 ins Amt gekommen, nachdem Abbas – auf Druck Israels und des Westens – den bei den Parlamentswahlen 2006 rechtmäßig gewählten Ministerpräsidenten Ismail Hanija (Hamas) entmachtet hatte. Der neue Premier verfolgte das Ziel, einen Palästinenserstaat durch wirtschaftliche Entwicklung zu gründen. Israel sollte über die wachsende palästinensische Wirtschaft zum Frieden bewegt werden. Der Kommentator der New York Times, Thomas L. Friedman, bezeichnete den Plan Fajjads damals als die »wirkliche palästinensische Revolution«.

Tatsächlich hatte es in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten der Westbank immer wieder massive Proteste und Demonstrationen gegen Fajjads Wirtschaftspolitik gegeben, die auf ausländischen Investitionen basierte und industrielle Anlagen schuf, die zur Vertreibung der Menschen führte. Zwar wurde das Wirtschaftswachstum zeitweise um acht Prozent erhöht, Nutznießer war aber nur eine kleine Elite. Der anhaltende Siedlungsbau und die Besatzungspolitik be- und verhindern dagegen den Handel von Kleingewerbetreibenden und Bauern.

Einen Tag vor dem Rücktritt ­Fajjads hatte der Revolutionsrat der Fatah-Partei erstmals öffentlich die Amtsführung des Ministerpräsidenten kritisiert. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Autonomiebehörde wirke »in vielen Bereichen improvisiert und konfus«, hieß es in einer Erklärung. Entsprechend erfreut äußerten sich Politiker der Fatah über den Rücktritt. Der Sekretär des Revolutionsrates der Fatah, Amin Makboul, sagte der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan News, Fajjad sei es nicht gelungen, die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Die Autonomiebehörde stehe vor einem riesigen Schuldenberg und könne ihre Angestellten nicht bezahlen. Makboul spekulierte darüber, daß jetzt eine gute Gelegenheit sei, Abbas zum Präsidenten einer palästinensischen Einheitsregierung zu machen. Voraussetzung sei, daß »die Hamas die Streitigkeiten beilegt und einer Versöhnung zustimmt«. Die Hamas erklärte, der Rücktritt von Fajjad habe nichts mit dem innerpalästinensischen Versöhnungsprozeß zu tun. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri sagte der Nachrichtenagentur AFP, Fajjad habe die Regierung verlassen, »nachdem er unser Volk in Schulden verstrickt« habe. Die volle Verantwortung dafür liege bei der Fatah.

* Aus: junge Welt, 16. April 2013


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