Barguti der heimliche Star
Fatah-Parteitag mit vielen neuen Gesichtern in Führungsgremien
Von Sybille Oetliker, Jerusalem *
Der Parteitag der palästinensischen Fatah-Organisation muss wegen
anhaltender Probleme bei der
Feststellung einiger Wahlergebnisse um weitere drei Tage verlängert
werden. So gibt es wegen
knapper Wahlausgänge zum Spitzengremium, dem Zentralkomitee, Einsprüche.
Das teilte die
Wahlkommission am Mittwoch in Bethlehem mit. Danach hat die Auszählung
für die 80 Sitze im 120
Mitglieder umfassenden Revolutionsrat erst am Mittwoch begonnen. Sie
soll den Angaben zufolge
bis mindestens Samstag dauern.
Für viele Mitglieder der alten Garde von Fatah wird der Parteitag von
Bethlehem in bitterer
Erinnerung bleiben. Sie hatten den ersten Kongress der Partei seit 20
Jahren in der Hoffnung
organisiert, ihren Einfluss in der größten säkularen palästinensischen
Partei zu etablieren. Ihre
Rechnung ging nicht auf. Nur vier bisherige Mitglieder des
Zentralkomitees wurden wieder gewählt.
Auch die angesetzten Neuauszählungen werden an der personellen
Neuaufstellung der Fatah-
Führung nichts Grundsätzliches ändern.
Eine Woche lang hatten über 2000 Parteidelegierte inhaltliche und
personelle Tagesordnungspunkte
diskutiert, bevor sie zur Wahl der neuen Parteiführung schritten. Die
meisten Delegierten aus dem
Gaza-Streifen, die von Hamas an der Reise nach Bethlehem gehindert
worden waren, gaben ihre
Stimme telefonisch ab.
Das beste Ergebnis erreichte der wiedergewählte Abu Maher Ghneim. Der
72-jährige kam in
Jerusalem zu Welt und gehört zu den Gründungsmitgliedern von Fatah. Er
hatte aber die Oslo-
Verträge mit Israel abgelehnt und blieb nach deren Unterzeichnung und
der Gründung der
palästinensischen Autonomiebehörde im Exil in Tunis. Er hatte sich
bislang geweigert, in ein von
Israel kontrolliertes besetztes Palästina zurückzukehren. Er änderte
seine Haltung erstmals, um am
Fatah-Kongress teilzunehmen und wurde bei seiner Ankunft begeistert
empfangen.
Neu ins Zentralkomitee gewählt wurde Marwan Barguti. Der 51-jährige war
einer der Führer der
zweiten Intifada, wurde 2002 von Israel verhaftet und in einem
zweifelhaften Prozess wegen
angeblicher Unterstützung von Selbstmordanschlägen zu lebenslänglicher
Haft verurteilt. Barguti ist
der populärste palästinensische Führer, der weit über die
Fatah-Anhängerschaft hinaus geschätzt
wird. Er hatte früh die Korruption in der Partei kritisiert und sich
später im Gefängnis für die
Versöhnung zwischen Fatah und Hamas stark gemacht.
Ein ausgezeichnetes Resultat hatte auch Nasr al-Qidwa (50). Er ist ein
Neffe von Yasser Arafat und
war früher palästinensischer UN-Botschafter in New York. Er ist wenig
charismatisch, gilt aber als
einer der brillantesten Köpfe in der palästinensischen Führung. Ihm
gelang es, Israels Mauerbau auf
besetztem palästinensischen Gebiet. in den Vereinten Nationen zu
thematisieren; der Internationale
Gerichtshof in Den Haag verurteilte schließlich Israel im Jahr 2004 für
den Bau der Mauer.
Ebenfalls in die Parteiführung aufgenommen wurde der frühere
Sicherheitschef in Gaza, Muhammad
Dahlan (48). Er verließ den Gaza-Streifen kurz vor der Machtübernahme
durch die Hamas-
Organisation im Sommer 2007 und konnte seither nicht mehr in den
Küstenstreifen zurück. Er gilt als
Hardliner im Streit zwischen Fatah und Hamas und hat enge Verbindungen
zu den USA. Dahlans
ebenfalls in die Fatah-Führung gewählter Gegenspieler, Jibril Rajub
(56), der früher im
Westjordanland für die Sicherheitskräfte verantwortlich war, steht
hingegen für eine Aussöhnung mit
den Islamisten.
Prominentestes abgewähltes Führungsmitglied ist Ahmed Kureia. Der
einstige Premierminister war
in den letzten Jahren verantwortlich für die Verhandlungen mit Israel,
stand aber in dem Ruf, Teil
korrupter Strukturen innerhalb von Fatah zu sein. Allerdings fehlten
Kureia nur zwei Stimmen für
einen Sitz im ZK. Auch er hat eine Neuauszählung verlangt.
Insgesamt kam es zu einer Verjüngung und Erneuerung der Parteispitze.
Die neue Führungsriege
erklärte sich dem Friedensprozess verpflichtet, will aber einen
politisch konsequenteren Kurs
gegenüber Israel verfolgen als bisher. Dabei bezieht sich die Fatah auf
ein Elf-Punkte-Programm
berufen, mit dem die israelische Besatzung bekämpft werden soll. Die
Organisation bekräftigt darin
auch die Ablehnung des Ansinnens der gegenwärtigen Tel Aviver Regierung,
Israel als als jüdischen
Staat zu definieren – auch um die Rechte der palästinensischen
Flüchtlinge zu schützen.
* Aus: Neues Deutschland, 13. August 2009
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