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Kein bisschen Frieden

Verhandlungen von Palästinensern und Israel schon wieder in der Bredouille

Von Oliver Eberhardt *

Die Palästinenser wollen erst wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren, wenn Israels Regierung den Siedlungsbau stoppt. Das aber ist unwahrscheinlich.

Es sei laut geworden, sehr laut; die Wut ist im Umfeld des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas auch am Tag nach dem Eklat noch allgegenwärtig. »Wir werden hier an der Nase herumgeführt«, sagt ein hochrangiger Mitarbeiter. »Der Präsident hat es vorher sehr deutlich gemacht – er wird verhandeln, um Ergebnisse zu erzielen, und nicht, um Netanjahu den Job zu sichern. Wir sind auch in einer schwierigen Situation.«

Dass der Mann überhaupt mit den Medien spricht – auch dies ein Zeichen dafür, dass die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern, die Ende Juli nach monatelanger Vorarbeit durch US-Außenminister John Kerry begonnen hatten, in einer tiefen Krise sind.

Bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen sollen sich am Dienstag die Verhandler beider Seiten angebrüllt haben. Auslöser des Eklats war die Ankündigung der israelischen Regierung Ende vergangener Woche, mindestens 1500 weitere Wohnungen in den besetzten Gebieten bauen zu wollen – kurz nachdem man 26 palästinensische Gefangene freigelassen hatte. Auf Seiten der palästinensischen Regierung gewann man darauf hin den Eindruck, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu habe eine Art Deal »Siedlungen für Gefangene« mit den rechten Koalitionspartnern geschlossen, um so eine Gesetzesvorlage vom Tisch zu bekommen, die die Freilassung von »Palästinensern mit Blut an den Händen« verboten hätte. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte bei den Palästinensern auch, dass Netanjahu auch erklären ließ, der Bau der Wohnungen könne bereits in sechs Monaten beginnen. Bislang hatte er nach solchen Ankündigungen den Baubeginn stets stillschweigend verzögert.

Mitarbeiter Netanjahus bestreiten nicht, dass es ihrem Chef, der die palästinensische Führung beschuldigte, eine »künstliche Krise« zu schaffen, bei den Verhandlungen vor allem darum geht, Ruhe zu haben. Die Grundannahme: Solange gesprochen wird, wird nicht gekämpft. Dafür sei er bereit, Zugeständnisse zu machen, die wenig weh tun, aber nicht mehr.

Das sich das ändert, ist am Mittwoch noch etwas unwahrscheinlicher geworden. Denn am Morgen wurde Avigdor Lieberman, Chef von der rechten Jisrael Beitenu, von einem Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen, die ihn im Dezember 2012 dazu gezwungen hatten, vom Amt des Außenministers zurückzutreten. Vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft verzichtet auf die Revision, ist es sehr wahrscheinlich, dass er bald in dieses Amt zurückkehren wird. Und Lieberman ist ein vehementer Gegner von Verhandlungen mit den Palästinensern.

Auf Seiten der US-Vermittler macht sich deshalb zunehmend Hoffnungslosigkeit breit. »Es müsste ein Wunder geschehen, um daraus etwas Nachhaltiges werden zu lassen«, sagt ein Diplomat. Und widerspricht damit indirekt seinem Chef, Außenminister Kerry, der am Mittwoch nach einem Treffen mit Netanjahu sagte: »Es gibt immer Probleme und Spannungen. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sie überwinden können.« Dann mahnte er »ernsthafte Kompromisse und schwere Entscheidungen« an. Wenig später kündigten die USA an, Palästina 80 Millionen Euro für die »Schaffung von Arbeitsplätzen« zur Verfügung stellen zu wollen. Eine Ankündigung, die die Laune der palästinensischen Regierung allerdings nicht hob. Solche Zahlungen gehen entweder für die Begleichung von Kreditzinsen bei internationalen Banken drauf, oder sind an US-Unternehmen gebunden.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 7. November 2013


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